Gebotene Vorsicht

Arbeitsrecht

Zeigt ein Betriebsrat den Arbeitgeber wegen einer Verletzung seiner Aufklärungspflicht an, entspricht dies einer Ordnungswidrigkeitsanzeige. Das Arbeitsgericht Berlin hat derartigen Anzeigen durch den Betriebsrat nun Grenzen gesetzt. Es gelte die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Der Sachverhalt
Im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme stritten die Betriebsparteien über den Umfang der Beteiligungsrechte des Betriebsrates. Im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung zeigte der Betriebsrat den Arbeitgeber wegen Verletzung einer Aufklärungs- und Auskunftspflicht dann sogar an. Dies stellt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 121 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) dar. Als Reaktion darauf beantragte der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht Berlin gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrates wegen einer groben Verletzung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen.
Die Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Berlin führte aus, dass eine solche Anzeige das Ansehen des Arbeitgebers und das Vertrauen der Mitarbeiter in seine Integrität erschüttern oder sogar zerstören kann. Wegen des Grundsatzes zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) sei der Betriebsrat daher zunächst dazu verpflichtet gewesen, den Sachverhalt gründlich zu prüfen. Sollte diese Prüfung den Verdacht einer erfüllten Ordnungswidrigkeit bestätigen, müsse der Betriebsrat versuchen, den Arbeitgeber zur Einhaltung der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte zu bewegen. Erst wenn anschließend entsprechende Versuche aussichtslos erscheinen, dürfe der Betriebsrat das Vorgehen des Arbeitgebers gegebenenfalls anzeigen.
Damit lag ein Verstoß durch den Betriebsrat gegen die Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrVG, der einen Auflösungsantrag rechtfertigen würde, grundsätzlich vor. Da jedoch das Verhalten und das Vorgehen des Arbeitgebers nicht unwesentlich zu den Spannungen mit dem Betriebsrat beigetragen haben, sei die Pflichtverletzung bei Abwägung aller Umstände nicht geeignet, die Auflösung des Betriebsrates zu rechtfertigen.

Praxistipp
Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zeigt auf, wie vorsichtig beide Betriebsparteien mit entsprechenden Anträgen umgehen sollten, um den hierdurch entstehenden Schaden auch in der Außendarstellung so gering wie möglich zu halten.

 

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Annabel Lehnen

Rechtsanwältin
Annabel Lehnen ist seit 23 Jahren Rechtsanwältin und seit 19 Jahren Fachanwältin für Arbeitsrecht. 2001 wechselte sie zu Osborne Clarke und ist dort seit 11 Jahren Partnerin im Team Arbeitsrecht am Standort Köln. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen u. a. in der Beratung von (inter)nationalen Unternehmen für die Gestaltung und strukturelle Veränderung von Arbeitsbedingungen und Organisationsformen mit den Betriebsräten, arbeitsrechtliche Compliance-Themen sowie das Employer Branding in der Gestaltung von Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen. Sie ist Referentin zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen und Mitautorin für einen juristischen Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie für ein Fachbuch über Employer Branding.

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