Wenn Behörden Druck machen

Arbeitsrecht

Kündigungen auf Basis behördlicher Forderungen engen den Handlungsrahmen von Personalabteilungen enorm ein. Dennoch haben HR-Manager einige Möglichkeiten, solche Situationen zu vermeiden oder zu entschärfen.

HR-Abteilungen international agierender Unternehmen sehen sich im Hinblick auf personelle Einzelmaßnahmen zunehmend neuen Herausforderungen ausgesetzt, auf die sie in der Regel selbst keinen Einfluss nehmen können. Dies ist ungewöhnlich, da HR-Abteilungen Personalprozesse in der Regel selbst steuern oder zumindest bei der Planung und der Umsetzung eine aktive Rolle einnehmen. Bei diesen neuen Herausforderungen handelt es sich um die Anordnung struktureller, insbesondere personeller Maßnahmen durch nationale oder ausländische Behörden, die von der HR-Abteilung auszuführen sind. Ein kürzlich vom Landesarbeitsgericht Hessen (Az:18 Sa 1498/15) entschiedener Sachverhalt dient insoweit als Blaupause für das Spannungsfeld, in dem sich HR-Abteilungen bewegen.

Unternehmen versuchen Absprachen zu treffen

Die skizzierte Problematik kann zum Beispiel dann relevant werden, wenn ein Unternehmen Ziel einer aufsichtsrechtlichen oder sonstigen behördlichen Untersuchung ist. Empfindliche unmittelbare Sanktionen wie Bußgelder oder behördliche Auflagen, beispielsweise der Entzug von Lizenzen, sind zu befürchten. Nicht minder schwer wiegt der drohende mittelbare Schaden in Form von Reputationsverlust. Häufig streben Unternehmen in dieser Zwangslage Absprachen mit der Behörde an, um die finale Sanktion in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten. Dass solche Untersuchungen und das Streben nach deren Beendigung durch eine einvernehmliche Regelung nicht die Ausnahme sind, zeigen beispielhaft aktuell anhängige Verfahren gegen deutsche Unternehmen in den USA. Als „Gegenleistung“ für eine Einigung zu wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen verlangt die ermittelnde Behörde oft, dass das Unternehmen verschiedene interne Maßnahmen trifft.

Den hiesigen Personalabteilungen kommt dann die mitunter undankbare Aufgabe zu, Maßnahmen, die Teil einer komplexen Absprache mit einer Behörde sind, im Inland umzusetzen. Bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen müssen die HR-Abteilungen gleichwohl die strengen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland einhalten. In dem vom LAG Hessen entschiedenen Fall traf dies eine deutsche Großbank. Diese sah sich nach dem Inhalt einer Verständigung mit einer New Yorker Finanzbehörde dazu gezwungen, bestimmte Mitarbeiter in Deutschland zu entlassen. Die Kündigungen hielten einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung jedoch nicht stand. Nach zutreffender Ansicht des Gerichts muss die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines in Deutschland tätigen Mitarbeiters den Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes gerecht werden. Die bloße Verpflichtung zur Umsetzung einer personellen Maßnahme, die im Wege einer Verständigung mit der Behörde vereinbart wurde, bildet aber für sich betrachtet noch keinen gesetzlichen Kündigungsgrund.

Auch die – in jedem Einzelfall zu überprüfende – Tatsache, dass bei einer fehlerhaften oder ausbleibenden Umsetzung einer solchen Verständigung empfindliche Strafen drohen, ist nicht ausreichend, um die arbeitsrechtliche Überprüfbarkeit entsprechender Maßnahmen zu beschränken. Vielmehr ist stets „aufs Neue“ eine beabsichtigte Maßnahme am Maßstab arbeitsrechtlicher Vorschriften zu messen. Dies ist aus Sicht der HR-Abteilung mehr als unbefriedigend, da die Situation einer Wahl zwischen „Skylla und Charybdis“ gleicht: Werden die in der einvernehmlichen Regelung vorgesehenen Maßnahmen des Unternehmens nicht vollständig umgesetzt, drohen erneut empfindliche Strafen. Werden hingegen personelle Maßnahmen trotz arbeitsrechtlicher Bedenken absprachegemäß umgesetzt, begibt das Unternehmen sich mitunter in die Gefahr von arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten.

