Arbeitszeiterfassung und Datenschutz im digitalen Zeitalter

Arbeitsrecht

Ein Arbeitgeber kann seine Angestellten nicht ohne Weiteres zur Erfassung ihrer Arbeitszeit mit einem digitalen Zeiterfassungssystem verpflichten, das ihre Fingerabdrücke verwendet. Das hat das ArbG Berlin in einem Urteil vom 16.10.2019 (Az. 29 Ca 5451/19) entschieden.

Allgemeines zur digitalen Arbeitszeiterfassung

Während die analoge Erfassung der Arbeitszeit lange Zeit der Regelfall war, sind heute digitale Alternativen auf dem Vormarsch. Die digitale Erfassung der Arbeitszeit über software- oder webbasierte Zeiterfassungssysteme hat gegenüber der analogen Zeiterfassung einige Vorteile für den Arbeitgeber. Sie kann insbesondere zur Erleichterung der Entgeltabrechnung sowie zu mehr Transparenz und Rechtssicherheit für den Arbeitgeber führen. Eine Form der digitalen Zeiterfassung erfolgt mittels Fingerprints. Diese Form der Zeiterfassung verhindert insbesondere, dass ein Arbeitszeitbetrug durch das Mitstempeln für Kollegen begangen werden kann.

Hintergrund der Entscheidung

Eine solche Zeiterfassung per Fingerprint hatte die Beklagte im Jahr 2018 für alle ihre Mitarbeiter eingeführt. Das eingeführte System funktioniert folgendermaßen: Die Mitarbeiter melden sich mittels Fingerprints im Zeiterfassungsprogramm an und ab. Dazu werden aus den Fingerabdrücken sogenannte Minuzien (individuelle Fingerlinienverzweigungen) extrahiert. Dieser Datensatz wird dann im Zeiterfassungsterminal gespeichert und zum Abgleich mit dem Fingerabdruck des Mitarbeiters bei der An- und Abmeldung verwendet. Der Fingerabdruck selbst wird nicht gespeichert und kann aus dem Datensatz auch nicht generiert werden. Der Kläger weigerte sich, dieses Zeiterfassungssystem zu nutzen. Daraufhin mahnte die Beklagte den Kläger zweimal ab. Der Kläger verlangte gerichtlich die Entfernung dieser Abmahnungen aus der Personalakte.

Rechtliche Grundlagen der Entscheidung

Bei den gespeicherten Daten handelt es sich um biometrische Daten nach Art. 9 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und besondere Kategorien personenbezogener Daten gemäß § 26 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Verarbeitung dieser Daten kann die Privatsphäre der betroffenen Mitarbeiter und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen und ist gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich verboten. Biometrische Daten eines Beschäftigten darf der Arbeitgeber gemäß § 26 Abs. 3 BDSG nur verarbeiten, soweit dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Dabei muss eine dreistufige Prüfung erfolgen. Zunächst muss festgestellt werden, ob das biometrische Verfahren die Zwecke des Arbeitsverhältnisses fördert und ob diese Zwecke nicht durch ein milderes Mittel erreicht werden können. Zuletzt muss auf dritter Stufe eine Abwägung zwischen dem Arbeitgeberinteresse an der Datenverarbeitung und den schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer vorgenommen werden.

Entscheidung des ArbG Berlin

Das ArbG Berlin hat entschieden, dass das verwendete Zeiterfassungssystem erheblich in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Arbeitnehmer eingreift. Ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers könne bei konkreten Umständen im Einzelfall, zum Beispiel zur Verhinderung Missbrauchs von Zeiterfassungssystemen, zwar angenommen werden. Dazu fordert das ArbG Berlin aber Nachweise über solche Missbräuche in nicht unerheblichem Umfang. Es sei nämlich davon auszugehen, dass sich die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer grundsätzlich rechtstreu verhalte und somit an sich kein Grund für eine Kontrolle mittels Verarbeitung von biometrischen Daten bestehe. Einen solchen Missbrauchsnachweis hat die Beklagte nicht erbracht. Insofern ist die von dem Gericht durchgeführte Interessenabwägung zu Lasten der Arbeitgeberseite ausgegangen.

Empfehlung für Arbeitgeber

Die Verpflichtung der Arbeitgeber, die Arbeitszeit der Mitarbeiter zu dokumentieren, rechtfertigt nach aktueller Rechtsprechung nicht per se, dabei biometrische Daten zu verwenden. Vor dem Einsatz eines Zeiterfassungssystems, das zur Verarbeitung biometrischer Daten führt, sollten Arbeitgeber daher die Erforderlichkeit der gewählten Arbeitszeiterfassung prüfen und dokumentieren und im Zweifel ein solches Erfassungssystem nur verwenden, wenn es in der Vergangenheit zu Missbrauchsfällen kam und dementsprechend eine Wiederholungsgefahr besteht.

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(c) CMS

Isabel Meyer-Michaelis

CMS Hasche Sigle
Dr. Isabel Meyer-Michaelis ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Ihre Beratungspraxis umfasst unter anderem die arbeitsrechtliche Beratung bei Restrukturierungen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie die  Betreuung von kündigungsrechtlichen Auseinandersetzungen und Aufhebungsverhandlungen.

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