DSGVO: Update zum Auskunftsanspruch

Arbeitsrecht

Bei der Frage, worauf sich der Anspruch der Betroffenen auf Auskunft zur Verarbeitung personenbezogener Daten erstreckt, ist nach wie vor offen, ob sich eine restriktive oder eine weite Auslegung dieses Begriffs durchsetzen wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) als höchstes deutsches Zivilgericht hat sich hier nun für eine weite Auslegung ausgesprochen. Hiervon wird die Diskussion im Arbeitsrecht nicht unbeeinflusst bleiben

Bedeutung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs im Arbeitsverhältnis

Artikel 82 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt den Betroffenen einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz wegen der unzulässigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Schadensersatzklagen werden auf nicht vollständige oder verspätete Auskünfte zur Verarbeitung personenbezogener Daten gestützt. Sie zielen auf ein Schmerzensgeld wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers beziehungsweise der Arbeitnehmerin ab. Die Gerichte haben bisher Beträge zwischen 300 und 5.000 Euro als Schmerzensgeld zuerkannt.

Auskunftsklagen bereiten diese Schadensersatzansprüche vor, sie dienen aber auch dazu, Druck in Abfindungsverhandlungen und Kündigungsschutzprozessen auf den Arbeitgeber zu erzeugen und können den Beschäftigten zudem helfen, Informationen für ihren Prozess zu erlangen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht auf eine Kopie der personenbezogenen Daten. Allein die Prüfung und Herausgabe von E-Mails mit Daten der Beschäftigten würde einen erheblichen Personal-, Zeit- und damit Kostenaufwand mit sich bringen.

Einordnung des BGH-Urteil vom 15.06.2021 zur Reichweite des Auskunftsanspruchs in die bestehende Diskussion

Erst am 27. April 2021 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG. Az.: 2 AZR 342/20) über einen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Herausgabe von Kopien gemäß Art. 15 Abs.3 DSGVO zu entscheiden, ließ dabei allerdings offen, was ganz konkret alles Gegenstand einer Auskunft über personenbezogene Daten und damit einer Kopie sein kann. Das BAG wies den Antrag aus dem formellen Grund zurück, der Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO. Der Antrag des Klägers, Kopien von allen E-Mails und internen Vermerken und Notizen mit personenbezogenen Daten zu erhalten, sei zu weit gefasst. Es würde in einer Zwangsvollstreckung nicht klar sein, auf welche E-Mails sich eine Verurteilung zur Herausgabe einer Kopie beziehe. Er müsse im Wege einer Stufenklage zunächst konkretisiert die Auskunft einklagen, welche E-Mails und internen Vermerke vorhanden sind und dann in einer zweiten Stufe die Herausgabe von Kopien beantragen.

Im vorangegangenen Berufungsverfahren hatte das LAG Niedersachsen noch verlangt (Urteil vom 09. Juni 2020, Az.: 9 Sa 608/19), dass der Auskunftssuchende in dem Fall, dass der Arbeitgeber große Mengen an Daten zu der betroffenen Person verarbeitet habe, das Auskunftsverlangen auf bestimmte Dokumente näher konkretisieren und auch erklären müsse, warum ihm das Dokument selbst nicht mehr vorliege. Das LAG verneinte aber einen Anspruch auf die Überlassung von ganzen Datensätzen. Das BAG hat sich am 27. April 2021 zu dieser inhaltlichen Frage nicht deutlich geäußert, da es den Fall auf der formalen Ebene der Zulässigkeit des Klageantrags entschied.

Im Gegensatz zum LAG Niedersachsen hatte das LAG Baden-Württemberg noch am 17. März 2021 geurteilt (Az.: 21 Sa 43/20), dass sich der Auskunfts- und Zurverfügungstellungsanspruch des Arbeitnehmers eben nicht nur auf solche Dokumente beschränke, die der Arbeitnehmer im Prozess konkretisiert hat.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 05.03.2020, Az.: 9 Ca 6557/18, noch nicht rechtskräftig, LAG Düsseldorf – 14 Sa 294/20) wiederum ist der Auffassung, dass die Arbeitgeberin nicht die Pflicht hatte, in sämtlichen Servern, Speichermedien, Smartphones, Notebooks, diversen anderen Endgeräten oder Emails nach personenbezogenen Daten des Klägers zu suchen, um sie in Kopie herauszugeben. Dies stehe in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Klägers und damit sogar auch konträr zu dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß Art. 8 Abs.2 der Europäischen Grundrechtscharta, der auch für die Datenverarbeitung gelte.

Schon das OLG Köln (Urteil vom 26. Juli 2019, Az.: 20 U 75/18) hatte den Auskunftsanspruch auf ganze Datensätze erstreckt. Es billigte dem dortigen Kläger zu, dass er von der Beklagten auch die Kopien dort elektronisch gespeicherter Gesprächs- und Telefonvermerke erhalten müsse. Der enorme Aufwand, diese Daten bereitzustellen, sei kein Argument: Der Datenverantwortliche habe sich im Einklang mit den Anforderungen des modernen Datenschutzes zu organisieren.

