Elternzeit und Mutterschutz haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Sie sind wichtige Work-Life-Balance-Instrumente. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und Änderungen der gesetzlichen Grundlagen vorgenommen.
Flexibilisierung und Gesundheitsschutz – diese Ziele standen bei den jüngsten Änderungen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) und des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) im Mittelpunkt. Während die Neuregelungen des BEEG bereits seit Mitte 2015 in Kraft sind, wird das neue Mutterschutzgesetz überwiegend von 2018 an wirksam sein. Unternehmen und ihre Personalmanager werden mit neuen Pflichten und Fallkonstellationen konfrontiert, die zu den bereits bestehenden Fragestellungen hinzukommen.“. Dabei sind rechtliche und operative Hürden oftmals nicht einfach zu bewältigen.
Gesundheitsschutz
Kernstück des neuen Mutterschutzgesetzes sind die Änderungen des betrieblichen Arbeitsschutzes. Diesbezüglich hat der Gesetzgeber dem Arbeitgeber insbesondere aufgegeben, die Arbeitsbedingungen für werdende oder stillende Mütter so zu gestalten, dass eine „unverantwortbare Gefährdung“ für Mutter und Kind ausgeschlossen ist. Gut gemeint – aber in der Praxis wenig hilfreich – ist die gesetzliche Definition dieses unbestimmten Rechtsbegriffs. Danach ist eine Gefährdung unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Um diese schwammige Definition für Arbeitgeber und Aufsichtsbehörden handhabbarer zu machen, wurde die Bundesregierung aufgefordert, bis 2018 Umsetzungshinweise für klare Handlungsvorgaben zu erteilen.
Im Rahmen einer generellen Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber für jeden Arbeitsplatz – auch wenn dieser von einem Mann besetzt ist – festzustellen, inwieweit Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer bestehen, denen eine werdende oder stillende Mutter ausgesetzt ist oder sein kann, und ob oder welche Schutzmaßnahmen voraussichtlich zu treffen sind. Für die Form der Dokumentation können sich Arbeitgeber an der bereits bestehenden Dokumentationspflicht für die Gefährdungsbeurteilung orientieren. Sobald eine Frau mitteilt, dass sie schwanger ist oder stillt und sie sich auf einem Arbeitsplatz mit einer unverantwortbaren Gefährdung für sie oder ihr Kind befindet, muss der Arbeitgeber Maßnahmen in einer festgelegten Reihenfolge vornehmen. Zunächst sind die Arbeitsbedingungen so umzugestalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Ist dies nicht möglich oder für den Arbeitgeber wegen unverhältnismäßigen Aufwandes unzumutbar, muss die Beschäftigte auf einen – wenn vorhanden – anderen freien, für sie zumutbaren Arbeitsplatz versetzt werden. Falls auch das die Gefährdung nicht ausschließen kann, besteht ein betriebliches Beschäftigungsverbot.
Nacht- und Feiertagsarbeit
Das Verbot der Nachtarbeit wurde insofern gelockert, dass Mütter ausnahmsweise bis 22 Uhr beschäftigt werden dürfen, wenn diese zustimmen, ein ärztliches Attest über die Unbedenklichkeit vorlegen und eine unverantwortbare Gefährdung durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist. Eine Beschäftigung darf dann bereits ab dem gleichzeitig zu stellenden Antrag auf Behördengenehmigung erfolgen, solange diese nicht vorläufig untersagt oder endgültig abgelehnt wird. Auch eine Sonn- und Feiertagsarbeit ist bei Zustimmung der betreffenden Mütter zulässig, wenn eine Ausnahme vom allgemeinen Beschäftigungsverbot an solchen Tagen gemäß ArbZG gegeben ist, im Anschluss ein Ersatzruhetag gewährt wird und eine unverantwortbare Gefährdung durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Beantragung der Elternzeit
Die Änderungen des BEEG ermöglichen es den Eltern, ihren jeweiligen Anspruch auf 36 Monate Elternzeit flexibler zu verteilen. Während zuvor nur ein Anteil von bis zu zwölf Monaten zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes beansprucht werden konnte, ist für diesen Zeitraum nun eine Geltendmachung von bis zu 24 Monaten möglich.
Anders als früher bedarf es für die Elternzeit ab dem dritten Geburtstag keiner Zustimmung mehr durch den Arbeitgeber. Stattdessen muss die Elternzeit in diesem Fall lediglich spätestens dreizehn Wochen vor Beginn schriftlich beantragt werden, um dem Arbeitgeber eine bessere Planung für den Arbeitsausfall zu ermöglichen.
Der Wegfall des Zustimmungserfordernisses ab dem dritten Geburtstag und der Umstand, dass Arbeitgeber den restlichen Elternzeitanspruch von Arbeitnehmern teilweise nicht im Blick haben, können bei geplanten betrieblichen Änderungen zu Problemen führen.
Erfahren Arbeitnehmer beispielsweise, dass sie von einem Personalabbau betroffen sein könnten, können sie ihre restliche Elternzeit nehmen, wodurch sie ab diesem Zeitpunkt Sonderkündigungsschutz genießen.
Keine Änderung bei Beantragungsfrist
Unverändert geblieben ist die siebenwöchige Frist für die Beantragung der Elternzeit im Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes. Wollen die Eltern bereits ab der Geburt für die nächsten Monate von der Arbeit freigestellt werden, ist das für die Mutter unproblematisch. Denn für sie besteht nach der Entbindung ohnehin ein Beschäftigungsverbot von in der Regel acht Wochen.
Für einen nahtlosen Übergang in die Elternzeit kann das schriftliche Begehren daher zur Wahrung der Sieben-Wochen-Frist auch erst nach der Geburt gestellt werden. Der Vater muss den Antrag hingegen bereits spätestens sieben Wochen vor der Entbindung stellen.
