Auskunftsanspruch von Beschäftigen versus Hinweisgeberschutz

Datenschutzgrundverordnung

Arbeitnehmende machen vermehrt von dem Auskunftsanspruch gemäß Artikel 15 Datenschutzgrundverordnung über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten Gebrauch. Dies wird von anwaltlichen Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitnehmenden oft als Hebel in der Verhandlung um die Konditionen eines Aufhebungsvertrags oder eines Vergleichs über eine Kündigung eingesetzt. Arbeitgeber sollten auch diesen Aspekt bei ihren Maßnahmen, wie zum Beispiel einer verhaltensbedingten Kündigung, immer mitdenken. So ist damit zu rechnen, dass gezielt auch Informationen aus einem im Betrieb implementierten Hinweisgebersystem herausverlangt werden. Der Schutz von Informantinnen und Informanten kann dem Anspruch eines Arbeitnehmenden auf Auskunft zu dem Hinweisgebenden entgegenstehen. Dies ist aber kein Selbstläufer und sollte von der Arbeitgeberseite rechtzeitig sichergestellt werden.

Der Fall

Der 63-jährige Kläger klagte auf Auskunft zu seinen personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit einer internen Untersuchung, die gegen ihn 2021 wegen angeblichen Mobbings sowie sexueller Belästigung durchgeführt wurde. Eine Mitarbeiterin aus seinem Team hatte sich über ihn in seiner Funktion als ihr Vorgesetzter beschwert. Im Zuge dieser Untersuchung wurden die ihm unterstellten Teammitglieder in Interviews unter Verwendung von Fragebögen zu seinem Führungsstil, zur Trennung zwischen Arbeit- und Privatleben, zu unangemessenen Urlaubsbildern sowie zu persönlichen und physischen Kontakten befragt. Der Kläger verlangte die Interviewprotokolle, erhielt jedoch Kopien mit geschwärzten Passagen. Die Arbeitgeberin begründete dies mit einer Zusage an die Teammitarbeiterinnen, dass ihre Angaben vertraulich behandelt würden, insbesondere ihre Identifizierung durch ihren Vorgesetzten verhindert werden solle. Der Kläger wurde in eine andere Position versetzt und arbeitete mit den Teammitgliedern nicht mehr zusammen. Die Arbeitgeberin hatte erklärt, dass der Vorwurf der sexuellen Belästigung „vom Tisch sei“. Mit seiner Klage verlangte der Kläger unter anderem die Herausgabe der ungeschwärzten Interviewprotokolle.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verurteilte (Urteil vom 30.03.2023 – 5 Sa 1046/22) die beklagte Arbeitgeberin auf der Grundlage des Artikels 15 Absatz 3 Datenschutzgrundverordnung, dem Kläger Kopien der ungeschwärzten Protokolle der mit Beschäftigten seines Teams geführten Gespräche herauszugeben.

Das Landesarbeitsgericht bestätigt zunächst eine weite Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten nach Artikel 4 Nummer 1 Datenschutzgrundverordnung: Danach sind auch Stellungnahmen oder Beurteilungen zu Personen solche geschützten personenbezogenen Daten, das heißt ohne Zweifel auch die fraglichen Interviewprotokolle.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vertritt des Weiteren die Auffassung, dass der Auskunftsanspruch nach Artikel15 Datenschutzgrundverordnung keineswegs nur zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eigener Daten berechtigt gestellt wird. Zwar verfolge die Datenschutzgrundverordnung das Ziel, dass sich die Beschäftigten der Verarbeitung ihrer Daten bewusstwerden und sie die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung prüfen und nötigenfalls hierzu Rechte wahrnehmen können. Die Arbeitnehmenden dürften aber auch andere Ziele mit dem Auskunftsanspruch verfolgen, etwa Informationen für eine eigene Klage von dem Arbeitgeber zu erlangen. Jede Auskunft beinhalte immer auch den Einblick in die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung, eine darüber hinaus gehende Motivation hindere nicht den Auskunftsanspruch. Diese Sichtweise teilt auch der Bundesgerichtshof, der diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat (BGH, 29.03.2022 – VI ZR 1352/20).

Geheimhaltungsinteresse versus Auskunftsinteresse

Jedoch verneint im vorliegenden Fall das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung der Arbeitgeberseite, dass der Anspruch auf Herausgabe der ungeschwärzten Kopien ausgeschlossen sei, weil in ihnen Informationen enthalten seien, die ihrem Wesen nach oder aufgrund berechtigter Interessen Dritter geheim gehalten werden müssten. Zwar bestehe das Recht auf Auskunft gemäß § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 29 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz nicht, wenn überwiegende berechtigte Interessen Dritter betroffen wären. Auch die Datenschutzgrundverordnung sehe die Möglichkeit vor, das nationale Rechtsvorschriften (zum Beispiel § 29 Absatz 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz) den Anspruch auf Auskunft und Herausgabe von Kopien beschränken, wenn Rechte oder Freiheiten anderer Personen berührt wären.

Immer aber sei eine Einzelabwägung der Interessen der betroffenen Arbeitnehmerin oder des betroffenen Arbeitnehmers und der Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers durchzuführen.

Das Landesarbeitsgericht unterstreicht, dass es ein legitimes Interesse an der Geheimhaltung einer Informationsquelle darstelle, wenn der Arbeitgeber zum Zwecke der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens Hinweisgebenden Anonymität zusichert.

Er wäre dann nicht befugt, Daten weiterzugeben, die die Person des Hinweisgebenden offenbaren oder Rückschlüsse auf die Person zulassen.

