Quarantäne im Urlaub: Was passiert mit den Urlaubstagen?

Arbeitsrecht

Die Urlaubszeit ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Regel die Zeit zur Erholung und die Zeit um seinen/ihren eigenen Interessen nachzugehen. Wird gegenüber einem oder einer Beschäftigten während seines/ihres Urlaubs jedoch behördlich eine Quarantäne angeordnet, ist es mit der Urlaubsfreude zumeist vorbei. Und es stellt sich die Frage, ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin die Urlaubstage, die in Quarantäne verbracht wurden, nochmals einreichen können beziehungsweise aus Sich des Arbeitgebers, ob er den Urlaub noch einmal gewähren muss? Hierauf möchten wir antworten.

Ausgangssituation

Nach wie vor gehört es zum Alltag, dass sich Menschen im Zusammenhang mit dem Sars-Cov-2-Virus nach behördlicher Anordnung in einer häuslichen Quarantäne absondern müssen. Grund für die Anordnung können die Einstufung als Kontaktperson, der Verdacht einer Covid-19-Erkrankung oder auch die tatsächliche Infektion mit Sars-Cov-2-Virus sein. Wie sich die Quarantäne auf das Arbeitsentgelt von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auswirkt, ist durch die Regelungen in § 616 BGB und § 56 IfSG oder im Fall der Infektion durch § 3 EFZG bestimmt.

Unglücklich ist es vor allem, wenn eine gegenüber einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin angeordnete Quarantäne auch noch mit dem Zeitraum zusammenfällt, in dem ihm oder ihr bereits Erholungsurlaub bewilligt wurde. Sofort beschränkt sich der Urlaub auf die eigenen vier Wände und von Erholung, wie man es sich gewünscht hat, kann zumeist keine Rede mehr sein. Eine Arbeitnehmerin, die sich während ihres Winterurlaubs 2020 mit dem Sars-Cov-2-Virus infizierte und daher eine Quarantäneanordnung erhielt, wollte das so nicht hinnehmen und verlangte von ihrem Arbeitgeber, dass er die fünf Urlaubstage nochmals gewährt. Da der Arbeitgeber dieser Forderung nicht nachkam, machte die Arbeitnehmerin dies gerichtlich vor dem Arbeitsgericht Bonn geltend.

Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs bei Krankheit nur mit ärztlichem Zeugnis

Das Arbeitsgericht Bonn (Urteil vom 7.Juli 2021 zum Az.: 2Ca 504/21) hat entschieden, dass die Arbeitnehmerin im konkreten Einzelfall keine Nachgewährung des Urlaubs verlangen kann.

Eine Regelung für ein zeitliches Zusammentreffen von Urlaub und Krankheit ist in § 9 BurlG zu finden. Nach dieser Vorschrift werden auf den Jahresurlaub diejenigen Tage nicht angerechnet, an denen ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin arbeitsunfähig ist und dies durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird. Wird die Quarantäne also angeordnet, weil ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin sich tatsächlich mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert hat, und wird von einem Arzt daher eine Arbeitsunfähigkeit attestiert, findet nach § 9 BurlG keine Anrechnung der Krankheitstage auf den Urlaub statt.

Im zu entscheidenden Fall erkannte das Arbeitsgericht Bonn aber, dass der Nachweis einer Infektion und die Vorlage der Quarantäneanordnung nicht mit dem Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Zeugnis gleichzustellen ist. Die Urlaubstage seien vom Arbeitgeber nur dann nachzugewähren, wenn der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig war und die Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird.

Mit Blick auf den Regelungszweck von § 9 BUrlG überzeugt die Sichtweise des Arbeitsgerichts Bonn. § 9 BUrlG soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor schützen, dass sie durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ihren Urlaubsanspruch verlieren. Denn wenn ein Arbeitnehmer bereits durch die Arbeitsunfähigkeit von seiner Arbeitspflicht befreit ist, kann diese Pflicht nicht erneut durch den Urlaub erfolgen. Bei einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus und einer daher folgenden Quarantäne besteht diese Verknüpfung aber nicht zwangsläufig. Arbeitsunfähig sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nämlich erst dann, wenn sie ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben können oder objektiv nicht ausüben sollten, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde (vgl. BAG Urteil vom 9.April 2014 zum Az.: 10 AZR 637/13). Bei einem leichten oder gar symptomlosen Krankheitsverlauf muss die Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus also nicht zwangsläufig zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Ob eine Arbeitsunfähigkeit besteht, muss also im Einzelfall von einem Arzt geprüft und durch Attest bescheinigt werden.

