Geschäftsgeheimnisse schützen: Worauf kommt es an?

Arbeitsrecht

Das Arbeitsgericht Aachen ist der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt und hat wiederholt ausdrücklich klargestellt: Eine „Catch-all-Klausel“, die zeitlich unbeschränkte Verpflichtung zur Geheimhaltung aller im Betrieb des Arbeitgebers erlangten Geschäftsgeheimnisse, ist unwirksam und stellt keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme im Sinne des Geschäftsgeheimnisgesetzes dar (Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 13. Januar 2022).

Der Fall

Die Arbeitgeberin ist Herstellerin von Verpackungsmaterial und Marktführerin in der Produktion von so genannten „Sleeves“. Dabei handelt es sich auf bestimmte Weise versiegelte Verpackungsmäntel, an deren Weiterentwicklung der Arbeitnehmer maßgeblich beteiligt war.

Der Arbeitsvertrag des Beklagten enthielt eine Catch-All-Klausel, die ihn verpflichtete, über alle Geschäftsgeheimnisse sowie sonstige ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangten Angelegenheiten – auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Stillschweigen zu bewahren. Geschäftsgeheimnisse und die sonst vertraulich zu behandelnden Angelegenheiten waren nicht näher konkretisiert.

Während seiner Tätigkeit im Unternehmen versandte der Arbeitnehmer E-Mails nebst Anlagen an die Konkurrenz mit relevante Informationen über spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der zur Sleeves-Produktion benötigten Maschinen sowie technische Produktdaten. Die Arbeitgeberin beantragte daher vor dem Arbeitsgericht die Unterlassung der Weitergabe dieser betriebsinternen Informationen.

Begründung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage ab. Weder bestünde ein Unterlassungsanspruch aus § 6 Geschäftsgeheimnisgesetz, da die Arbeitgeberin nicht habe darlegen können, dass die in Rede stehenden Informationen Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Geschäftsgeheimnisgesetz seien. Noch folge der Unterlassungsanspruch aus der arbeitsvertraglichen Geheimhaltungsklausel selbst. Diese „Catch-all-Klausel“ erklärte das Arbeitsgericht für unwirksam.

Hinweis: Nur wer seine geheimen Informationen aktiv schützt, genießt den Schutz durch das Geschäftsgeheimnisgesetz.

Die Ergreifung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist wegen § 2 konstitutives Wesensmerkmal eines Geschäftsgeheimnisses. Nur wenn der Arbeitgeber Geheimhaltungsmaßnahmen trifft, liegt rechtlich gesehen überhaupt ein Geschäftsgeheimnis vor. Das bedeutet aber nicht, dass sie den „bestmöglichen“ Schutz gewähren müssen. Dies würde den Geheimnisbegriff zu stark einschränken. Die Angemessenheit der Schutzmaßnahmen hängt von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und von den konkreten Umständen der Nutzung ab.

Weil die Arbeitgeberin Marktführerin in der Sleeve-Produktion ist, setzte das Arbeitsgericht einen erhöhten Maßstab an und verlangte weitreichende Geheimnisschutzmaßnahmen. Dies konnte die Arbeitgeberin nicht substantiiert darlegen.

Catch-all-Klausel – keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme

Die zitierte Geheimhaltungsklausel könne keine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme darstellen. Sie sei derart allgemein gehalten, dass der Arbeitnehmer nicht habe erkennen können, welche Informationen Geschäftsgeheimnisse sein sollen. Reiche eine solche pauschale Regelung aus, würde § 2 Nr. 1 b) des Geschäftsgeheimnisgesetzes inhalts- und zweckentleert.

Im Übrigen hielt das Arbeitsgericht die Klausel gemäß § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches für sittenwidrig und wegen Verstoßes gegen § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches für unwirksam. Die Regelung gehe über das berechtigte Interesse der Arbeitgeberin weit hinaus. Eine Bindung ohne jede zeitliche Beschränkung und ohne inhaltliche Konkretisierung berücksichtige nicht ausreichend die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Zudem liege damit eine übermäßige Vertragsbindung vor, die sittenwidrig sei.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist ein nochmaliger Weckruf an Arbeitgeber, bestehende „Catch-all-Klausel“ anzupassen oder durch ein konkreteres Geheimhaltungsmanagement zu ersetzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Schutz nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz greift.

Unternehmen sollten Schutzmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel verpflichtende Durchführung von Mitarbeiterschulungen bezüglich des Umgangs mit Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder die Anwendung des „Need-to-know“-Prinzips – relevante Informationen dürfen nur Personen anvertraut werden, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe benötigen und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Arbeitgeber arbeiten zudem häufig mit üblichen Geheimhaltungsklauseln. Diese sollten bestenfalls konkret auf die zu schützenden Geschäftsgeheimnisse Bezug nehmen. Wie eine derartige Klausel in der Praxis auszugestalten ist, kann  nicht verallgemeinert werden. Dies richtet sich nach dem Einzelfall und hängt entscheidend ab

  • vom Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten,
  • der Natur der Informationen,
  • der Bedeutung für das Unternehmen,
  • der Firmengröße,
  • den üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen,
  • der Art der Kennzeichnung der Informationen
  • und von vereinbarten vertraglichen Regelungen mit den Beschäftigten und Geschäftspartnern.

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Alexander Schlicht, Foto: Privat

Alexander Schlicht

Osborne Clarke
Alexander Schlicht ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke.

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