Jedoch gilt dies nicht unbesehen: So müsse das Geheimhaltungsinteresse hinter dem Auskunftsinteresse des Arbeitnehmenden zurücktreten, wenn der Hinweisgebende wider besseren Wissens oder zumindest leichtfertig dem Arbeitgeber unrichtige Informationen gegeben hat. Bei einer solchen Konstellation überwiege das Schutzinteresse des betroffenen Arbeitnehmenden (so auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, zum Verlangen auf Einsichtnahme in eine interne Ermittlungsakte).

Beweislast liegt beim Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen beachten, dass die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die nach der Interessenabwägung die Verweigerung von Auskunft und Kopie tragen sollen, bei ihnen liegt. Im vorliegenden Fall hatte die Klage Erfolg, weil die Arbeitgeberseite nur pauschal zu dem Geheimhaltungsinteresse vorgetragen hatte.

Im Gerichtsverfahren dürfe sich der Arbeitgeber aber nicht auf Vermutungen stützen, sondern müsse vielmehr konkrete Tatsachen benennen, die das überwiegende Interesse des Hinweisgebers an seiner Geheimhaltung begründen sollen, so das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Der Arbeitgeber muss somit einen konkreten Sachverhalt benennen, der die Prüfung ermöglicht, ob Rechte oder die Freiheiten schützenswerter dritter Personen beschränkt würden. Dies verlange die Darlegung, auf welche Informationen, über Sachverhalt, Vorfall, Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnder Personen, sich das überwiegende Interesse an einer Geheimhaltung – und damit im vorliegenden Fall die Schwärzung – beziehen soll. Natürlich sollen mit dieser Darstellung dann nicht die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden. Es müsse aber aus dem Vortrag des Arbeitgebers ersichtlich sein, warum bei Offenlegung bestimmter Informationen Hinweisgeber, denen man Anonymität zugesichert hat, zwangsläufig erkennbar würden.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg verlangt von dem Sachvortrag des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang auch, dass dieser die Prüfung ermöglichen muss, ob wider besseres Wissen oder jedenfalls leichtfertig unwahre Informationen gegeben wurden. Der Vortrag des Arbeitgebers müsse zumindest ausschließen lassen, dass es ihm bekannt oder erkennbar war, dass die Informationen unwahr sind. So hat das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall die spätere Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Kläger, dass der Vorwurf sexueller Belästigung „vom Tisch“ sei, zugunsten des Klägers dahingehend gewertet, dass die Informationen der Hinweisgeber vielleicht doch wissentlich unwahr oder leichtfertig erhoben worden seien. Hier wäre somit klarstellender Vortrag im Prozess durch den Arbeitgeber erforderlich gewesen.

Fazit und Empfehlung

Das zum 2. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet in seinem § 8 Absatz 1 den Arbeitgeber dazu, die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Personen zu schützen. Daneben gab es aber schon zuvor eine Vielzahl von betrieblichen Hinweisgebersystemen, in denen sich der Arbeitgeber explizit zur Wahrung der Anonymität der Hinweisgebenden verpflichtet hat. Diese Anonymität wird von den Mitarbeitenden und sonstigen potenziellen Hinweisgebenden ohne Zweifel als die Grundvoraussetzung angesehen, überhaupt betriebliche Missstände zu melden. Wäre dies nicht gewährleistet, würden sich Informantinnen und Informanten häufig gegen die Meldung entscheiden. Es ist daher wichtig für die Effektivität des Hinweisgebersystems und die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers, dass dieser bestmöglich den Schutz der Hinweisgebenden gewährleistet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zeigt auf, wie Arbeitgeber im Zusammenhang mit Auskunftsansprüchen vorzutragen in der Lage sein müssen. Es ist daher die Empfehlung zu geben, dass die interne Ermittlung, die auf den Hinweis der Mitarbeitenden einsetzt, von Anfang an eine sehr sorgfältige Dokumentation leistet. Diese muss es dem Arbeitgeber im Falle eines Prozesses gegen den von den Vorwürfen betroffenen Mitarbeitenden ermöglichen, substantiiert zu dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse vorzutragen und auch Beweis antreten zu können.

Auf ein weiteres Problem der tatsächlichen Rechtsanwendung ist aufmerksam zu machen: Sichert der Arbeitgeber den Hinweisgebenden Anonymität zu, wird es problematisch für ihn, die Hinweisgebenden als Zeuginnen und Zeugen für die Vorwürfe zu benennen, wenn diese nicht einwilligen – zum Beispiel in einem Verfahren über eine verhaltensbedingte Kündigung. Daher ist von den ermittelnden Stellen eine vorausschauende Ermittlung des Sachverhalts erforderlich. Sie sollten versuchen, neben den Hinweisgebenden zusätzliche Beweismöglichkeiten zu finden, etwa weitere potenzielle Zeuginnen und Zeugen, die zur Aussage bereit wären. Lassen sich aufgrund des Hinweises weitere Zeuginnen und Zeugen ermitteln und befragen, sollte ihnen präzise Fragen gestellt und auf präzise Antworten und Beschreibungen, in Bezug auf Zeit, Ort, Handlungen und agierende Personen, gedrungen werden. Wichtig ist, die ermittelten Informationen prozessverwertbar zu dokumentieren, denn die anonymisierten Niederschriften der Befragung können als Beweis im Arbeitsgerichtsprozess dienen. Auch kann der Arbeitgeber die Vernehmung der Ermittelnden als indirekte Zeuginnen und Zeugen im Prozess anbieten, wenn die Hinweisgebenden als direkte Zeuginnen und Zeugen nicht zur Verfügung stehen wollen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

Weitere Artikel