Arbeitsverträge müssen ab August angepasst werden

Arbeitsrecht

Bis zum 1. August 2022 muss der deutsche Gesetzgeber die Arbeitsbedingungen-Richtlinie umgesetzt haben. Die Gesetzgebung dazu ist auf der Zielgraden. Für den 20. Juni ist noch eine Sitzung im Ausschuss für Arbeit und Soziales und für den 23. Juni die finale Beschlussfassung im Deutschen Bundestag vorgesehen.

Im Anschluss wird Arbeit auf die Unternehmen zukommen. Sie werden dann etwas mehr als fünf Wochen Zeit haben, um die neuen Anforderungen in ihrer praktischen Arbeit umzusetzen. Das ist kein üppiger Umsetzungszeitraum. Wegen der knappen Zeit und auch, da nicht zu erwarten ist, dass an dem Gesetzesentwurf vom 2. Mai 2022 noch grundlegende Änderungen vorgenommen werden, ist zu empfehlen, bereits einen Blick auf den vorgesehenen Änderungsbedarf zu werfen. Diese Empfehlung gilt auch, da die Änderung des Nachweisgesetzes eine neue Sanktion vorsehen wird und dadurch ein Verstoß gegen das Nachweisgesetz mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 Euro geahndet werden kann.

Was gilt bisher?

Das Nachweisgesetz in seiner aktuell gütigen Fassung sieht bereits jetzt recht weitreichende Informationspflichten gegenüber einem Arbeitnehmer beziehungsweise einer Arbeitnehmerin vor. Der Arbeitgeber hat also innerhalb eines Monats nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und der beschäftigten Person auszuhändigen. Die Information durch den Arbeitgeber muss sich mindestens auf den Name und die Anschrift der Vertragspartner, den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, bei Befristungen auf die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, auf den Arbeitsort sowie eine kurze Tätigkeitsbeschreibung, die Zusammensetzung beziehungsweise die Höhe des Arbeitsentgelts, die vereinbarte Arbeitszeit, die Dauer des Erholungsurlaubs, die Kündigungsfristen und auf anwendbare Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen beziehen. Die Information kann durch den Arbeitsvertrag erfolgen oder durch eine gesonderte Niederschrift. Bisher hat das Nachweisgesetz keine unmittelbare Sanktion vorgesehen, wenn der Arbeitgeber die Informationspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

Was ist für die Zeit ab August geplant?

Die Umsetzung der Arbeitsbedingungen-Richtlinie erfolgt in Deutschland überwiegend durch eine Änderung des Nachweisgesetzes und durch eine Erweiterung der niederzulegenden Informationen. Außerdem wird die Frist zur Erfüllung der Anforderungen verkürzt.

Aller Voraussicht müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ab dem 1. August also über nachfolgende Aspekte informieren:

  • sofern eine Probezeit vorgesehen ist, ist die Dauer der Probezeit anzugeben;
  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss auch das Enddatum benannt sein;
  • neben der vereinbarten Ruhezeit muss auch über die Ruhepausen, Ruhezeiten, das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen der Schichtänderungen informiert werden;
  • bei Arbeit auf Abruf müssen die Vereinbarung der Arbeit auf Abruf, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, der Zeitrahmen der Erbringung der Stunden und die Mitteilungsfrist angegeben werden;
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen müssen in der Niederschrift angegeben werden;
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Entgelts einschließlich aller Vergütungsbestandteile (wie Vergütung für Überstunden, Zuschläge, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen), sind jeweils getrennt und unter Angabe der Fälligkeit und Art der Auszahlung anzugeben;
  • der Arbeitgeber muss über einen etwaigen Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen informieren;
  • der Arbeitgeber muss über Namen und Anschrift des Versorgungsträgers informieren, wenn eine betriebliche Altersvorsorge besteht;
  • der Arbeitgeber muss hinsichtlich des bei einer Kündigung vom Arbeitgeber und von der beschäftigten Person einzuhaltende Verfahren informieren, wobei mindestens über die Schriftform, die Kündigungsfristen und die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu informieren ist.

Die Informationen zu den Vertragsparteien, der Vergütung und der Arbeitszeit einschließlich der Ruhepausen muss spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung vorliegen. Weitere wesentliche Vertragsinformationen müssen spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn der Tätigkeit erteilt worden sein und einzelne Angaben (wie die Informationen zum Verfahren bei der Kündigung) sind erst innerhalb eines Monats nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn erforderlich. In der Praxis werden die Informationspflichten in der Regel vor allem dadurch erfüllt, dass die geforderten Angaben im schriftlich gefassten Arbeitsvertrag enthalten sind. Dies wird wohl auch weiterhin der bevorzugte (und auch der rechtlich empfehlenswerte) Weg bleiben. Die Erweiterung der Informationspflichten im Nachweisgesetzes wird im Ergebnis auch dazu führen, dass Arbeitgeber ihre Musterarbeitsverträge entsprechend den neuen Anforderungen ergänzen. Dabei bietet es sich an, die verwendeten Formulare im Übrigen rechtlich zu aktualisieren.

