Einschränkungen des Auskunftsanspruchs bei Datenkopien

Datenschutz-Grundverordnung

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. März 2024 (VI ZR 330/21) zeigt, dass die Übergabe ganzer Dokumente in Kopie keineswegs ganz selbstverständlich und unbegrenzt auf der Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung gefordert werden kann. Dies können Arbeitgeber für sich nutzbar machen.

Auch wenn es sich um ein Urteil des höchsten deutschen Zivilgerichts handelt, ist die Entscheidung auch für Arbeitgeber im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes von Bedeutung, wenn Mitarbeitende von ihnen als Verantwortliche für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten die Herausgabe der Kopien von Schriftverkehr, ja sogar von internen Vermerken, fordern.

Inhalt und Reichweite des Rechts auf Datenkopien nach Artikel 15 Absatz Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sind in Rechtsprechung und juristischer Literatur zwischen der exzessiven und der restriktiven Interpretation des Anspruchs hoch umstritten. Es ist zuletzt eine Tendenz der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) aber auch der Arbeitsgerichte festzustellen, den Anspruch auf Kopien als sehr weitgehend zu begreifen. Es ist indes von hoher praktischer Relevanz, wie weit dieser Anspruch tatsächlich gehen soll, denn seine Erfüllung bedeutet für Verantwortliche regelmäßig einen sehr hohen Aufwand an Personal, Zeit und Geld. Dies ist insbesondere bei einer langjährigen vertraglichen Beziehung der Fall, wie wir sie durchaus auch in Arbeitsverhältnissen antreffen.

Klägerin verlangt Kopien aus dem Zeitraum von fast 21 Jahren

Die Beklagte war seit dem Jahr 1997 als Finanzberaterin im Investmentbereich für die Klägerin tätig. In dieser Funktion beriet sie die Klägerin umfassend hinsichtlich ihrer Kapitalanlagen und Versicherungen. Wegen fehlerhafter Aufklärung bei der Beratung klagte die Klägerin auf Schadensersatz. Im Zuge der vorgerichtlichen Auseinandersetzung forderte die Klägerin die Beklagtenseite gemäß Artikel 15 Absatz 1 und Absatz 3 DSGVO zur Auskunft über bei ihnen verarbeitete personenbezogene Daten und zur Überlassung von Kopien aller vorhandenen personenbezogenen Daten der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 2018 auf. In der Tat befand sich die Beklagte in Besitz zahlreicher Telefonnotizen und Schreiben mit Bezug zur Beratungstätigkeit gegenüber der Klägerin. Auf ihre außergerichtliche Aufforderung erhielt die Klägerin eine Aufstellung der gespeicherten Personendaten, jedoch keinerlei weitergehende Kopien oder Dokumente. Die Klägerin erweiterte die Schadensersatzklage um den Anspruch auf Herausgabe der außergerichtlich vergeblich verlangten Kopien aller bei der Beklagten vorhandenen Dokumente mit ihren personenbezogenen Daten.

Einschränkung des Anspruchs

Das Landgericht (LG) München I verurteilte die Beklagtenseite dazu, der Klägerin für den gesamten Zeitraum Kopien aller Dokumente mit personenbezogenen Daten – insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen – auszuhändigen, die sich in ihrem Besitz befinden. Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigte dies im Wesentlichen.

Deutlich anders der BGH: Er urteilte nun, dass die Beklagten lediglich Kopien der bei Ihnen vorhandenen von der Klägerin selbst verfassten E-Mails und Briefe für den beantragten Zeitraum herausgeben müsse. Dies bedeutet also eine deutliche Einschränkung des Anspruchs.

Der BGH hält den Anspruch auf Herausgabe einer Kopie dann für unzweifelhaft, wenn es sich dabei ausschließlich um personenbezogene Daten der betroffenen Person handele. Es müsse sich aber in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der betroffenen Person handeln. Dies gelte immer für textliche Äußerungen des Betroffenen selbst, also beispielsweise in eigenen E-Mails, da eine personenbezogene Information schon darin liege, dass sich eben gerade diese Person dem Schreiben gemäß geäußert habe. Daraus folgert der BGH im aktuell entschiedenen Fall, dass alle Schreiben und E-Mails, die die Klägerin selbst verfasst hat, auf Verlangen in Kopie in ihrer Gesamtheit, also als ganzes Dokument, herauszugeben seien. Der BGH bestätigte zudem, dass die Herausgabe sogar dann beansprucht werden kann, wenn dem Anspruchsteller diese Schreiben bereits bekannt seien.

