Sachverhalt
Der Kläger war zunächst als kaufmännischer Angestellter auf Basis eines Arbeitsvertrags bei der später insolvent gewordenen GmbH tätig. 2013 wurde er zu deren Geschäftsführer bestellt, ohne dass ein Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen wurde. 2017 vereinbarte der Kläger mit der Alleingesellschafterin der GmbH in einer „Änderung zum Arbeitsvertrag“ neue Arbeitszeitregelungen; überdies einigten sich beide darauf, dass alle anderen Bestandteile des Vertrags bestehen bleiben. Unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH kündigte deren Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis des Klägers „sowie ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis“ ordentlich. Die Kündigung ging dem Kläger am Vormittag des Folgetags zu; am Nachmittag versendete der Kläger eine E-Mail, mit der er seine Geschäftsführerstellung mit sofortiger Wirkung niederlegte. Er klagte gegen die Kündigung, diese sei sozialwidrig und verstoße gegen das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB. Sein Geschäftsführeramt habe er wirksam niedergelegt. Ungeachtet dessen greife die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht ein, weil sein Arbeitsverhältnis fortgeführt worden sei. Seine Klage hatte beim Arbeitsgericht Erfolg, während das Landesarbeitsgericht sie abwies. Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtstreit an dieses zurückverwiesen, um aufzuklären, ob ein Betriebsübergang vorliegt.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht hatte gemeint, § 613a BGB sei seinem Sinn und Zweck nach dahin zu reduzieren, dass er auf Organmitglieder juristischer Personen, hier also den Geschäftsführer, keine Anwendung finde. Das Bundesarbeitsgericht lehnt das ab. § 613a BGB sei nicht teleologisch dahin zu reduzieren, dass die Vorschrift auf Organmitglieder juristischer Personen mit einem Arbeitsvertrag nicht anwendbar sei. Obwohl der Kläger bei Zugang der Kündigung noch Geschäftsführer war, unterfalle sein Vertragsverhältnis § 613a BGB, weil es sich um einen Arbeitsvertrag gehandelt habe. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz, wonach die §§ 1-13 Kündigungsschutzgesetz (unter anderem Erfordernis von Kündigungsgründen, dreiwöchige Klagefrist) nicht für Organmitglieder einer juristischen Person gelten, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, ändere daran nichts, weil sich dies nicht auf § 613a BGB erstrecke. Eine gesetzliche Lücke, die aufgrund von Arbeitsverträgen tätige Geschäftsführer vom Anwendungsbereich des § 613a BGB ausnehme, sei nicht ersichtlich.
Ebenso wenig führe die Anwendung zu zweckwidrigen Ergebnissen. Bei GmbH-Geschäftsführern sei rechtlich strikt zwischen der Bestellung zum Organ der GmbH, das heißt der Berufung in das Amt des Geschäftsführers, und dem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Aus der Bestellung allein ergebe sich noch keine schuldrechtliche Beziehung zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer. Die Organstellung einerseits und das Anstellungsverhältnis andererseits seien jeweils selbstständige, nebeneinanderstehende Rechtsverhältnisse mit einem jeweils eigenen rechtlichen Schicksal; beide Rechtsverhältnisse würden auch grundsätzlich unabhängig voneinander nach den für sie jeweils geltenden Vorschriften beendet.
