Ein Arbeitszeugnis darf gefaltet und zusammengeheftet werden. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine ungefaltete und ungetackerte Version des Arbeitszeugnisses besteht nicht. Das hat das LAG Rheinland-Pfalz entschieden.
Der Sachverhalt
Die Parteien stritten über Form und Inhalt eines bereits erteilten Arbeitszeugnisses. Der Kläger war bei der Beklagten seit 2010 als Vertriebsdisponent tätig. Der Sitz der Beklagten war etwa elf Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum Ende des Jahres2015. Sie stellte für den Kläger ein Arbeitszeugnis aus, knickte sowie tackerte das Dokument und versandte es an den Kläger.
Mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Mainz verlangte der Kläger, dass die Beklagte ihm – nebst inhaltlichen Änderungen – insbesondere ein ungeknicktes und ungetackertes Zeugnis ausstelle. In der ersten Instanz gab das Arbeitsgericht Mainz dem Kläger in Bezug auf die inhaltlichen Änderungen Recht und wies die Klage im Übrigen ab. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts bestünde keine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer das Zeugnis ungeknickt und ungetackert zukommen zu lassen.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. Er trug vor, dass ein getackertes und gefaltetes Zeugnis bewerbungsuntauglich sei. Durch das Tackern und Falten des Zeugnisses werde die Unzufriedenheit der Beklagten mit dem Kläger zum Ausdruck gebracht. Hierin liege nach Ansicht des Klägers eine versteckte Kritik an ihm. Die Beklagte wandte hiergegen ein, sie habe an dem Kläger durch das Knicken und Falten keine indirekte Kritik ausgeübt.
Die Entscheidung
Die Berufung des Klägers blieb erfolgslos. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz wies die Klage vollumfänglich ab. Nach Ansicht des LAG habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Arbeitszeugnisses. Ein Anspruch auf ein ungetackertes und ungeknicktes Arbeitszeugnis bestehe im Rechtsverkehr nicht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. November 2017 – 5 Sa 314/17.
Denn das vom Arbeitgeber erteilte Zeugnis entspreche nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO. Insbesondere enthalte das Zeugnis durch das Knicken und Tackern keine Merkmale, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form ersichtliche Aussage über den Kläger zu treffen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts komme der Arbeitgeber den gesetzlichen Anforderungen an die Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach, wenn er das Zeugnis zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterbringen (BAG, Urteil vom 21. November 1999 – 9AZR893/98). Wichtig sei, dass sich die Knickfalten nicht beim Kopieren des Zeugnisses abzeichnen. In dem bloßen Falten eines Zeugnisses liege daher keine Kritik durch die Beklagte an dem Kläger.
Gleiches gelte nach dem LAG auch für das Tackern des Zeugnisses; hierin liege keine Kritik an dem Kläger. Zur Beurteilung dieser Frage komme es nicht auf die Sicht des Klägers, sondern auf die eines objektiven Empfängers an.
Obwohl im Internet Gerüchte kursieren, dass ein getackertes Zeugnis einen unzulässigen Geheimcode dafür darstellen könne, der Arbeitgeber sei nicht mit dem Arbeitnehmer zufrieden gewesen, entspreche dies nicht dem objektiven Empfängerhorizont. Aus Sicht eines objektiven Empfängers ist das bloße Tackern wertneutral und könne keine Kritik darstellen. Zuletzt wies das LAG darauf hin, dass es fast an Rechtsmissbrauch grenze, wenn ein Arbeitnehmer – wie im hiesigen Fall – über zwei Instanzen ein ungeknicktes und ungetackertes Zeugnis einklage, anstatt sich das Arbeitszeugnis am etwa elf Kilometer entfernten Arbeitsort abzuholen.
Hinweise für die Praxis
Immer wieder beschäftigen sich Arbeitsgerichte mit Arbeitszeugnissen. In kaum einem anderen Land kommt dem Arbeitszeugnis so viel Bedeutung zu wie in Deutschland. In der Regel streiten die ehemaligen Arbeitsvertragsparteien um Formulierungen. Arbeitnehmer fordern ein besseres, wohlwollendes Arbeitszeugnis, Arbeitgeber berufen sich auf die Wahrheitspflicht.
In diesem Spannungsfeld geht es aber auch manchmal um formelle Fragen. Das LAG zeigt mit der vorliegenden Entscheidung deutlich, Grenzen bezüglich der Handhabung von ausgestellten Arbeitszeugnissen auf. Ein Arbeitgeber ist schon nicht dazu verpflichtet, ein Zeugnis an den Arbeitnehmer zu schicken. Es reicht grundsätzlich aus, dass der Arbeitgeber das Zeugnis geschrieben und im Betrieb zur Abholung bereitgelegt hat. Der Arbeitnehmer muss sich dieses dort abholen.
Schickt der Arbeitgeber das Arbeitszeugnis – meistens auf Wunsch des Arbeitnehmers – an die Adresse des Arbeitnehmers gegen Portogebühren, so würde ein objektiver Empfänger wohl damit rechnen, dass der Arbeitgeber das Zeugnis zweifach faltet und in einem „normalen“ Briefumschlag an den Arbeitnehmer zu Versand bringt. Die einfache Kopierbarkeit ist dadurch gewahrt. Beim Einscannen des Arbeitszeugnisses sind etwaige Falten in der Regel nicht ersichtlich.
Um Streit zu vermeiden raten wir beim Versand des Arbeitszeugnisses jedoch dennoch dazu, dieses nicht zu falten, nicht zu tackern sowie die Kosten für einen leicht teureren Briefumschlag nebst Porto auf sich zu nehmen. Erfahrungsgemäß schaffen Arbeitgeber dadurch einen geringeren Anreiz für den Arbeitnehmer zu klagen. Alternativ legen Sie das Arbeitszeugnis in dem Betrieb zur Abholung bereit und erklären dem Arbeitnehmer gegenüber, das Arbeitszeugnis liege zur Abholung bereit.