Damit gehen auf den ersten Blick Unsicherheiten einher, weil sich der Geburtstermin im Vorfeld nie mit Sicherheit bestimmen lässt. Um die Frist in diesem Fall zu wahren, ist der prognostizierte Tag der Entbindung zu nennen und die Elternzeit „ab Geburt“ zu beantragen. Selbst wenn das Kind tatsächlich vor oder nach diesem Tag zur Welt kommt, ist die Frist für die Information des Arbeitgebers eingehalten und die Elternzeit beginnt ab dem Geburtstag.
Mehrlinge und Geburtenfolgen
Insbesondere bei Mehrlingsgeburten oder Geburtenfolgen kann es aufgrund von zeitlichen Überschneidungen zu Schwierigkeiten bei der Berechnung der Elternzeitdauer kommen. Festzuhalten ist zunächst, dass die Dauer des Mutterschutzes nach der Entbindung auf den Elternzeitanspruch der Mutter von 36 Monaten angerechnet wird und nicht etwa eine entsprechende Verlängerung stattfindet.
Unverändert bleibt für Mehrlingseltern – genau wie bei der Geburtenfolge – die Dauer der Elternzeit. Dem erhöhten Betreuungsumfang bei mehreren Kindern trägt das Gesetz dennoch Rechnung. Denn jeder Elternteil erwirbt pro Kind einen vollständigen Elternzeitanspruch. Dies gilt selbst dann, soweit sich die Zeiten für die einzelnen Kinder überschneiden. Für die Geburt von Zwillingen bedeutet das, dass man bis zum dritten Geburtstag einen Anspruch von 24 Monaten für Kind A und im Anschluss zwölf Monate für Kind B geltend machen kann. Die verbleibenden zwölf Monate für Kind A und 24 Monate für Kind B können auf den Zeitraum bis zum achten Geburtstag übertragen werden. Dementsprechend wäre es in diesem Fall möglich, insgesamt sechs Jahre Elternzeit zu nehmen – nach der alten Regelung wären es nur fünf Jahre gewesen.
Wird hingegen zunächst Kind A geboren und eine dreijährige Elternzeit genommen, kann diese wegen der darauf folgenden Geburt von Kind B unterbrochen werden. Die Unterbrechung besteht für die Dauer der vor- und der nachgeburtlichen Mutterschutzfristen. Die verbleibende Elternzeit für Kind A kann auf den Zeitraum nach dessen dritten Geburtstag übertragen werden. Direkt im Anschluss an den Mutterschutz kann die Elternzeit für Kind B begonnen werden. Da die in der Regel achtwöchige nachgeburtliche Mutterschutzfrist auf die Elternzeit für Kind B angerechnet wird, ist der Anspruch bereits entsprechend reduziert. Am Ende steht ein ‒ nicht zwingend zusammenhängender ‒ Freistellungszeitraum von sechs Jahren und sechs Wochen. Letztere bilden die vorgeburtliche Mutterschutzfrist ab, die nicht angerechnet wird.
Elternteilzeit
Arbeitnehmer können während ihrer Elternzeit eine Weiterbeschäftigung in Elternteilzeit beanspruchen. Das Elternteilzeitbegehren kann Arbeitgeber vor operative Herausforderungen stellen. Die Ablehnung der Arbeitszeitverringerung und -verteilung kann nur aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgen, woran sehr hohe Anforderungen geknüpft sind.
Ist der Arbeitsplatz aus Arbeitgebersicht beispielsweise unteilbar, muss der Arbeitgeber alle Möglichkeiten der betrieblichen Umorganisation prüfen und überzeugend darlegen, dass eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit anstelle des vom Gesetz uneingeschränkt vorgesehenen Arbeitszeitausfalls für die Dauer der Elternzeit nicht durchführbar ist. Das insoweit erforderliche Organisationskonzept des Arbeitgebers kann in Gerichtsverhandlungen nur schwer dargelegt werden.
Durch die Gewährung von Elternteilzeit schafft der Arbeitgeber zudem ein Präjudiz. Denn wenn der Arbeitnehmer nach der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung gemäß TzBfG beantragt, wird eine Ablehnung kaum mehr möglich sein. Als dringende betriebliche Erfordernisse kommen in der Regel beispielsweise die Möglichkeit, einen vorhandenen Personalüberhang zur Stellenbesetzung zu nutzen, oder die bereits erfolgte Besetzung des Elternzeitarbeitsplatzes mit einem neu eingestellten Teilzeit-Vertreter in Betracht.
Urlaubsanspruch
Wenn der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer nicht bei seinem Arbeitgeber in Teilzeit tätig ist, kann dessen Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt werden. Beginnt und endet die Elternzeit im laufenden Monat, kann weder für den Anfangs- noch den Endmonat eine Kürzung erfolgen. Dies wird in der Praxis oft von beiden Parteien übersehen. Probleme bereitet daneben oftmals die Übertragung noch bestehender Urlaubsansprüche. Das BEEG schreibt eine kraft Gesetzes erfolgende Übertragung des Anspruchs auf das laufende sowie das gesamte nächste Urlaubsjahr nach Ende der Elternzeit vor. Verlängert sich die Elternzeit durch die Geburt eines weiteren Kindes, verlängert sich auch der Übertragungszeitraum.
Fazit
Durch die jüngsten gesetzlichen Änderungen steht Familien ein größerer Spielraum für ihre Familienplanung neben dem Beruf zur Verfügung. Dies und die gleichzeitige Ausweitung des Mutterschutzes bedeuten auf Arbeitgeberseite ein Mehr an zu beachtenden Regelungen und Fallgestaltungen.