Abberufung eines Datenschutz­beauftragten möglich?

Rechtsprechung

Am 9. Februar 2023 hat der Europäische Gerichtshof in zwei Urteilen (C-453/21; C-560/21) entschieden: Die Datenschutz-Grundverordnung steht einer nationalen Vorschrift wie dem Bundesdatenschutzgesetz, die strengere Anforderungen an die Abberufung einer oder eines Datenschutzbeauftragten als die Datenschutz-Grundverordnung stellt, nicht entgegen. Das setzt jedoch voraus, dass die nationale Vorschrift die Verwirklichung der Ziele der Datenschutz-Grundverordnung nicht beeinträchtigt.

Die Fälle

Ausgangspunkt waren zwei Vorabentscheidungsersuche nach Artikel 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht mit Entscheidungen vom 27. April 2021. In einem Fall ging es um einen Betriebsratsvorsitzenden, der sich mit seiner Klage gegen seine Abberufung als Datenschutzbeauftragter gewehrt hatte. Die Abberufung war mit der Begründung erfolgt, dass die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehen würde, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei, weil diese beiden Ämter nicht miteinander vereinbar seien. Es gebe daher einen wichtigen Grund, der es rechtfertige, den Kläger als Datenschutzbeauftragten abzuberufen.

Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten, hat das Bundesarbeitsgericht die Sache dem Europäischen Gerichtshof mit der Begründung vorgelegt, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung des Unionsrechts abhänge. Insbesondere stelle sich zum einen die Frage, ob Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 Datenschutz-Grundverordnung einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehe, die wie § 6 Absatz 4 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz die Abberufung einer oder eines Datenschutzbeauftragten strengeren Voraussetzungen unterwerfe als sie im Unionsrecht vorgesehen seien – unabhängig davon, ob sie im Wege der Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt. Zum anderen wurde die Frage gestellt, ob diese Bestimmung auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhe.

Ähnlich gelagert ist der zweite Fall, bei dem sich der Kläger ebenfalls gegen seine Abberufung gewehrt hatte. Sie wurde damit begründet, dass wegen und seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit ein Interessenkonflikt bestehe. Der Kläger sah dies nicht als wichtigen Grund an, der seine Abberufung rechtfertigen könne.

Bereits in seinem Urteil vom 22. Juni 2022 hatte der Europäische Gerichtshof folgendes ausgeführt: Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch bedeutet das Verbot, Datenschutzbeauftragte abzuberufen oder zu benachteiligen, dass sie von den verantwortlichen Personen oder Auftragsverarbeitenden vor jeder Entscheidung zu schützen sind,

  • die ihr Amt beenden würde,
  • durch das ihnen ein Nachteil entstünde
  • oder die eine Sanktion darstelle.

In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof ebenfalls festgestellt, dass Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 Datenschutz-Grundverordnung im Verhältnis zwischen Datenschutzbeauftragten und verantwortlichen Personen oder Auftragsverarbeitenden unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses gilt. Demnach soll im Wesentlichen die funktionelle Unabhängigkeit der Datenschutzbeauftragten gewahrt und damit die Wirksamkeit der Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung gewährleistet werden.

Der Europäische Gerichtshof hat nun anerkannt, dass es jedem Mitgliedstaat freisteht, in Ausübung seiner vorbehaltenen Zuständigkeit besondere, strengere Vorschriften für die Abberufung von Datenschutzbeauftragten vorzusehen, sofern diese mit dem Unionsrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung, vor allem Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 Datenschutz-Grundverordnung, vereinbar sind. Außerdem führt der Europäische Gerichtshof aus: Die Ziele der Datenschutz-Grundverordnung würden nicht erfüllt, wenn ein strengerer Schutz die Abberufung von Datenschutzbeauftragten verhindere, die aufgrund eines Interessenkonflikts ihre Aufgaben nicht oder nicht mehr in vollständiger Unabhängigkeit wahrnehmen können.

Zudem hat sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage des Bundesarbeitsgerichts befasst, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen eines „Interessenkonflikts“ im Sinne von Artikel 38 Absatz 6 Datenschutz-Grundverordnung festgestellt werden kann. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass diese Regelung der Datenschutz-Grundverordnung dahingehend auszulegen ist, dass ein „Interessenkonflikt“ im Sinne dieser Bestimmung bestehen kann, wenn Datenschutzbeauftragte andere Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die sie dazu veranlassen würden, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten bei der verantwortlichen Person oder seinen Auftragsverarbeitenden festzulegen.

Ob dies der Fall ist, muss nun das Bundesarbeitsgericht als nationales Gericht jeweils im Einzelfall auf der Grundlage einer Würdigung aller relevanten Umstände feststellen – insbesondere bei der Organisationsstruktur der verantwortlichen Personen oder ihres Auftragsverarbeitenden, und im Licht aller anwendbaren Rechtsvorschriften, einschließlich etwaiger interner Vorschriften.

Fazit

Diese beiden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof machen erneut deutlich, wie hoch die Hürden für eine Abberufung von Datenschutzbeauftragten sind, insbesondere wenn es sich um interne Datenschutzbeauftragte handelt, die mit weiteren Aufgaben betraut sind, aufgrund derer der Arbeitgeber einen Interessenkonflikt befürchtet. Diesen kann er nicht immer steuern, zum Beispiel, wenn sich die oder der Datenschutzbeauftragte nach seiner Bestellung in den Betriebsrat wählen lässt. Es bleibt spannend, wie das Bundesarbeitsgericht nun final in beiden Fällen entscheiden wird. Für die Bestellung von Datenschutzbeauftragten sprechen die bisherigen Entscheidungen jedoch nicht.

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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