Der BGH ist aber auch der Auffassung, dass es sich umgekehrt bei Schreiben, E-Mails, Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen, die nicht von der Klägerin selbst stammten, keineswegs zwangsläufig in deren Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin handelt. Dies gelte selbst dann, wenn sie Informationen über die betroffene Person enthalten. Es sei zwar denkbar, dass interne Vermerke, Telefonnotizen und Gesprächsprotokolle, die festhalten, wie sich die betroffene Person telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat, ausschließlich Informationen über diese Person enthalten. Dies sei aber keineswegs automatisch und in jedem Fall nur so. Daher bedeute eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten nicht, dass immer ein Anspruch auf Herausgabe der Kopie im Ganzen bestehe. Die Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder die Übergabe von ganzen Dokumenten oder sogar Auszügen von Datenbanken in Kopie könne sich aber dann als unerlässlich erweisen, wenn eine Kontextualisierung der verarbeiteten personenbezogenen Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und hierdurch der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. Die Klägerin habe, so der BGH, aber in den Vorinstanzen gar nicht dargelegt, dass eine solche Kontextualisierung Ihrer Daten erforderlich sei, um für sie die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verständlich zu machen und daraus eventuell die weiteren Rechte nach der DSGVO abzuleiten.

Keine zeitliche Begrenzung des Anspruchs

Der BGH hat, darin dem EuGH in seiner Entscheidung vom Juni 2023 folgend, allerdings bestätigt, dass es keine zeitliche Einschränkung des Anspruchs auf Auskunft und Herausgabe von Kopien gebe. Die DSGVO beziehe sich auch auf Verarbeitungsvorgänge, die vor dem 25. Mai 2018, also dem erstmaligen Anwendungsdatum der DSGVO, ausgeführt wurden, wenn das Auskunftsersuchen nach diesem Datum vorgebracht wurde, wie der EUGH in seinem Urteil vom 22. Juni 203 (C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 36) dargelegt hat.

Kontext

Der BGH befindet sich hier auf einer Linie mit dem EuGH, denn der EuGH hat den wichtigen Vorbehalt der notwendigen Kontextualisierung schon in seiner Entscheidung vom 4. Mai 2023 ausgesprochen (C-487/21) und wiederholte dies zuletzt in der Entscheidung vom 26. Oktober 2023 (C 307/22): Der Anspruch, eine Kopie des ganzen Dokuments, in dem sich auch personenbezogene Daten eines Betroffenen befinden, zu erhalten, ist daran geknüpft, dass „die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die DSGVO verliehenen Rechte zu ermöglichen“.

Der BGH verfolgt den gleichen Ansatz in der neuen Entscheidung und bleibt damit auch auf seiner Linie in zwei anderen jüngeren Urteilen vom 6. Februar 2024 (VI ZR 15/23) und vom 23. September 2023 (IV ZR 177/22). In der letztgenannten Entscheidung hatte der Kläger von seiner privaten Krankenversicherung Auskunft über alle Beitragsanpassungen verlangt, die die Beklagte in dem Versicherungsvertrag in den Jahren 2013 bis 2016 vorgenommen hat und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen die dem Kläger übermittelten Anschreiben und Nachträge zum Versicherungsschein und die dem Kläger übermittelten Begründungen sowie Beiblätter enthalten sind. Der BGH hielt dem entgegen, dass es sich keineswegs bei den Begründungsschreiben samt Anlagen in ihrer Gesamtheit als Dokumente um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handele. Vielmehr enthalten die einzelnen Teile (Anschreiben, Beiblatt, Nachtrag zum Versicherungsschein) jeweils einzelne personenbezogene Daten sowohl des Klägers als Versicherungsnehmer als auch von dessen Ehefrau. Eine dahingehende Beschränkung seines geltend gemachten Anspruchs und seines Antrages auf diese personenbezogenen Bestandteile der Schreiben und Anlagen hatte der Kläger aber nicht vorgenommen.

Empfehlung

Zwar bleibt es auch für den BGH dabei, dass der Anspruch auf Auskunft und damit auch auf Herausgabe von Kopien nach Artikel 15 Absatz 1 und Absatz 3 DSGVO grundsätzlich sehr weit auszulegen ist. Die Argumentation des BGH aus der aktuellen Entscheidung kann der Arbeitgeber für seine Verteidigung gegen als exzessiv empfundene Herausgabeverlangen aber nutzbar machen: Es wäre Aufgabe des Anspruchsinhabers, mit nachvollziehbaren Gründen darzulegen, dass und warum eine Kopie des gesamten Dokuments, beispielsweise einer E-Mail, benötigt wird, um die verarbeiteten personenbezogenen Daten in ihrem Kontext zu sehen und damit die ordnungsgemäße Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten prüfen zu können.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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