Insbesondere im Bereich der Finanzindustrie sind behördliche Untersuchungen einschließlich ihres Abschlusses durch eine Verständigung seit der Aufarbeitung der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 gängige Praxis. Zumeist verlangen die Behörden, dass die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern, die an einem „gesetzeswidrigen“ System beteiligt waren, beendet werden. Aufgrund einer derartigen Anordnung ausgesprochene Beendigungskündigungen sind gleichwohl voll überprüfbar. Sie müssen die strengen richterrechtlichen Anforderungen an eine sogenannte Druckkündigung erfüllen. Eine Druckkündigung liegt vor, wenn von einem Arbeitgeber intern, zum Beispiel durch die Belegschaft, oder extern, beispielsweise durch Kunden oder sonstige Dritte, die Entlassung eines bestimmten Mitarbeiters gefordert wird und gleichzeitig für den Fall, dass das nicht geschieht, Nachteile angedroht werden, wie Eigenkündigungen in großer Anzahl oder der Abbruch von Geschäftsbeziehungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können solche Situationen im Grundsatz geeignet sein, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des betroffenen Arbeitnehmers zu rechtfertigen.

Strenge Anforderungen an die Druckkündigung

Der Rechtsprechung ist zuzustimmen, da nicht das Wohl des Einzelnen über das Wohl einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern gestellt werden kann. Gleichwohl ist eine solche Kündigung an besonders strenge Anforderungen gebunden, da Arbeitnehmer den Grund für die Kündigung, das heißt die „Drucksituation“, gegebenenfalls nicht selbst schuldhaft verursacht haben. Steht eine sogenannte echte Druckkündigung im Raum, also eine Kündigung, der nicht ein ausreichender Grund in der Person oder im Verhalten des betroffenen Arbeitnehmers zugrunde liegt, so erfordert die Wirksamkeit dieser Kündigung eine vorherige aktive Verteidigung des betroffenen Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber. Ausgehend von der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist dieser in solchen Situationen nämlich zunächst verpflichtet, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Das würde in der Theorie bedeuten, dass ein betroffenes Unternehmen einer etwaigen „Entlassungsauflage“ einer amerikanischen Behörde entgegentreten und die Entlassung von bestimmten Arbeitnehmern ablehnen muss. In der Praxis wird eine derartig offensive Verteidigung nicht zuletzt vor dem Hintergrund der drohenden wirtschaftlichen und finanziellen Nachteile zwar oft nicht gangbar sein; diese praktischen Erwägungen allein sind gleichwohl nicht ausreichend, um eine Entlassung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens erfolgreich zu verteidigen.

Kündigung als allerletztes Mittel

Somit erscheinen solche Situationen auf den ersten Blick kaum lösbar: Gleichgültig, welche Entscheidung das Unternehmen trifft, es geht ein nicht final kalkulierbares Risiko ein. Jedoch gibt es von Unternehmensseite Möglichkeiten, um eine Druckkündigung vorzubereiten: Zunächst sollte gegenüber Behörden klar und nachweisbar (etwa im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme oder eines Gesprächsprotokolls) kommuniziert werden, dass eine Kündigung des Arbeitnehmers, sofern diese im Raum steht, nur das allerletzte Mittel einer geforderten strukturellen beziehungsweise personellen Maßnahme sein kann. Hiermit setzt man die Fürsorgepflicht (zumindest teilweise) um.

