Mischbetriebe dürfen auf Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche verweisen

Arbeitsrecht

Auch tarifungebundene Unternehmen, deren Betriebszweck nicht ausschließlich der Verleih von Arbeitnehmern ist, können als sogenannte Mischbetriebe auf die Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche verweisen und vom Equal-Pay-Grundsatz abweichen. § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 das Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) setzt kein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung in einem Mischbetrieb voraus (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Oktober 2016 – B 11 AL 6/15 R).

Der Sachverhalt
Die Klägerin ist eine nicht tarifgebundene GmbH, deren Unternehmensgegenstand unter anderem die Arbeitnehmerüberlassung ihrer Mitarbeiter ist. Diese erfolgt jedoch nur in geringem Umfang. Das Arbeitsvertragsmuster sieht die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche in der jeweils gültigen Fassung vor. Die Beklagte erteilte der Klägerin nach Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung für ein Jahr eine (befristete) Auflage mit der Untersagung, „mit den Arbeitnehmern für die Dauer der Überlassung an einen Drittbetrieb eine Vereinbarung dahingehend zu treffen, dass sie für diesen Zeitraum von dem Gleichstellungsgrundsatz gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG durch Anwendung eines Tarifvertrags in der Zeitarbeit freigestellt werden“. Die Beklagte begründete dies damit, dass der Betrieb der Klägerin nicht überwiegend auf Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet sei und sich daher nicht im Geltungsbereich des Tarifvertrags der Zeitarbeitsbranche befinde. Für Mischbetriebe gelte das Überwiegensprinzip.

Das Sozialgericht Hamburg gab der Anfechtungsklage statt. Nach Berufung der Beklagten stellte das LSG Hamburg unter Klageabweisung im Übrigen die Rechtswidrigkeit der Auflage fest. Daraufhin legte die Beklagte Revision ein.

Die Entscheidung
Das BSG bestätigte, dass das LG Hamburg zu Recht festgestellt habe, die Auflage zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis sei rechtswidrig gewesen. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Auflage gem. § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 AÜG hätten nicht vorgelegen. Der Klägerin stand es frei, vom Gleichbehandlungsgebot des AÜG abzuweichen, indem sie die Anwendung der zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen und den DGB-Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge der Zeitarbeit arbeitsvertraglich vereinbarte. Die Klägerin sei als Mischunternehmen mit nicht überwiegender Arbeitnehmerüberlassung nicht von der im AÜG eröffneten Möglichkeit der Bezugnahme auf Tarifverträge ausgeschlossen.

Die Auslegung der Norm ergebe nicht, dass sie die über­wiegende Arbeitnehmerüberlassung in Mischbetrieben voraussetze. Anders als § 6 Arbeitnehmerentsendegesetz knüpfe der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 AÜG nicht an ein „Überwiegen“ an. Auch Sinn und Zweck des AÜG geböten nicht die Geltung des Überwiegensprinzips für nicht tarifgebundene Mischunternehmen. Es komme aus­schließlich auf den durch die Tarifvertragsparteien bestimmten Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags an. Danach sei die Klägerin nicht vom Geltungsbereich der konkret in Bezug genommenen Tarifverträge ausge­schlossen gewesen. Auch deren Geltungsbereich setze nämlich kein Überwiegen der Arbeitnehmerüberlassung voraus.

Auch die nach Aufgabe der Rechtsprechung zum Grund­satz der Tarifeinheit umstrittene Rechtsfrage, ob das Überwiegensprinzip als Auslegungsgrundsatz noch weiter­hin heranzuziehen sei, könne im konkreten Fall dahin­stehen. Wenn einem Tarifvertrag das Industrieverbands­prinzip erkennbar nicht zugrunde läge, könne auch nicht angenommen werden, dass er auf den gesamten Betrieb Anwendung finden solle.

Hinweise für die Praxis
Das Urteil des BSG erleichtert das Abweichen tarifungebundener Mischunternehmen vom Equal-Pay-Grundsatz deutlich. Das BSG stellt mit dieser Entscheidung klar, dass auch Mischbetriebe durch individualvertragliche Vereinbarungen auf die für sie günstigen Branchentarifverträge der Zeit­arbeitsbranche zurückgreifen können. Dabei kommt es nicht mehr darauf an, dass sie überwiegend Leiharbeit betreiben.

Es ist daher auch nicht mehr nötig, eine räumlich und organisatorisch abgrenzbare Einheit innerhalb des Betriebs zu schaffen, die sich ausschließlich der Arbeit­nehmerüberlassung widmet. Hierdurch können nicht nur Kosten, sondern auch Verwaltungsaufwand gespart werden.

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(c) Osborne Clarke

Viktoria Winstel

Rechtsanwältin
Osborne Clarke
Dr. Viktoria Winstel ist Rechtsanwältin bei Osborne Clarke.

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