Unternehmen stehen Beziehungen zwischen Mitarbeitenden eher skeptisch gegenüber. Zum einen, weil Emotionen die Arbeitsleistung beeinträchtigen können. Zum anderen, weil bei Beziehungen gerade im Über- oder Unterordnungsverhältnis die Gefahr von Interessenkonflikten und nicht neutralen Entscheidungen besteht. Um keinen Nährboden für derartige Störungen des Betriebsablaufs zu bieten und der Pflicht nachzukommen, ein Arbeitsumfeld frei von sexuellen Belästigungen zu schaffen, verbieten zum Beispiel Arbeitgeber in den USA vielfach Beziehungen am Arbeitsplatz. Ist das auch in Deutschland erlaubt?
Pflichten des Arbeitgebers
Liebesziehungen zwischen Beschäftigten sind grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen und damit dem Einfluss des Arbeitgebers entzogen. Denn das arbeitsvertragliche Weisungsrecht erstreckt sich nur auf die Tätigkeit und das Verhalten des Beschäftigen im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten. Trotzdem gibt es im Zusammenhang mit Flirts oder Beziehungen am Arbeitsplatz immer wieder Spannungsfelder, in denen der Arbeitgeber nicht nur berechtigt, sondern gesetzlich sogar verpflichtet ist, einzugreifen. Denn der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt nur, soweit keine Rechte Dritter verletzt werden.
Gewährleistung eines belästigungsfreien Umfelds
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Unternehmen, für ein belästigungsfreies Umfeld der Arbeitnehmenden zu sorgen. Um dies zu erreichen, sollen Arbeitgeber insbesondere auch präventive Maßnahmen ergreifen und Mitarbeitende – zum Beispiel durch Schulungen und Unterweisungen – über verbotene Benachteiligungen im Sinne des Gesetzes und zu erwartende Sanktionen informieren.
Erlangt ein Arbeitgeber Kenntnis von einer möglichen sexuellen Belästigung, hat er den Sachverhalt zunächst neutral aufzuklären und notwendige Maßnahmen zur Unterbindung durchzuführen. In der Praxis ist es oftmals aber nicht leicht zu beurteilen, wann ein belästigendes Verhalten pflichtwidrig ist. Denn gerade am Arbeitsplatz treten sexuelle Belästigungen vielfach in vermeintlich unverfänglichen Flirtsituationen oder in subtilen Erscheinungsformen auf. So können Komplimente, Kommentare sexuellen Inhalts, anstößige Bemerkungen oder anzügliche Blicke in der Wahrnehmung des Erklärenden unverfänglich sein, beim Gegenüber jedoch eine reale Grenzüberschreitung bedeuten.
Im Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz ist lediglich geregelt, dass eine sexuelle Belästigung ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten ist, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Doch wann ist ein Verhalten unerwünscht? Muss die Unerwünschtheit klar zum Ausdruck gebracht werden oder reicht es aus, dass diese vorliegt?
Unerwünschtes Verhalten objektiv erkennbar?
Gerade am Arbeitsplatz und insbesondere bei oftmals nur subtil belästigendem Verhalten bestehen Hemmungen, die Annäherungsversuche eines Mitarbeitenden oder Vorgesetzten zurückzuweisen. Häufig wird aus Angst vor möglichen Nachteilen sogar „mitgespielt“ – was im Ergebnis vielfach zu der Einschätzung führt, dass keine sanktionsfähige Pflichtverletzung vorliegt. Durch die Einführung des Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz sollte Betroffenen genau in solchen Fällen geholfen werden. So heißt es in der Gesetzesbegründung unmissverständlich, dass die Unerwünschtheit einer belästigenden Verhaltensweise nicht bereits vorher ausdrücklich gegenüber den Belästigenden zum Ausdruck gebracht worden sein muss. Es reicht aus, dass die Handelnden aus der Sicht eines objektiven Beobachtenden davon ausgehen können, dass ihr Verhalten unter den gegebenen Umständen von den Betroffenen nicht erwünscht ist oder auch nicht akzeptiert wird. Entsprechend stellte das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29. Juni 2017 klar, dass eine sexuelle Belästigung nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz nicht mehr erfordere, dass Betroffene ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlichen müssen. Es sei allein maßgeblich, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war.
Auch diese „objektive Erkennbarkeit“ der unerwünschten Haltung stellt Arbeitgeber in der Praxis vielfach vor rechtliche Unsicherheiten hinsichtlich ihres Pflichtenkreises und ihrer Handlungsmöglichkeiten. Was im Ergebnis auch ein Grund dafür ist, warum die Aufklärung von Belästigungsvorwürfen nebst der rechtlichen Bewertung in der Regel an Expertinnen oder Experten fremdvergeben wird.
Um etwaige Haftungen nach dem Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz nach Möglichkeit auszuschließen, sollten Unternehmen bereits präventiv und im Vorfeld zu einem Beschwerdefall darauf achten, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen. So sollten Arbeitgeber insbesondere auch eine Beschwerdestelle errichten und Mitarbeitende zum Thema der sexuellen Belästigung informieren und unterweisen. Denn nach § 12 „gilt“ die Schulung der Beschäftigten als Erfüllung der Schutzpflicht des Arbeitgebers vor Belästigungen – wodurch nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich das Haftungsrisiko des Arbeitgebers hinsichtlich etwaiger Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche minimiert wird.
Beziehungsverbot als Pauschallösung?
Weil mit Flirts und Beziehungen am Arbeitsplatz potenziell Konflikte einhergehen, erwägen Arbeitgeber hierzulande häufig, diese gänzlich zu untersagen. In den USA ist das übliche Praxis. In Deutschland aber sind solche Verbote unzulässig und würden einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten – wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bereits 2005 im Walmart-Fall entschieden hat. Das Arbeitsgericht betonte in seiner Begründung, dass jeder frei sein muss in seiner Entscheidung, mit wem er eine Beziehung eingehen möchte. Erst wenn es auf Grund einer Beziehung zu Spannungen innerhalb des Betriebs komme, dürfe ein Arbeitgeber aktiv werden und etwaige notwendige Maßnahmen zur Beseitigung der Betriebsstörung ergreifen. Das Bundesarbeitsgericht deutete in seinem Beschluss vom 22. Juli 2008 an, dass es diese Ansicht teile.
Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Um Konflikten vorzubeugen, legen viele Unternehmen ihren Beschäftigten Offenbarungs- oder Meldepflicht von Beziehungen auf, die Einfluss auf die Arbeitsleistung und die Zusammenarbeit von Mitarbeitenden haben könnten. Ob solche Verpflichtungen rechtlich zulässig sind, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Oftmals werden diesbezüglich Bedenken hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeitenden und der Wahrung von Datenschutz erhoben. Da durch die Offenlegungspflicht jedoch keine Beziehung an sich untersagt wird, sprechen die besseren Argumente unserer Ansicht nach für ihre Zulässigkeit – vor allem dann, wenn die Offenbarungspflicht allein der Sicherung von betrieblichen Belangen und der Aufdeckung von potenziellen Interessenkonflikten dient. So liegt es auf der Hand, dass es gerade bei Beziehungen im Über- oder Unterordnungsverhältnis essenziell ist zu wissen, ob etwaige Entscheidungen über Beförderungen oder Gehaltserhöhungen durch die persönliche Involvierung der Führungskraft gegebenenfalls nicht mit der notwendigen Neutralität erfolgen. Es ist aber besondere Sorgfalt bei der Ausgestaltung solcher Richtlinien notwendig, um Angriffsflächen zu vermeiden und diese rechtssicher auszugestalten.