Ebenso sollte nachweislich vertreten werden, dass auch mildere Mittel, wie zum Beispiel eine Versetzung des Mitarbeiters, mögliche Alternativen wären, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer nicht mehr im gleichen Wirkungskreis tätig ist und somit nicht mehr die streitigen Verstöße erneut begehen kann. Sofern die Behörde hingegen eine Entlassung als notwendig erachtet – eine solche „Politik der Abschreckung“ ist von einigen hochrangigen Vertretern von Aufsichtsbehörden zum Teil öffentlich vertreten worden, etwa von Benjamin Lawsky vom New York State Department of Financial Services –, sollte das Unternehmen darauf hinwirken, dass eine entsprechend eindeutige Auflage erteilt wird. Etwaige Unklarheiten der Auflage bei der Definition der umzusetzenden Maßnahmen, insbesondere wenn ein Ermessensspielraum bei der Wahl der Mittel in Betracht kommt, wirken sich in der Regel nämlich zu Lasten des Unternehmens aus. Unternehmen sollten ferner – sofern möglich – nicht proaktiv die Entlassung von bestimmten Arbeitnehmern anbieten, sondern sich dieser Option allenfalls als Reaktion auf eine Aufforderung der Behörde annehmen. Die Beachtung dieser Grundsätze stärkt die Position eines Unternehmens in einem etwaigen arbeitsgerichtlichen Verfahren in Deutschland. So kann zum einen die „Drucksituation“ nachvollziehbar dargelegt und zum anderen detailliert nachgewiesen werden, dass nicht einfach Arbeitnehmer zum Zwecke einer Einigung mit Behörden „geopfert“ wurden, sondern dass das Unternehmen aktiv um den Erhalt ihrer Arbeitsverhältnisse gekämpft hat.

Im Rahmen von laufenden behördlichen Untersuchungen und damit zusammenhängenden Gesprächen über eine einvernehmliche Lösung ist das Unternehmen in der Regel in die Defensive gedrängt. Faktisch steht allein Schadensbegrenzung im Vordergrund. Um nicht allein auf die Güte und Nachsicht einer Behörde vertrauen zu müssen, können und sollten Unternehmen daher nicht nur über mögliche Defensivstrategien nachdenken, sondern auch ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Prävention von Gesetzesverletzungen im Blick behalten. Hierdurch kann erreicht werden, dass Untersuchungen durch Aufsichtsbehörden gar nicht erst stattfinden oder eine günstigere Ausgangsbasis geschaffen wird, um Untersuchungen zügig zu beenden respektive die Ausgangsbasis für Vergleichsgespräche deutlich zu verbessern. Wichtig ist hierbei, dass Unternehmen in erster Linie ihre Compliance-Struktur prüfen.

Verhaltensrichtlinien implementieren

Vor dem Hintergrund zuvor beschriebener Risiken sollten zunächst die Unternehmensbereiche oder -abteilungen individualisiert werden, die typischerweise Ziel behördlicher Untersuchungen sind. So stehen im Fokus der Finanzaufsicht regelmäßig eher „Trader“ oder „Broker“ als Mitarbeiter des IT-Supports. Die sodann individualisierten Bereiche sollten regelmäßig hinsichtlich der potenziellen Risiken sensibilisiert werden, etwa im Rahmen von Schulungen. Idealerweise werden bestimmte Verhaltensrichtlinien („Code of Conduct“) implementiert. Es sollte auch bewusst das Thema Druckkündigung angesprochen werden. Dabei geht es nicht darum, Angst bei den Arbeitnehmern zu verbreiten, sondern mögliche Konsequenzen aufzuzeigen, die unabhängig vom Willen des Unternehmens eintreten können. Je nachdrücklicher Mitarbeiter nachweislich über ihre Pflichten und etwaige Folgen ihrer Verletzung aufgeklärt wurden, desto größer ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Wahrscheinlichkeit, dass arbeitsrechtliche „Sanktionsmaßnahmen“ auf Fehlverhalten rechtswirksam durchgesetzt werden können. Nicht zuletzt wirkt sich die Existenz einer umfassenden und funktionsfähigen Compliance-Struktur sowie die Darlegung, dass aktiv Maßnahmen zu ihrer Um- und Durchsetzung getroffen werden, erfahrungsgemäß auch bei behördlichen Untersuchungen zugunsten eines Unternehmens aus.

HR-Abteilungen können somit durch eigenes Handeln einen proaktiven Beitrag leisten, um die skizzierte Problematik zu vermeiden oder zumindest ihre etwaigen nachteiligen Folgen für das Unternehmen abzuschwächen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Rainer Thum, Foto: Privat

Rainer Thum

Rechtsanwalt und Partner
Stockum & Partner mbB
Rainer Thum ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Stockum & Partner Rechtsanwälte und Steuerberater mbB.

Weitere Artikel