Unterzeichnung per elektronischer Signatur im Arbeitsrecht

Arbeitsrecht

Das Arbeitsgericht Berlin hatte zu entscheiden, ob eine Befristung mit elektronischer Signatur wirksam ist. Was ist beim Schriftformerfordernis zubeachten?

Jüngst hat in Berlin die Streitigkeit des Lieferdienstes Gorillas mit ihren „Ridern“ ein presseträchtiges Schlaglicht auf das Thema geworfen. Die Firma hatte alle befristeten Arbeitsverträge mit den Fahrradkurieren mit einer elektronischen Signatur abgeschlossen. Mitarbeiter:innen machen im Wege einer Befristungskontrollklage geltend, dass diese Verträge deshalb formunwirksam seien und daher gemäß § 16 Teilzeit und Befristungsgesetz (TzBfG) als unbefristet abgeschlossen gelten. Im Gütetermin musste sich der Arbeitgeber bereits kritische Worte des Richters gefallen lassen. Das Arbeitsgericht Berlin, 20.Kammer, entscheidet voraussichtlich am 09. Februar 2022 (Aktenzeichen 20 Ca 8498/21 und 20 Ca 8500/21). Eine andere Kammer hat schon im September des Jahres entschieden (siehe unten).

Worum geht es?

Das Schriftformerfordernis des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, § 14 Abs. 4 TzBfG, bewirkt, dass eine Befristung nur wirksam ist, wenn beide Seiten vor Aufnahme der Tätigkeit das Vertragsdokument auf einer Urkunde unterschrieben haben. Ist eine Befristung nicht wirksam, kann das dann automatisch als unbefristet abgeschlossen geltende Arbeitsverhältnis bei Betrieben mit in der Regel mehr als zehn Mitarbeiter:innen nur unter den strengen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes beendet werden. Das Schriftformerfordernis greift übrigens auch wieder ein, wenn eine befristete Beauftragung mit freien Mitarbeitenden oder auf der Basis von Werkverträgen als ein verdecktes Arbeitsverhältnis aufgedeckt wird. Hier liegt dann plötzlich auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vor, das unter Umständen schwer zu kündigen ist.

Die Versuchung, sich bei Vertragsschlüssen einer elektronischen Signatur zu bedienen, ist nur zu verständlich. Dies entspricht dem Trend zur Vereinfachung von Abläufen durch Digitalisierung. Jedoch müssen Arbeitgeber noch sehr vorsichtig darauf achten, welche der Signaturmöglichkeiten in welcher Konstellation in den Einsatz kommt.

Ob und in welchen Fällen die Unterschrift auch per elektronischer Signatur rechtswirksam ist, ist in der arbeitsrechtlichen Literatur für einige wichtige Konstellationen umstritten, ein Urteil des BAG gibt es dazu ebenso wenig wie Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte.

Grundsätzlich gilt gemäß § 126 BGB, dass ein Schriftformerfordernis nur dann gewahrt ist, wenn eine Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wurde. Bei einem Arbeitsvertrag muss die Unterzeichnung beider Seiten grundsätzlich auf derselben Urkunde erfolgen. Nach § 126 Abs.3 BGB kann diese strenge schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Die elektronische Form wiederum erfordert gemäß § 126 a Abs. 1 BGB, dass die Erklärung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) versehen wird.

Erste Entscheidung eines Arbeitsgerichts in dieser Frage

Erst kürzlich das Arbeitsgericht Berlin, hier die 36. Kammer, eine Befristung in einem Arbeitsvertrag mit elektronischer Signatur für unwirksam erklärt (Urteil vom 28. September 2021, 36 Ca 15296/20).

Es wird von einer stärker werdenden Meinung vertreten, dass ein gesetzliches Schriftformerfordernis im Sinne der §§ 126 Abs.3 und 126a BGB auch bei dem Schriftformerfordernis nach § 14 Abs.4 TzBfG durch die Erklärung mittels QES gewahrt werden kann. Aber es ist anzumerken, dass dies bei der Frage der formwirksamen Befristung derzeit durchaus noch umstritten ist. Die 36. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin hält die Wahrung des Schriftformerfordernisses durch eine QES immerhin schon für „denkbar“. Es entschied sich jedoch damit nicht ausdrücklich für die eine oder die andere Rechtsmeinung. Vielmehr konnte die Kammer dies offenlassen, denn jedenfalls lag nach ihren Feststellungen eine solche QES im Sinne von § 126 a BGB nicht einmal vor. Diese nämlich erfordere die Zertifizierung des für die Signatur eingesetzten Systems durch die Bundesnetzagentur nach Artikel 30 der EU-Verordnung vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-VO). Eine solche Zertifizierung war aber in dem Streitfall von der Arbeitgeberin gerade nicht veranlasst worden. Bei Verfassen dieses Artikels war das Urteil noch nicht rechtskräftig, wegen einer Zustellung des Urteils erst im Oktober läuft die Berufungsfrist erst mit Ablauf des 25. November 2021 ab.