Gegen die zuvor genannte Sichtweise könnte man anbringen, dass doch die Anordnung der häuslichen Quarantäne faktisch dazu führt, dass die Ausübung der Arbeit unmöglich ist. Der oder die betroffene Beschäftigte darf seine/ihre Wohnung immerhin nicht verlassen und kann somit nicht zu seiner/ihrer Arbeitsstelle gelangen. Diese Bedenken überzeugen aber nur bedingt, wenn man einen Blick auf die Vielzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirft, die ihre Tätigkeit im Homeoffice zuletzt erledigt haben und immer noch erledigen.

Letztlich ist aber auch bei allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nicht im Homeoffice tätig werden können, eine strenge Trennung zwischen Arbeitsunfähigkeit und Unmöglichkeit der Arbeitserbringung vorzunehmen. Voraussetzung für die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit ist nämlich auch das sogenannte Prinzip der Monokausalität. In den Fällen mit einem leichten oder gar symptomlosen Krankheitsverlauf verhindert oftmals nicht die Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus die Arbeitsaufnahme, sondern die Anordnung der häuslichen Quarantäne. Das führt dann nicht zu einer arbeitsunfähig, sondern zu einer anderweitigen Arbeitsverhinderung, für die der Gesetzgeber zwar eine Regelung zur Vergütung (vgl. § 616 S. 1 BGB), aber nicht hinsichtlich des damit zusammenfallenden Urlaubs vorgesehen hat.

Verdachtsfall und Kontaktperson: Fälle ohne Infektion

Dieses rechtlich konsequente Ergebnis erscheint einigen auf den ersten Blick ungerecht, vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Konstellation auch alle betrifft, bei denen eine Covid-19-Infektion gar nicht nachgewiesen wird, sondern die Quarantäne als Kontaktperson oder als Verdachtsfall angeordnet wird. Daher wird in der juristischen Literatur vertreten, dass § 9 BUrlG in diesen Fällen entsprechend anzuwenden sei und so ein Anspruch auf Nachgewährung entstehe.

Gegen diesen Ansatz sprechen jedoch gewichtige Argumente. Zum einen ist zu beachten, dass der Arbeitgeber keinen Urlaubserfolg – also vor allem Erholung – schuldet. Der Arbeitgeber hat mit der Festlegung des Urlaubszeitraums sowie der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgeltes alles seinerseits Erforderliche getan, um den Urlaubsanspruch zu erfüllen. Nach der Festlegung des Urlaubs eintretende urlaubsstörende Ereignisse fallen daher auch grundsätzlich in den Risikobereich des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. Das BAG hat aus diesem Grund zum Beispiel auch schon entschieden, dass sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten im Anschluss an eine Kündigung, aufgrund derer ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin seinen/ihren Wohnort längerfristig nicht verlassen konnte, nicht dazu führen, dass der Urlaub nochmals gewährt werden musste. Zum anderen ist zu beachten, dass die gesetzlichen Sonderreglungen in §§ 9, 10 BUrlG nicht verallgemeinerungsfähig sind und daher nicht entsprechend auf andere urlaubsstörende Ereignisse, wie eine angeordnete Quarantäne, angewendet werden dürfen.

Fazit

Wird der gewährte Urlaub durch die Anordnung einer Quarantäne beeinträchtigte, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Neugewährung des beeinträchtigten Urlaubs. Das Risiko einer behördlich angeordneten Quarantäne während des Erholungsurlaubs fällt in die Risikosphäre der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Anders kann es nur dann aussehen, wenn die Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus erfolgt und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit im konkreten Fall durch ein ärztliches Attest bescheinigt wird. Im Fall einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus ist es für die Nachgewährung des Urlaubs hingegen nicht ausreichend, dass ein positiver Test und die korrespondierende Quarantäneanordnung vorliegen. Auf dieser Grundlage muss der Arbeitgeber den Urlaub nicht nachgewähren.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

Weitere Artikel