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 18. Dezember 2018, Az.: 17 Sa 11/18) hatte gleichfalls schon einen sehr weitgehenden Auskunftsanspruch gesehen und den Arbeitgeber verurteilt, Auskunft über verarbeitete personenbezogene Leistungs- und Verhaltensdaten zu geben und zudem einen schrankenlos formulierten Anspruch auf Herausgabe entsprechender Kopien zugebilligt. Nun kann der Arbeitgeber sich gemäß Art.15 Abs.4 DSGVO inhaltlich auch auf entgegenstehende berechtigte Interessen berufen oder auf Rechte und Freiheiten anderer Personen, und damit auch die eigenen des Arbeitgebers, wie etwa urheberrechtlich geschützte Werke oder Geschäftsgeheimnisse aber auch Rechte anderer Beschäftigter oder diejenigen von Kunden. Der Schutz von Dritten, die anonym in einem betrieblichen Hinweisgebersystem Vorfälle gemeldet hatten, kann als berechtigtes Interesse der Auskunft entgegenstehen, jedoch fordert das LAG, dass der Arbeitgeber dann hierzu auch nicht nur pauschal, sondern detailliert und unter Beweisantritt vorträgt.

Wie hat der BGH entschieden?

In seinem Urteil vom 15. Juni 2021 hat der Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 576/19) im Hinblick auf den Auskunftsanspruch eines Versicherungsnehmers gegen seine Versicherung den Begriff personenbezogene Daten sehr weit gefasst. Der dortige Kläger wollte von dem BGH feststellen lassen, dass sich sein Datenauskunftsanspruch aus Art.15 DSGVO i.V.m. Art.4 DSGVO auf sämtliche bei der Beklagten tatsächlich über den Kläger vorhandene Daten erstreckt, wie die intern zur Person des Klägers und die mit ihm gewechselte Korrespondenz (einschließlich E-Mails), die internen Telefon- und Gesprächsnotizen und sonstigen internen Vermerke der Beklagten zu dem Vertragsverhältnis, die Korrespondenz mit Dritten sowie schließlich auch die internen rechtlichen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus seinem Vertrag.

Der BGH entschied, dass sowohl objektive als auch subjektive Daten, wie zum Beispiel Korrespondenz auch mit Dritten, Buchhaltungs- und Vertragsunterlagen, zeitlich zurückliegende Korrespondenz aber auch interne Vermerke und Kommunikation des beklagten Versicherers von dem Begriff „personenbezogene Daten“ umfasst seien und damit dem Auskunftsanspruch und dem Anspruch auf Herausgabe von Kopien unterliegen können. Sich als Datenverantwortlicher auf den internen Charakter der Datenverarbeitung zu berufen, ist nach Auffassung des BGH nicht möglich, da Art.15 DSGVO keine Beschränkung auf nur im Außenverhältnis verwendete personenbezogene Daten enthalte.

Dies sind Aussagen, die das höchste deutsche Zivilgericht nun zu dem denkbaren Umfang des Auskunftsanspruchs getroffen hat. Über Einwendungen, die einem solchen Auskunftsanspruch gleichwohl noch entgegengehalten werden können, hat aber auch der BGH noch nicht abschließend geurteilt, sondern die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Klärung zurückverwiesen.

So hat der BGH in der Urteilsbegründung explizit nicht ausgeschlossen, dass der Datenverantwortliche auch einen Missbrauch des Auskunftsanspruchs einwenden könne. Auch bleibt die Einwendung möglich, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ein unverhältnismäßiger Aufwand sei oder ihm Geheimhaltungsinteressen (beispielsweise Geschäftsgeheimnisse) entgegenstehen könnten. Diese Einwendungen der Versicherung soll das Berufungsgericht nun noch einmal klären.

Der BGH hat übrigens auch ausgesprochen, dass der Auskunftsanspruch zum Vorliegen etwaiger Korrespondenz mit personenbezogenen Daten erfüllt sei, wenn der Beklagte erklärt habe, dass es eine solche Korrespondenz schlicht nicht gegeben habe. Eine solche abschließend gemeinte Negativauskunft des Datenverantwortlichen muss aber auch zweifelsfrei vorliegen. Es wäre hingegen nicht ausreichend, die Rechtsmeinung zu äußern, gar nicht zu einer bestimmten Auskunft verpflichtet zu sein. Nach der Negativauskunft wäre es dann am Kläger oder der Klägerin, konkrete Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass diese Auskunft so nicht stimme oder unvollständig sei und hierzu die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu beantragen.

Fazit

Die Rechtsprechung des BGH steht – noch – im Gegensatz jedenfalls zu einem Teil der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der ersten und zweiten Instanz. Man muss aber gleichzeitig erkennen, dass auch einige arbeitsgerichtliche Instanzgerichte zu einem weiten Verständnis des Auskunftsanspruchs neigen und hier nun durch das oberste Zivilgericht Bestätigung finden. Tonangebend bleibt natürlich für die Arbeitsgerichtsbarkeit das BAG, auf dessen eindeutige Positionierung zur Reichweite des Auskunftsanspruchs wie auch zu den Verteidigungsargumenten, die dem Arbeitgeber verbleiben, mit Spannung gewartet wird. Den Arbeitgebern bleibt nach dem BGH-Urteil weiterhin zu raten, sich technisch und organisatorisch so aufzustellen, dass die Auskunft nach Artikel 15 DSGVO, einschließlich der Kopien, zügig innerhalb der dafür geltenden Monatsfrist und auch sehr umfangreich gegeben werden kann, aber auch etwa entgegenstehende Gründe nötigenfalls vor Gericht überzeugend dargelegt und bewiesen werden könnten.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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