Arbeitsrecht: Umgang mit Low Performern

Minderleistung

Zwei jüngere arbeitsgerichtliche Entscheidungen geben Anlass, sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine besonders schwierige Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis bewusst zu machen, dem Umgang mit so genannten Minderleistern („Low Performern“).

I. Kündigung wegen Minderleistung

Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 14. Dezember 2023 (2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23):

1. Der Fall:

Der Arbeitgeber, die Stadt Bremen, kündigte den beiden Klägern, die das Bürgertelefon betreuten, fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen Arbeitszeitbetrugs. Beide hatten derart auffällig wenig Anrufe entgegengenommen, dass nach Ansicht des Arbeitgebers schon von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden musste.

Die Auswertung der Verbindungsdaten der Diensttelefone und damit ihrer Telefonzeiten und des Telefonverhaltens in der Zeit von März bis Mai 2023 an vier einzelnen exemplarischen Tagen hatte ergeben, dass beide Mitarbeiter Telefonzeiten von lediglich ca. 30 Prozent beziehungsweise sogar nur circa 16 Prozent statt zu erwartender 60 Prozent ihrer Arbeitszeit hatten. Die Personalvertretung hatte sowohl der Überprüfung des Leistungsverhaltens als auch den Kündigungen vorbehaltlos zugestimmt. Die Kläger wandten ein, dass sie nicht betrogen hätten und dass allenfalls ein Fall von Minderleistung vorliege, der aber nicht zur Kündigung berechtige. Die Auswertung des Telefonverhaltens sei unzulässig und nicht von einer Dienstvereinbarung gedeckt gewesen.

2. Die Entscheidung:

Derzeit ist nur die Pressemitteilung des Gerichts und somit keine vollständige Urteilsbegründung bekannt. Es ist bemerkenswert, dass das Gericht sogar eine außerordentliche Kündigung – und zwar ohne vorherige Abmahnung – gebilligt hat. Das Gericht sah offenkundig die hohen Ausfallzeiten als derart ungewöhnlich an, dass sie einen wichtigen Grund für eine Kündigung darstellten. Eine Abmahnung sei ausnahmsweise entbehrlich, da die Kläger nicht annehmen durften, dass ein derart schwerwiegender Verstoß lediglich mit einer Abmahnung sanktioniert werden würde. In der Tat liege der Gedanke nahe, dass ein Mitarbeiter mit einer derart geringen Leistung die sich aus seinem Arbeitsvertrag in Verbindung mit Paragraf 241 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers in schwerem Maße und durchaus wissentlich verletzt.

Die Daten zu den Telefonzeiten hielt das Arbeitsgericht trotz des Verbots einer Leistungskontrolle in der Dienstvereinbarung prozessual für verwertbar, da es sich um einen schwerwiegenden vorsätzlichen Pflichtenverstoß gehandelt habe. Es bleibt abzuwarten, ob das Berufungsgericht diese Entscheidung bestätigt.

3. Hintergrund und Praxishinweise:

„Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann.“ Mit dieser blumigen Formulierung erwartet das Bundesarbeitsgericht (BAG) gemäß Urteil vom 17. Januar 2018 (2 AZR 536/06), dass ein Arbeitnehmer unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet, lässt dies dann aber auch ausreichen.

Schlechtleistungen und unzureichende Arbeitsleistung rechtfertigen in der Regel keine außerordentliche Kündigung. Eine außerordentliche Kündigung kommt aber bei extremen Vorkommnissen in Betracht, so wenn der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigert, vorsätzlich schlecht leistet oder nachhaltig gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers verstößt.

Bei einer Minderleistung sieht zum Beispiel das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln laut Urteil vom 3. Mai 2022 (4 Sa 762/21, Rnr. 43) eine ordentliche Kündigung als berechtigt an, wenn langfristig die Durchschnittsleistung um deutlich mehr als ein Drittel unterschritten wurde, freilich nach vorheriger Abmahnung. Das BAG hält wiederum mit Urteil vom 30. Juli 2020 (2 AZR 43/20) Minderleistungen von 10 bis 20 Prozent im Zweifel für kündigungsrechtlich unerheblich.

