In welchem Umfang müssen Selbständige ihre Einkünfte offenlegen, wenn sie wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots Karenzentschädigung fordern?
Wer zur Entschädigung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung beansprucht, muss sich grundsätzlich seinen anderweitigen Erwerb anrechnen lassen und diesen auf Anforderung auch nachweisen, (vergleiche dazu § 74c HGB). Besonders problematisch ist das, wenn der Karenzberechtigte selbständig ist. Denn dann besteht der anderweitige Erwerb in dem durch die selbständige Tätigkeit erzielten Gewinn, also dem Bruttogewinn abzüglich der Geschäftsunkosten. Das kann jedoch „Gestaltungsspielräume“ zulasten des Zahlungspflichtigen schaffen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit der nachfolgend besprochenen Entscheidung klargestellt, wann in diesem Sinne ein „Gewinn“ gegeben ist. Weiterhin unentschieden bleibt jedoch die Frage, ob die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) vorzulegen ist; immerhin hat das BAG die Auskunftspflichten eines Selbständigen, der Karenzentschädigung beansprucht, weiter konturiert.
Sachverhalt
Der Kläger, ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten, unterlag für ein Jahr einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Er klagt Karenzentschädigung ein, die Beklagte fordert widerklagend Auskunft über anderweitigen Erwerb. Im Karenzzeitraum war der Kläger konkurrierend tätig. Bei der hierzu gegründeten Gesellschaft hielt ein anderer Gesellschafter die Gesellschaftsanteile als Treuhänder für die Ehefrau des Klägers; diese war überdies bei der Gesellschaft angestellt und bezog etwa sechs Monate von der Gesellschaft Vergütung, ohne tatsächlich tätig zu sein. Außerdem stand ihr ein privat nutzbarer Dienstwagen zur Verfügung, den überwiegend der Kläger nutzte. Der Beklagten hatte er seine Einkommensteuererklärung vorgelegt, in der er einen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 3.165 Euro erklärte. Für die Ehefrau des Klägers waren 21.864 Euro Bruttoarbeitslohn eingetragen. Des Weiteren waren Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 528 Euro geltend gemacht sowie Fahrten „mit eigenem oder zur Nutzung überlassenen PKW für 24 Tage“. Im hierauf ergangenen Einkommensteuerbescheid heißt es: „Bitte teilen Sie innerhalb 3 Wochen nach Erhalt des Bescheides mit, warum keine Angaben zu Hinzu- und Abrechnung beim Wechsel der Gewinnermittlung vorgenommen wurden. Reichen sie ggf. eine entsprechende Ermittlung ein“.
Im Lauf des Rechtsstreits hat der Kläger an Eides statt versichert, durch Vorlage seiner auf GuV basierenden Einkommensteuererklärung und des Einkommensteuerbescheids nach bestem Wissen und Gewissen seine Einkünfte richtig und vollständig dargelegt zu haben. Hierauf verlangte die Beklagte widerklagend, die GuV-Rechnung vorzulegen sowie detailliert ergänzende Auskünfte über die erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und damit zusammenhängender Aufwendungen zu erteilen (dies betraf unter anderem die Höhe gelegter Rechnungen, Aufwendungen für Angestellte und freie Mitarbeiter, Aufwendungen für EDV und Telekommunikation, für Büroräume, Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie diverse im Einzelnen benannte sonstige Sachaufwendungen). Während Arbeits- und Landesarbeitsgericht zur Zahlung verurteilt und die Widerklage der Beklagten abgewiesen hatten, entschied das BAG gegenteilig und hat den Kläger nicht nur zur Vorlage seiner GuV, sondern auch zu den im einzelnen verlangten Auskünften verurteilt. Der Kläger als früherer Arbeitnehmer schulde wahrheitsgemäße Angaben über seinen anderweitigen Erwerb.
Entscheidung und Praxisfolgen
Das BAG bestätigt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Auskunftspflicht nicht erfüllt sei, wenn nicht ernst gemeinte, unvollständige oder von vornherein unglaubhafte Auskunft erteilt werde. Die vom Kläger vorgelegte Einkommensteuererklärung sei hinsichtlich des während der Karenzzeit erzielten Einkommens von vornherein unglaubhaft gewesen. Diese Auskunft sei durch seine Eidesstattliche Versicherung nicht richtig(er) geworden. Der Arbeitsvertrag der Ehefrau des Klägers sei nur zum Schein abgeschlossen, um mögliche Wettbewerbsverstöße des Klägers zu verschleiern. Damit stehe zugleich fest, dass der Kläger nicht „steuerehrlich“ sei. Jedenfalls vorliegend sei es dem Kläger nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zumutbar, seine GuV vorzulegen, weil er “auch und gerade durch die Vorlage der Einkommensteuererklärung und des Einkommensteuerbescheids massiv und nachdrücklich versucht hat, seine während der Karenzzeit erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gegenüber der Beklagten zu verschleiern“. Für die Anrechnung von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit sei nicht das Zuflussprinzip maßgebend, sondern der Zeitpunkt, in dem der Gewinn realisiert werde (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB, Realisationsprinzip). Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sieht das BAG den Gewinn in diesem Sinne als realisiert an, „wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen in der Weise erbracht hat, dass ihm die Forderung auf die Gegenleistung – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher ist“.
Mit diesem Urteil sollte es einerseits selbstständig Tätigen deutlich schwerer werden, Gewinne zu verschleiern, um der Anrechnung auf die Karenzentschädigung zu entgehen. Andererseits ist in der Praxis zu befürchten, dass sich dieser sprichwörtliche Gewinn dadurch relativiert, dass das BAG sich nicht hat dazu durchringen können, eine Vorlagepflicht der GuV grundsätzlich zu bejahen. Das soll weiterhin im Einzelfall entschieden werden und davon abhängen, ob es Gründe gibt, die den früheren Arbeitgeber veranlassen, den Angaben zu misstrauen. Entsprechendes gilt für weitergehende Auskünfte über die Vorlage des Einkommensteuerbescheides hinaus.
Immerhin zeigt der vorliegende Fall auch, dass sich Hartnäckigkeit des ehemaligen Arbeitgebers bei Nachforschungen und Auskunftsverlangen durchaus lohnen kann und man insoweit nicht vorschnell aufgeben sollte.