Arbeitsrechtliche Aspekte bei Microsoft 365 Copilot

Datenschutz

Die meisten Microsoft Office User dürften sich noch an Clippy (alias Karl Klammer) erinnern. Die kleine digitale Büroklammer bot voreingestellte Hilfestellungen an. Diese wurden von den Nutzern in den meisten Fällen als wenig hilfreich erachtet, sodass die Funktion mit der Microsoft Office Version 2007 abgeschafft wurde. Gewissermaßen feiert Clippy ein kleines Comeback. Mit dem Microsoft 365 Copilot – einer künstlichen Intelligenz (KI) – hat Microsoft die Integration einer neuen Hilfestellung in seine Office-Welt bekanntgegeben.

Der Microsoft 365 Copilot basiert auf „GTP-4“ von OpenAI. Die KI greift auf sämtliche Dokumente des Users oder aufgezeichnete „Teams“-Meetings zurück. Aus diesem Input können verschiedene Dokumente erstellt werden, wie zum Beispiel Vertragsentwürfe, Protokolle oder Analysen. Es greift daher zu kurz, den Microsoft 365 Copilot also bloße Integration von ChatGPT in Word, Excel, Powerpoint und Co. zu beschreiben.

Unternehmen bietet sich die Möglichkeit, Arbeitsprozesse zu transformieren und die Produktivität ihrer Mitarbeiter erheblich zu steigern. Die direkte Integration einer KI in die bekannte und weitverbreitete MS 365 Plattform stellt einen sehr niedrigschwelligen Zugang zu KI dar. Angesichts des dynamischen KI-Hypes könnte der Copilot einen absoluter Gamechanger für die Arbeitswelt und Arbeitsprozesse darstellen. Diese Transformation wirft arbeitsrechtliche Fragestellungen auf.

Arbeitsvertragliche Implikationen

Arbeitsverträge beziehungsweise damit verbundene Tätigkeitsbeschreibungen müssen nicht umgeschrieben werden. Eine einseitige Anordnung, wie und ob die Copilot-Funktion genutzt werden soll, ist zulässig. Rechtsgrundlage ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß Paragraf 106 Gewerbeordnung (GewO), welche entsprechende Weisungen deckt.

Beteiligungsrechte in der KI-Transformation

Handlungsbedarf besteht in der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Diesem stehen bei der Einführung und Anwendung des Microsoft 365 Copilot Beteiligungsrechte zu.

Besonders frühzeitig greifen grundsätzlich die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrates. Arbeitgeber müssen nach Paragraf 90 Absatz 1 Nummer 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bei der Einführung von KI den Betriebsrat bereits über den bloßen Plan unterrichten und diesen gemeinsam beraten. Voraussetzung ist lediglich, dass sich die KI auf die Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufe auswirkt. Dabei wird unter anderem von Bedeutung sein, wie umfassend die Copilot-Funktion eingesetzt werden soll. Arbeitgeber sollten daher bereits frühzeitig auf den Betriebsrat zugehen, auch für ein bloßes Pilotprojekt zur Evaluierung eines Use Cases.

Der Betriebsrat kann zudem den Abschluss einer Betriebsvereinbarung verlangen, welche Regelungen zur Einführung und zum Umgang mit der KI trifft. Gemäß Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG steht dem Betriebsrat ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht zu, welches die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen umfasst, die zur Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Arbeitnehmer geeignet sind. Auf eine tatsächliche Überwachung kommt es nicht an, die bloße Eignung der Einrichtung ist ausreichend. Hierunter fällt der Microsoft 365 Copilot. Hintergrund ist die Implementierung der KI in die Microsoft-365-Cloud, welche Copilot in dieser Hinsicht von ChatGPT unterscheidet. Die Einführung von ChatGPT ist mitbestimmungsfrei. Zwar sammelt die KI Nutzerdaten und ermöglicht über die gestellten Anfragen eine entsprechende Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Auf diese Daten hat allerdings nur OpenAI Zugriff. Es besteht keine Zugriffsmöglichkeit für den Arbeitgeber.

Der Microsoft 365 Copilot nutzt dagegen die KI von OpenAI unter Hinzuziehung der Microsoft 365 Cloud. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied mit Beschluss vom 21. Mai 2021 (9 TaBV 28/20), dass die unternehmensweite Einführung von Microsoft Office 365 dem Mitbestimmungstatbestand nach Paragraf  87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG unterliegt. Der Arbeitgeber hat den zentralen Zugriff auf die Administrationsrechte der 365 Cloud (sogenannte „1-Tenant Lösung“) und damit auf die Log-Dateien der bearbeiteten Dokumente. Die Microsoft 365 Apps ermöglichen ihm demnach eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Die Copilot-Funktion nutzt diese zur Überwachung geeignete digitale Infrastruktur und unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG.

Strukturelle Veränderungen

Die Einführung einer KI im Unternehmen kann unter Umständen zu strukturellen Veränderungen führen. Dabei kommt abermals dem Betriebsrat eine tragende Rolle zu. Im Falle einer Betriebsänderung führt dieser die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über den Abschluss eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Überwiegend werden dabei Abfindungen für die Betroffenen ausgehandelt.