Das Ausmaß der Minderleistung muss im Streitfall der Arbeitgeber beweisen. Er muss im Kündigungsschutzprozess präzise und substantiiert die Tatsachen vortragen und beweisen können, aus denen sich der Grad des Leistungsdefizits des gekündigten Arbeitnehmers im Einzelnen ergibt, macht ein BAG-Urteil vom 17. Januar 2008 (2 AZR 536/06) deutlich. Dies fällt auf den ersten Blick gerade dann schwer, wenn Betriebs- und Dienstvereinbarungen eine Leistungskontrolle beschränken. Hier wird die Arbeitnehmerseite, wie im Fall des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven, Beweisverwertungsverbote einwenden wollen. Nach BAG- Rechtsprechung wird aber der Arbeitnehmer in Bezug auf Daten, die sein vorsätzlich vertragswidriges Verhalten belegen, mit diesem Einwand keinen Erfolg haben. Diese Daten seien selbst dann verwertbar, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben beispielsweise des Datenschutzrechts steht. Auch hat das BAG jüngst mit Urteil vom 29. Juni 2023 (2 AZR 296/22) klargestellt, dass in Betriebsvereinbarungen festgelegte Beweisverwertungsverbote unzulässig sind.

Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wecken zwar Hoffnungen auf Arbeitgeberseite, jedoch scheinen sie zum Teil gewagt. Die Rechtsprechung ist in Bezug auf Minderleistung eher nachsichtig gegenüber dem Arbeitnehmer. Vor einer Kündigung aus Gründen der Minderleistung sollte immer wenigstens eine Abmahnung vorliegen und eine prozessual verwertbare und überzeugende Dokumentation sichergestellt werden.

II. Gehaltsrückforderung wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung im Homeoffice

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. September 2023 (5 Sa 15/23):

Der vom Landesarbeitsgericht entschiedene Fall zeigt die praktischen Probleme einer Beschäftigung von Low-Performern im Homeoffice auf.

1. Der Fall:

Die Klägerin, eine bereits gekündigte Pflegemanagerin, hatte nach ihrer Kündigung Nettoentgelt für die Monate April und Mai 2022 eingeklagt. Die beklagte Arbeitgeberin erklärte die Aufrechnung mit einer vermeintlichen Rückforderung aus überzahltem Entgelt. Die beklagte Arbeitgeberin war der Auffassung, dass die Klägerin im Homeoffice nicht vertragsgemäß gearbeitet habe und hatte sie zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt für 300,75 Euro Stunden und damit des Gehalts für vier Monate aufgefordert.

2. Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass der Klägerin ein Anspruch auf das eingeklagte Entgelt zustehe. Die Klägerin sei nicht zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet, weswegen eine Aufrechnung der Arbeitgeberin mit der Gehaltsrückforderung erfolglos war.

Das Gericht bestätigte die Grundregel, dass der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für eine Minderleistung trage. Dies ist die bekannte und gefestigte langjährige Rechtsprechung für Minderleistungen vor Ort im Betrieb, bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht. Diesen Maßstab hat das Landesarbeitsgericht nun ohne Abstriche auf die Tätigkeit im Homeoffice übertragen.

Beim Homeoffice beziehungsweise mobilem Arbeiten hat der Arbeitgeber – im Unterschied zum Betrieb – regelmäßig keine Einsichtsmöglichkeiten in das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter. Er kann allenfalls Rückschlüsse aus ihm übermittelten Arbeitsergebnissen ziehen.

Das Landesarbeitsgericht ließ es zugunsten der Klägerin ausreichen, dass sie überhaupt einige Anzeichen eigener Arbeitsleistung vorlegen konnte, beispielsweise E-Mails, aus denen sich ihre Arbeit an der Erstellung eines Qualitätshandbuchs ablesen ließ, aber auch bloße Rückfragen per E-Mail nach Kontaktadressen von Mitarbeitern. Der Arbeitgeber hatte zudem durch eine Vorgesetzte die von der Klägerin übergebenen Stundenaufzeichnungen abgezeichnet und auch die Entgeltzahlungen wurden vorbehaltlos geleistet.
Im Prozess monierte der Arbeitgeber vor diesem Hintergrund vergeblich, dass die Klägerin die Vergütung forderte, ohne irgendeinen objektivierbaren Arbeitsnachweis hierfür vorgelegt zu haben.

Praxishinweise:

Die Arbeitszeitennachweise sind unverzüglich durch den Fachvorgesetzten auf Plausibilität zu kontrollieren und erst dann abzuzeichnen. Bei Zweifeln sollte dies nur unter dem Vorbehalt der Prüfung erfolgen – ebenso wie die Entgeltzahlung im Zusammenhang damit. Ist die Arbeitsleistung aus Arbeitgebersicht quantitativ oder auch qualitativ unbefriedigend, müssen konkrete Arbeitsanweisungen erfolgen, deren Umsetzung zeitnah zu überprüfen und gegebenenfalls einzufordern wäre, zum Beispiel durch präzise und aussagekräftige Tätigkeitsnachweise. Dies sollte aber durchaus auch von einer fürsorglichen Problemansprache durch die Vorgesetzten begleitet werden. Sie signalisiert dem Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber zwar berechtigte Forderungen stellt, aber bei Problemen in der Erledigung auch zur Unterstützung bereit ist.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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