Schriftformgebot bei geändertem Tätigkeitsbeginn verletzt?

Teilzeit- und Befristungsgesetzag

Für eine wirksame Befristungsabrede ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Befristung in schriftlicher Form arbeitsvertraglich vereinbart wird, bevor der Arbeitnehmende seine Tätigkeit für den Arbeitgeber aufnimmt. Ein Verstoß gegen die von der Rechtsprechung bisher streng angewendete Regelung des § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz angeordnete Schriftformerfordernis hat zur Folge, dass die Befristung unwirksam ist.

In seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 16. August 2023 (7 AZR 300/22; Vorinstanz Landesarbeitsgericht Thüringen, 1 Sa 115/21) hat das Bundesarbeitsgericht auf den Schutzzweck der Norm abgestellt und entschieden, dass die mündliche Vereinbarung eines früheren Tätigkeitsbeginns nach Abschluss eines schriftlichen befristeten Arbeitsvertrages keinen Verstoß gegen § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz darstellt und somit keinen unbefristeten Arbeitsvertrag zur Folge hat.

Der Fall

In dem zu entscheidenden Fall hatten die Vertragsparteien zunächst einen schriftlichen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen, wonach der Arbeitnehmer in der Freibadsaison vom 15. Mai 2019 bis zum 30. September 2019 für die Beklagte tätig werden sollte. Nachträglich hatten sich Arbeitgeberin und Arbeitnehmer jedoch mündlich darauf geeinigt, dass dieser mit seiner Tätigkeit bereits einige Wochen früher starten sollte. Der Arbeitnehmer nahm seine Tätigkeit dementsprechend bereits am 4. Mai 2019 auf. Er kam der Bitte der Arbeitgeberin nicht nach, die von ihr übersandte, abgeänderte Vertragsseite mit dem geänderten Befristungszeitraum auszutauschen. Vielmehr klagte er nach Ablauf der Befristung auf eine unbefristete Anstellung, da sich seiner Ansicht nach das Schriftformgebot des § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz auf den Befristungszeitraum beziehe, dessen Änderung nicht schriftlich vereinbart worden sei.

Entscheidung und Begründung des Gerichts

Das Bundesarbeitsgericht hatte somit zu entscheiden, ob bei einer zeitlichen Befristung zwingend auch der Anfangsbeginn der Schriftform bedarf und somit der Befristungszeitraum oder die schriftliche Vereinbarung des Endtermins ausreichen kann. In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht Thüringen die Klage abgewiesen. Auch das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung zum 30. September 2019 ordnungsgemäß endete. Es begründete seine Entscheidung dahingehend, dass ein kalendermäßig bestimmter Endtermin, nämlich der 30. September 2019, schriftlich von den Parteien vereinbart worden war. Die Vorverlegung des Arbeitsbeginns habe dieses schriftlich vereinbarte Enddatum der Befristung nicht geändert und somit nicht der Schriftform bedurft. Mit der nachträglichen mündlichen Einigung auf einen früheren Tätigkeitsbeginn hätten Arbeitgeberin und Arbeitnehmer keinen weiteren oder neuen Arbeitsvertrag mit nur mündlicher Befristungsabrede getroffen.

Bezogen auf den Normzweck diene das Schriftformerfordernis des § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz dazu, dass bei befristeten Arbeitsverträgen, die automatisch enden, größtmögliche Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dem Arbeitnehmer solle damit ferner deutlich gemacht werden, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Vereinbarung der Befristung zu einem bestimmten Zeitpunkt automatisch enden wird. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf die Vereinbarung eines Anfangszeitpunktes eines befristeten Arbeitsvertrages nur dann der Schriftform, wenn allein dadurch das Ende des Arbeitsverhältnisses bestimmbar sei. Bei kalendermäßigen Befristungen, wie im streitgegenständlichen Fall, müsse entweder das Beendigungsdatum oder der Vertragsbeginn und die Vertragsdauer dem Schriftformgebot entsprechen. Wenn, wie mit dem 30. September 2019, ein konkretes Datum als Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich festgehalten wurde, ist für den Arbeitnehmer klar erkennbar, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis enden soll. Die Angabe des Beginns des Arbeitsverhältnisses berühre dagegen weder den klarstellenden und warnenden noch den beweissichernden Zweck des § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Den Gesetzesmaterialien zu § 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz sei zudem nicht zu entnehmen, dass sich die Beweisfunktion der schriftlichen Befristungsabrede auch auf die Einhaltung der Befristungshöchstdauer erstrecken soll.

Fazit

Die angegriffene Befristung war zulässig, zumal sie die zulässige Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren nicht überschritten hatte.

 

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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