Außerdem ist anzumerken, dass im Detail in der Praxis noch nicht geklärt ist, in welcher Weise die neuen Nachweispflichten erfüllt werden sollen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den Angaben zum Verfahren bei der Kündigung. Nach der Gesetzesbegründung spricht einiges dafür, dass nur die genannten Mindestangaben (Schriftformerfordernis, Kündigungsfristen und Klagefrist) zu erteilen sind. In der juristischen Literatur wird aber auch vertreten, dass die Anforderungen des neuen Nachweisgesetzes erst erfüllt sind, wenn weitere Angaben zum Ablauf der Kündigungsschutzverfahren gemacht wurden.

Gilt das auch für Altverträge?

Die zuvor beschriebenen Informationspflichten sind bei allen Arbeitsverhältnissen, die ab dem 1. August 2022 neu abgeschlossen wurden, einzuhalten. Was gilt aber für die Arbeitsverhältnisse, die bereits davor begonnen wurden?

Hier gilt: Der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin kann vom Arbeitgeber auch eine Niederschrift der erweiterten Informationen verlangen. Nach dem Verlangen hat der Arbeitgeber sieben Tage Zeit, um  bereits beschäftigten Personen die vorgesehenen Vertragsinformationen zu erteilen. Um einem Informationsverlangen eines oder einer Beschäftigten gelassen begegnen zu können, bietet es sich auch in diesem Zusammenhang an, bereits ein Informationsblatt vorzubereiten, das auf Verlangen übergeben werden kann.

Wenn die neuen Anforderungen missachtet werden, was droht dann?

Mit einer Missachtung des Nachweisgesetzes war bislang keine unmittelbare Sanktion verbunden. Denkbar waren allerdings Schadensersatzansprüche einer beschäftigten Person. Praktische Bedeutung erlangte ein solcher Schadensersatz beispielsweise, wenn Ansprüche gegen den Arbeitgeber noch geltend gemacht wurden, obwohl schon Verfalls- und Ausschlussfristen abgelaufen waren und diese Verfalls- und Ausschlussfrist nicht niedergelegt worden ist.

Ab dem 1. August verschärft sich die Sanktion empfindlich. Eine Missachtung der Vorgaben des Nachweisgesetzes ist ab dem 1. August bußgeldbewehrt und kann zu einer Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 2.000 Euro führen. Das Bußgeld kann schon verwirkt sein, wenn die Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig ausgehändigt werden. Oder mit anderen Worten: Bei jedem erdenklichen Fehler. Die Einhaltung der Nachweispflichten wird damit ein Compliance-Thema.

Und was noch? Oder: Wird aufgrund der Arbeitsbedingungen-Richtlinie nur das Nachweisgesetz geändert? Oder gibt es noch weitere Änderungen?

Neben der Anpassung des Nachweisgesetzes führt die Arbeitsbedingungen-Richtlinie unter anderem auch noch zu Anpassungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz, im Berufsbildungsgesetz, im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, im Arbeitnehmer-Entsendegesetz und in der Gewerbeordnung. Von wesentlicher Bedeutung ist im Zusammenhang vor allem die neu vorgesehene Vorgabe zur Probezeit bei befristeten Arbeitsverträgen. Die Probezeit muss bei einer befristeten Tätigkeit in einem Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und zu der Art der Tätigkeiten stehen. Was mit dem Verhältnis konkret gemeint ist und in welchen Fällen die maximale Probezeit von sechs Monaten nicht ausgereizt werden darf, wird in der Gesetzesbegründung nicht erläutert. Dort wird nur darauf verwiesen, dass ein unverhältnismäßiges Verhältnis zur Unwirksamkeit der Probezeitregelung führt.

Fazit und Handlungsempfehlung

Unternehmen haben die Möglichkeit, die neu geplanten Informationspflichten des Nachweisgesetzes ab dem 1. August 2022 entweder durch den Arbeitsvertrag oder durch eine gesonderte Information zu erfüllen. Für Arbeitsverhältnisse, die ab August beginnen, bietet es sich an, die geplanten neuen Anforderungen unmittelbar im Arbeitsvertrag zu erfüllen und die Musterverträge so zu überarbeiten, dass die Anforderungen erfüllt werden. Außerdem müssen sich Arbeitgeber darauf vorbereiten, dass sie einem Wunsch eines oder einer Beschäftigten nachkommen können und auch bei Altverträgen innerhalb einer Woche die ausgeweiteten Nachweispflicht erfüllen. Unternehmen sollten sich daher zeitnah mit den neuen Anforderungen vertraut machen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

Weitere Artikel