Diese strikte rechtliche Trennung führe im Falle eines Betriebsübergangs dazu, dass nur die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis eines Geschäftsführers auf den Betriebserwerber übergehen, nicht aber das Geschäftsführeramt, weil dieses seinen Rechtsgrund gerade nicht im Arbeitsverhältnis habe. Daher gebe § 613a BGB auch keinen Anspruch gegen den Betriebserwerber, zum Organ bestellt zu werden. Sollte – was das Bundesarbeitsgericht mangels tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilen konnte – ein Betriebsübergang vorliegen, hätte der Kläger gegen den Erwerber nur einen Anspruch mit solchen Tätigkeiten beschäftigt zu werden, die er als Geschäftsführer aufgrund seines Arbeitsvertrages ausgeübt habe. Eine andere Tätigkeit könne ihm nur übertragen werden, wenn die Arbeitsvertragsparteien vereinbart hätten, dass mit dem Ende der Organstellung nach Ablauf der Kündigungsfrist wieder die ursprüngliche oder eine im Einzelnen festgelegte andere Tätigkeit zum Vertragsinhalt werde; andernfalls bedürfe die Änderung der Tätigkeit eines Einvernehmens oder einer Änderungskündigung.
Praxisfolgen
Das Urteil ist für die Vertragsgestaltungspraxis bei Geschäftsführern von großer Bedeutung. Erfahrungsgemäß ist die rechtliche Trennung zwischen dem Geschäftsführeramt (der Organstellung) einerseits und andererseits einem Vertrag, der („nur“) die Tätigkeit als Geschäftsführer und deren Bedingungen regelt, dem nichtjuristischen Praktiker schon nicht leicht zu vermitteln; umso mehr gilt das hinsichtlich der sich aus dieser Trennung ergebenden unterschiedlichen Rechtsregeln und -folgen. Der vorliegende Fall erweitert diese Problematik um weitere Unterscheidungen allein auf der Vertragsebene zwischen dem klassischen Geschäftsführer-Dienstvertrag sowie einem (echten) Arbeitsvertrag. Die wirklich komplexe Thematik lässt sich hier nicht im Einzelnen darstellen; schon deshalb ist in Geschäftsführerangelegenheiten schon vor der Bestellung und bei der Vertragsgestaltung die Einholung fachlich kompetenten Rechtsrats regelmäßig geboten. Aus obigem Urteil sind jedenfalls zumindest folgende Schlüsse zu ziehen:
- Geschäftsführer sollten grundsätzlich keinen Arbeitsvertrag haben, sondern einen Dienstvertrag. Mag ein Arbeitsvertrag rein rechtlich zulässig sein, so führt dies zu einer Vermischung von Rechtsregeln, die für unterschiedliche Sachverhalte vorgesehen sind. Der vorliegende Fall zeigt anschaulich, dass dies schon für sich problembehaftet und deshalb zu vermeiden ist. Zur Verdeutlichung: Die Unterschiede reichen bis hin zu unterschiedlicher Zuständigkeit der Gerichte (Arbeits- oder Zivilgerichte).
- Vorstehendes gilt auch dann, wenn – wie hier – ein schon eine Weile tätiger Arbeitnehmer zum Geschäftsführer aufsteigt. In jedem Fall sollte dies nur in Verbindung mit dem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führt der Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages zur Aufhebung des zuvor mit derselben Gesellschaft bestehenden Arbeitsvertrages (wobei aus Gründen der Klarheit dessen explizite Aufhebung beziehungsweise Beendigung dennoch ratsam ist).
- Wenn schon, warum auch immer, ein Arbeitsvertrag zur Grundlage einer Geschäftsführertätigkeit vereinbart wird, sollte er unbedingt den Inhalt des Arbeitsverhältnisses für den Fall regeln, dass die Organstellung entfällt, was die unterschiedlichsten Gründe haben kann. Die Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, nach Wegfall des Amtes bestehe (trotzdem) ein vertraglicher Beschäftigungsanspruch mit Tätigkeiten, die der Kläger als Geschäftsführer ausgeübt habe, ist mindestens unklar und erscheint für die Praxis gänzlich unanwendbar. Eine tägliche Konkurrenz zu einem anderen oder neuen Geschäftsführer liegt auf der Hand. Die Gesellschaft / der Arbeitgeber sollte sich unbedingt für diesen Fall im Arbeitsvertrag vorbehalten, auch andere nachgeordnete Tätigkeiten anweisen zu können und dies dort so gründlich wie möglich regeln.