Eine Betriebsänderung im Sinne der Paragrafen 111 ff. BetrVG liegt unter anderem bei einem größeren Personalabbau vor. Die Einführung von KI, wie beispielsweise der Copilot-Funktion, kann zu einer hohen Leistungsverdichtung im Unternehmen führen. Dieser Effizienzgewinn kann zu einem Personalabbau führen. Erste Arbeitgeber geben öffentlichkeitswirksame Einschätzungen ab, wie stark ihr zukünftiger Personalbedarf sinken wird. Nach aktuellem Stand ist es nur bedingt möglich, die genaue Entwicklung vorherzusehen. KI-Tools strömen auf den Markt und Unternehmen beginnen zunehmend ihre Use Cases zu entwickeln. Wie und in welchem Umfang ein Effizienzgewinn erzielt werden kann, bleibt eine der spannendsten Entwicklungen der modernen Arbeitswelt.

Eine Betriebsänderung kann auch dann vorliegen, wenn sich die Arbeitsmethoden im Betrieb grundlegend ändern. In solchen Fällen trifft der Betriebsrat vorwiegend Regelungen zur Qualifizierung und Weiterbildung betroffener Arbeitnehmer. Arbeitgeber müssen sich daher bei der Implementierung von KI-Tools fragen, inwiefern sich ihre Arbeitsprozesse grundlegend ändern und einen Fort- oder Weiterbildungsbedarf hervorruft, oder ob diese bereits für den Umgang mit der KI qualifiziert sind.

Datenschutz und Datenauswertung

Die Copilot-Funktion stellt genau wie die Microsoft 365 Apps sogenannte Software-as-a-Service (SaaS) dar. Der für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortliche Arbeitgeber beauftragt dabei Microsoft mit der Datenverarbeitung nach seinen Weisungen. Als Grundlage für den dazu stattfindenden Datentransfer ist ein Auftragsverarbeitungsvertrag mit Microsoft nach Artikel 28 Absatz 3 Seite 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erforderlich. Andernfalls würde die Datenverarbeitung gegen die DSGVO verstoßen.

Allerdings verbleiben auch nach Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrags datenschutzrechtliche Unsicherheiten. Die Datenschutzkonferenz der Deutschen Aufsichtsbehörden (DSK) hat in ihrem Bericht vom 25. November 2022 Bedenken hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des Auftragsverarbeitungsvertrags von Microsoft geäußert. Aufgrund unzureichender Löschpflichten, Weisungsgebundenheit und Transparenz überschreitet Microsoft nach Einschätzung der DSK seine Kompetenzen als Auftragsdatenverarbeiter. Die Einschätzung der DSK stellt jedoch keine verbindliche und abschließende Bewertung dar. Diese erfolgt durch die zuständigen Landesdatenschutzbehörden.

Weitere datenschutzrechtliche Risiken ergeben sich aus der sogenannten Blackbox der KI, welche ein selbstlernendes System darstellt. Der Algorithmus kann eigene Entscheidungen treffen, sodass diese für die Entwickler nicht mehr vollständig nachvollziehbar sind. KI steht daher in einem Spannungsverhältnis mit datenschutzrechtlichen Transparenzpflichten. Ebenso wie der Algorithmus stellen das Training und die Trainingsdaten der KI-Schwachpunkte hinsichtlich der Transparenz dar. Diese Problematik war einer der mitentscheidenden Kritikpunkte der italienischen Datenschutzbehörde, weshalb sie ChatGPT in Italien im März 2023 vorübergehend gesperrt hatte. Sie wirft OpenAI unter anderem vor, die Transparenzpflichten der Artikel 12 ff. DSGVO zu verletzen. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Datenschutzbehörden anderer europäischer Mitgliedstaaten die KI von OpenAI bewerten und inwiefern Microsoft für den 365 Copilot einen anderen Umgang mit GPT-4 handhaben wird.

Fazit

OpenAI hat mit ChatGPT der Weltöffentlichkeit den Fortschrift künstlicher Intelligenz vor Augen geführt. KI hat das Potenzial, Arbeitsplätze grundlegend und nachhaltig zu verändern. Mit der Microsoft Copilot-Funktion könnte KI bereits in absehbarer Zeit in den Arbeitsalltag vieler Beschäftigter einziehen. Dabei wird Arbeitgebern der Einstieg in die Nutzung des Microsoft 365 Copilot nicht so niedrigschwellig vorkommen wie den Beschäftigten. Erforderlich sind Vereinbarungen mit Microsoft und dem Betriebsrat. Des Weiteren stellen sich sowohl bei der Microsoft 365 Cloud als auch bei der KI von OpenAI datenschutzrechtliche Fragen, welche nach aktuellem Stand nicht abschließend geklärt sind. Das entsprechende Risiko muss von Arbeitgebern berücksichtigt werden, wenn sie diese möglicherweise weitreichende Veränderung der Arbeitswelt mitgestalten möchten.

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Tobias Brors

Tobias Brors, LL.M. ist promovierter Jurist und Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Pusch Wahlig Workplace Law in Düsseldorf. Sein Tätigkeitsgebiet umfasst sämtliche Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts sowie des Datenschutzrechts. Schwerpunkte seiner Beratungspraxis liegen insbesondere in Restrukturierungen und Digitalisierungsprojekten. Daneben verfügt er über besondere Erfahrung bei Verhandlungen mit Betriebsräten, der Prozessführung sowie in der Vertretung in Einigungsstellenverfahren.

Jonas Flock

Jonas Flock, LL.M. ist Rechtsreferendar und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Düsseldorfer Standort von Pusch Wahlig Workplace Law.

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