Halbe Urlaubstage mögen zeitgemäß sein, können aber für Unternehmen unerwünschte Folgen haben. Arbeitsrechtler Pascal Verma erklärt, warum das so ist.
Das Bundesarbeitsgericht konnte unlängst noch eine Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung halber Urlaubstage aus prozessrechtlichen Gründen umgehen (siehe Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 2017 zum Az. 9 AZR 120/16). Jetzt positionierte sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) mit einem Urteil vom 6.März 2019 (Az. 4 Sa 73/18) klar gegen diese in vielen Unternehmen übliche Praxis.
Zerstückelung des Urlaubs in „Kleinstraten“ nicht möglich
Das Landesarbeitsgericht versagte dem Arbeitnehmer dabei nicht nur einen Anspruch auf die Gewährung halber Urlaubstage, sondern zeigte auch auf, in welches Risiko sich der Arbeitgeber begibt, wenn er entsprechenden Wünschen des Arbeitnehmers nachkommt. Als rechtlichen Ausgangspunkt stellt das Landesarbeitsgericht fest, dass der Urlaub nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen ist. Zugleich weist das Landesarbeitsgericht aber auch darauf hin, dass der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BUrlG erfüllen muss und eine Zerstückelung des Urlaubs in „Kleinstraten“ daher nicht in Betracht kommt.
Urlaub kann vom Arbeitnehmer erneut eingefordert werden
Kommt der Arbeitgeber dem Wunsch nach einer Urlaubsgewährung in „Kleinstraten“ dennoch nach, kann das nicht als ordnungsgemäße Erfüllung des Urlaubsanspruchs angesehen werden. Dies kann zur Folge haben, dass ein derart gewährter Urlaub vom Arbeitgeber bis zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Urlaubsanspruchs noch ein weiteres Mal zu gewähren ist.
Schließlich hält das Landesarbeitsgericht fest, dass die Gewährung eines halben Urlaubstags eine Art der Urlaubsgewährung in „Kleinstraten“ darstellt. Eine solche Gewährung sei ohnehin nach der Rechtsprechung ausgeschlossen, sofern nicht ein Bruchteil von weniger als 0,5 Urlaubstagen wegen einer Teilurlaubsberechnung nach § 5 Abs. 2 BUrlG besteht (zum Beispiel bei unterjährigem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis).
Fazit und Ausblick für die Praxis
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat das Risiko aufgezeigt, in das sich ein Arbeitgeber begibt, wenn er dem Wunsch nach der Gewährung halber Urlaubstage nachkommt: Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers gilt unter Umständen nicht als erfüllt, sodass der Urlaub vom Arbeitnehmer erneut eingefordert werden kann und der Arbeitgeber den Urlaub noch ein weiteres Mal gewähren muss.
Das Urteil steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der ganz überwiegenden Ansicht in der juristischen Literatur. Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Urteil vom 19. Juni 2018 zum Az. 9 AZR 615/17 festgehalten, dass § 7 Abs. 2 BUrlG eine wirksame Urlaubsgewährung nur bei Erteilung von Urlaub für den ganzen Tag vorsieht.
Schon mit Urteil vom 25. Juli 1965 zum Az. 5 AZR 350/64 hatte das Bundesarbeitsgericht erklärt, dass die Aufteilung in halbe Tage oder in Stunden keine wirksame Erfüllung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub darstellt. Dies sei auch nicht anders zu beurteilen, wenn die Aufteilung auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht.
Zumindest für den gesetzlichen Mindesturlaub – wenn im Arbeitsvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und vertraglichem Urlaub differenziert wird – sollten die Vorgaben der Rechtsprechung und die möglichen Folgen (nochmaliger Anspruch auf Urlaub) bei der Urlaubsgewährung bedacht werden, auch wenn die Rechtsprechung nicht zeitgemäß erscheint.