Environmental Social Governance in der Vorstandsvergütung

Nachhaltigkeit

In den letzten beiden Jahren ist das Thema Nachhaltigkeit mit großen Schritten in die Vorstandsvergütung eingezogen. Environmental Social Governance (ESG) ist in aller Munde und umfasst umweltbezogene Aspekte, soziale Aspekte sowie ethische Aspekte.

Umweltbezogene Aspekte

Hinter den umweltbezogenen Aspekten verbergen sich Ziele im Zusammenhang mit dem verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen, der globalen Erwärmung, dem Energieverbrauch und der Umweltverschmutzung. Konkrete Beispiele sind die Reduktion der direkten CO2-Emissionswerte, die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien​, die Pflicht zur Schaffung nachhaltiger Lieferkette​n, die Reduktion von Plastikmüll oder die Verbesserung des Abfallmanagements​, der Umsatz mit nachhaltigen Artikeln, die Innovation und Förderung sauberer Technologien oder die Minimierung vom Klimarisiken im Kreditportfolio​ von Banken.

Soziale Aspekte

Soziale Aspekte fokussieren den Umgang des Unternehmens mit seinen Mitarbeitenden sowie deren Gesundheit und Sicherheit und lassen sich in aller Regel einer der folgenden Kategorien zuordnen:

  • People und HR
    Mitarbeiterzufriedenheit, Umfang des Trainingsangebots, Nachfolgeplanung, Teamwork, Reduktion der Fluktuation, Unternehmenskultur, Employee Wellbeing
  • Inklusion und Diversität wie der Frauenanteil in Führungspositionen und unternehmensspezifische Diversitätsindizes
  • Gesundheit und Sicherheit
  • Kundenzufriedenheit

Ethische Aspekte

Im Begriff Governance finden sich im ESG-Zusammenhang allem voran ethische Aspekte wieder, aber auch Themen wie die Unternehmensreputation, Aktionärsrechte, Compliance, die Einhaltung von Menschenrechten oder Rechnungslegungspraktiken. Konkrete Beispiele sind die Reduktion von Reputationsrisiken, die Umsetzung eines Compliance-Programms oder die Einhaltung von ethischen Standards in der Wertschöpfungskette.

Die aktuelle Marktpraxis in Deutschland

Mittlerweile haben fast alle DAX-Unternehmen Ziele mit Blick auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte in ihren Vergütungssystemen verankert. Dieser Trend wurde durch die regulatorischen Anforderungen im Aktiengesetz oder auch im Deutschen Corporate Governance-Kodex sowie durch den zunehmenden Druck durch Investoren beschleunigt.

In den aktuellen Vorstandsvergütungssystemen haben 80 Prozent der DAX-40-Unternehmen ESG-Kriterien in der kurzfristigen variablen Vergütung (Bonus) und 45 Prozent in der langfristigen variablen Vergütung (Long Term Incentives oder kurz LTI) verankert. Diese Verankerung gestaltet sich je nach Vergütungsbestandteil sehr unterschiedlich:

Berücksichtigung im Bonus

  • Typische ESG-Kriterien im Bonus sind etwa Aspekte wie Zufriedenheit der Mitarbeitenden, Unternehmens- beziehungsweise Führungskultur sowie die Reduktion der direkten CO2-Emissionswerte.
  • 18 Prozent der Unternehmen nehmen ESG-Kriterien bereits als eigenständiges Ziel mit einer Gewichtung von meist 20 Prozent auf. Das heißt, neben finanziellen Zielen, wie beispielweise der Umsatzsteigerung oder dem Gewinn des Unternehmens, werden auch konkrete ESG-Ziele festgelegt. Zum Beispiel hängen 40 Prozent der Bonusauszahlung von der Erreichung einer bestimmten Gewinnhöhe ab, 40 Prozent an der Umsatzsteigerung und 10 Prozent an der Reduktion der direkten CO2-Emission und 10 Prozent an der Reduktion der Unfallrate im Unternehmen.
  • Weitere 15 Prozent der Unternehmen verwenden einen ESG-Modifier, der mit Spannweiten von -/+10 Prozent, 0,7 bis 1,3 oder 0,8 bis 1,2 die finale Auszahlungshöhe des Bonus nach oben oder unten adjustiert. Der Bonus wird somit maßgeblich von der Erreichung finanzieller Ziele, am Ende aber um den ESG-Modifier angepasst. Je nachdem, wie sehr beispielsweise die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gesteigert wurde, wird der Bonusbetrag mit einem Faktor innerhalb dieser Spannweite multipliziert. Sollte der Vorstand sehr gute Leistung gezeigt haben, sind es 1,2. Wenn er hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, sind es nur 0,8.
  • Überwiegend finden sich ESG-Kriterien im Bonus allerdings als Teil eines Bündels anderer individueller beziehungsweise nicht-finanzieller Ziele wieder. Dies heißt unter einem meist recht bunten Strauß an bis zu zehn verschiedenen qualitativen Zielen, die für einzelne Vorstandsmitglieder festgelegt werden, befinden sich eben auch Ziele mit Blick auf Umwelt, Soziales oder Governance. Zusätzlich bestehen wiederum die beschriebenen finanziellen Ziele.