Die elektronische Signatur im Kontext

Die eIDAS-VO kennt die einfache, die fortgeschrittene und die qualifizierte Signatur. Nur letztere kann überhaupt das Schriftformerfordernis des § 126 in Verbindung mit § 126 a BGB in der Gestalt der elektronischen Form wahren. Für die tägliche Praxis der Arbeitgeber bei grenzüberschreitenden Verträgen ist noch interessant, dass nach Art. 25 Abs. 3 eIDAS-VO qualifizierte elektronische Signaturen, die auf einem in einem Mitgliedstaat ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruhen, in allen anderen Mitgliedstaaten als QES anerkannt werden.

Die QES hat eine weitere bedeutende Rechtsfolge, die in Zivilprozessen zum Tragen kommt: Mit ihr wird der Anscheinsbeweis hinsichtlich der Echtheit eines Dokuments im Prozess erbracht (§ 371 a Abs.1 Satz 2 ZPO). Zugleich beweist sie, dass eine Erklärung tatsächlich von dem Aussteller abgegeben wurde.

Tatsächlich dürfen im Arbeitsrecht diverse Erklärungen durchaus ohne Schriftform erfolgen. Abmahnungen können beispielsweise sogar mündlich (wenngleich aus Beweisgründen nicht zu empfehlen) und auch über eine einfache oder fortgeschrittene elektronische Signatur ausgesprochen werden. Hier reichen dann sogar einfach gescannte Unterschriften aus.

Sogar der Arbeitsvertrag selbst kann mündlich, aus den Umständen heraus (konkludent) oder durch den Austausch einfacher elektronischer Signaturen abgeschlossen werden. Zwar ist derzeit gemäß § 2 Abs. 1 S. 3 Nachweisgesetz (NachwG) der Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen des Arbeitsvertrages in elektronischer Form noch ausdrücklich ausgeschlossen (also auch die QES). Ein Verstoß dagegen führt nach der einhelligen Auffassung in der Literatur aber nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages. Jedoch ist die für den Arbeitgeber nachteilige Folge, dass zu seinen Ungunsten eine Beweislastumkehr im Prozess zur Frage eintritt, welche Arbeitsbedingungen vereinbart sind. Deswegen ist auch hier bis auf Weiteres zu raten, die wesentlichen Arbeitsbedingungen innerhalb der Monatsfrist, § 2 Abs.1 Nachweisgesetz, tatsächlich in der strengen Schriftform festzuhalten.

Aber zur Erinnerung: Nach wie vor kann die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag rechtswirksam nicht in elektronischer Form – auch nicht durch eine QES – erfolgen. Hier schreibt § 623 BGB immer noch das klassische Schriftformerfordernis vor, diese Dokumente müssen also zwingend die Originalunterschrift der Erklärenden tragen. Übrigens wird überwiegend auch in Bezug auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote gemäß § 74 Abs1 HGB vertreten, dass nur die strenge Schriftform des § 126 BGB für eine wirksame Wettbewerbsabrede ausreiche.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass auch bei der Erteilung eines Arbeitszeugnisses die elektronische Form ausgeschlossen bleibt, § 109 Abs. 3 Gewerbeordnung.

Fazit und Ausblick

Allen Arbeitgebern ist zu raten, sehr genau auf den Fall zu schauen, wenn die vermeintliche Vereinfachung durch digitalisierte Verfahrensabläufe in Anspruch genommen werden soll. Es lohnt sich, hier nicht übereilt zu handeln und genau zu prüfen, ob und welche elektronische Unterschrift im Arbeitsrecht eingesetzt wird.

Die Frage der wirksamen elektronischen Signatur bei Befristungsfällen wird voraussichtlich, kommt es nicht in allen Verfahren zu Vergleichen, im Februar 2022 noch einmal erstinstanzlich vor dem Arbeitsgericht Berlin bewertet. Es ist davon auszugehen, dass hiergegen Berufung eingelegt wird, so dass Rechtssicherheit in dieser Frage noch auf sich warten lässt.

Eine weitere EU-Richtlinie 2019/1152/EU über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU wird bis zum 1. August 2022 durch den deutschen Gesetzgeber umzusetzen sein. Anders als nach dem bis dahin auslaufenden Nachweisgesetz, können an die Arbeitnehmer:innen dann die wesentlichen Bedingungen ihres Arbeitsverhältnisses in elektronischer Form übermittelt werden, wenn die Informationen tatsächlich für sie zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- und Empfangsnachweis erhält.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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