Berücksichtigung im Long Term Incentive (LTI)

  • Im Gegensatz zu den Bonussystemen nimmt die Implementierung der ESG-Kriterien in den langfristig variablen Vergütungssystemen, den LTI-Plänen, erst richtig an Fahrt auf. Mittlerweile sind umweltbezogene Ziele wie die Reduktion der direkten oder indirekten CO2-Emissionswerte bereits auf Platz drei der am häufigsten genutzten Erfolgsziele in LTI-Plänen und damit direkt hinter Erfolgszielen wie Aktienkurssteigerungen oder Gewinnzielen.
  • Im Gegensatz zu den Bonusplänen werden ESG-Kriterien im LTI deutlich häufiger als eigenständige Ziele verankert und auch deren Gewichtung ist mit durchschnittlich 25 Prozent etwas höher.
  • Ein weiterer Unterschied ist, dass im LTI im Vergleich zum Bonus deutlich häufiger quantitative beziehungsweise klar messbare Ziele festgelegt werden.

 

ESG-Ziele sind mittlerweile ein fester Bestandteil in den variablen Vergütungssystemen für Vorstände. Wie können sie implementiert werden?
© WTW Deutschland

Erwartungen von Investoren

Die meisten europäischen Investoren sehen in der Berücksichtigung von ESG-Kriterien in der Vorstandsvergütung ein wirksames Instrument, um vor allem klimarelevante Ziele schneller zu erreichen. Deshalb begutachten sie den Fortschritt und die Berichterstattung rund um das Thema Nachhaltigkeit sehr genau und haben konkrete Anforderungen an die entsprechende Ausgestaltung der Vergütung:

  • ESG-Kriterien müssen einen signifikanten Einfluss auf die Höhe der Vergütung haben. Gewichtungen unterhalb von 5 oder 10 Prozent werden als nicht ausreichend erachtet.
  • Die Ziele sollen quantifizier- und messbar und damit auch für Externe prüf- und nachvollziehbar sein.
  • ESG-Kriterien sollen genauso wie andere Ziele in der variablen Vergütung unternehmensspezifisch ausgewählt werden – eine Blaupause gibt es nicht.
  • Und zu guter Letzt gilt es, die ESG-Ziele so zu kalibrieren, dass etwas getan und bewegt werden muss, um sie zu erreichen.

Zu meisternde Herausforderungen

Bereits die Identifikation vergütungsrelevanter ESG-Kriterien kann eine erste Hürde sein. Doch sie lässt sich leicht überwinden, weil es dafür klare Orientierungspunkte wie die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens, vom Management gesetzte Prioritäten und die Marktpraxis von Unternehmen in vergleichbaren Branchen gibt. Optimalerweise sollten die Ziele, wie bereits erwähnt, quantifizier- und nachvollziehbar sein.

Eine größere Hürde ist allerdings die Festlegung der zu erreichenden Mindest-, Ziel- und Maximalwerte je Kriterium: Mindestziel im Sinne von „ab wann gibt es überhaupt was“, Zielwert „wann ist das Ziel zu 100 Prozent erfüllt“ und Maximalwert „bei welchem Wert loben wir die maximal mögliche Zielerreichung für das ESG-Ziel aus“. Die Hürde besteht darin, dass es belastbare historische Daten und Erfahrungswerte in der Regel nicht gibt. Vor allem die Festlegung von Erfolgszielen in LTI-Plänen mit längeren Performance-Zeiträumen von drei oder vier Jahren erweist sich als herausfordernd. Hier hilft manchmal nur der viel zitierte Mut zur Lücke. Wichtig ist, bei diesen Themen schnell voranzukommen, Erfahrungen zu sammeln und in der nächsten Kalibrierungsrunde dazugelernt zu haben.

Im Laufe der kommenden Jahre werden mit sinkenden Unwägbarkeiten die Gewichtungen der ESG-Ziele ansteigen, aber vorerst geht es um einen Lernprozess für alle Beteiligten. Auch Investoren müssen dazulernen und verstehen, dass die Unternehmen hier erste Erfahrungen sammeln und es in den kommenden Jahren mit Sicherheit zu weiteren Anpassungen in den Vergütungssystemen kommen wird.

Die Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren war rasant. Vor fünf Jahren hätten vermutlich die wenigsten erwartet, dass ESG-Ziele ihren Weg in die LTI-Pläne der Führungskräfte finden. Und nun sind wir fast so weit, dass das Thema ESG aus keinem Plan mehr wegzudenken ist.

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Stephanie Schmelter ist Director Executive Compensation & Board Advisory bei WTW Deutschland.

Stephanie Schmelter

Stephanie Schmelter ist Director Executive Compensation & Board Advisory bei WTW Deutschland. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre europaweite Erfahrung in der Durchführung von Projekten zur Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung sowie den regulatorischen Anforderungen und Offenlegungspflichten.

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