Nick Dunnett, Geschäftsführer Deutschland und Schweiz von Robert Walters, erklärt, warum beim Thema Frauen in Führungspositionen noch immer viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist.
Herr Dunnett, schaffen es heutzutage mehr Frauen in die Top-Managementpositionen?
Nick Dunnett: In der Tat arbeiten in Deutschland aktuell mehr Frauen in Management- und Führungspositionen als noch vor fünf Jahren. Die Nachfrage nach weiblichen Kandidaten ist aber weitaus höher als das Angebot. Der Markt gibt momentan einfach nicht genug her, daher ist der Wettbewerb besonders hart.
Allgemein sehen wir, dass in Deutschland am Anfang der Karriere, zum Beispiel bei Vertriebsmitarbeitern, ein Verhältnis von Männern zu Frauen von 51 zu 49 Prozent besteht. Je weiter die Karriere voranschreitet, desto mehr verschiebt sich die Situation. Auf Manager-Ebene rutscht das Verhältnis auf 67 Prozent Männer und 33 Prozent Frauen. In der Vorstandsetage gibt es sogar nur 25 Prozent Frauen. Das zeigt, dass Unternehmen eigentlich mit einem ausgeglichenen Gender-Verhältnis starten, aber wenig Frauen in Management- oder Vorstandspositionen arbeiten, wodurch das vorhandene Mitarbeiterpotenzial nicht voll ausgeschöpft wird.
Was tun Unternehmen derzeit dagegen?
Ein Trend, der langsam auch in Deutschland spürbar wird, ist der Verzicht auf Bewerbungsfotos oder sogar die Nennung des Vornamens in Lebensläufen. Das ist im angloamerikanischen Raum schon lange üblich, denn es verhindert voreingenommene Entscheidungen aufgrund des Geschlechts, Alters oder der Nationalität und hebt objektive Kriterien hervor. Damit nehmen internationale Firmen in Deutschland aktuell eine Vorreiterrolle bei der Gleichstellung von Mitarbeitern ein.
Im Allgemeinen fällt uns jedoch auf: Unternehmen arbeiten zwar daran, sogenannte „Unconscious Bias“ im Bewerbungsprozess zu vermeiden und unvoreingenommene Entscheidungen zu treffen, die auf den Qualifikationen basieren. Allerdings bevorzugen die Fachentscheider letztendlich dennoch oft die männlichen Kandidaten. Ihnen fehlt eine konkrete Vision, wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit diversen Teams – Männer und Frauen, ältere und jüngere, unterschiedliche Nationalitäten – aussehen könnte. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, sonst wird allein aus der Unsicherheit heraus der altbekannte Weg gewählt.
Entstehen denn irgendwelche Nachteile, wenn Unternehmen ihre Führungspositionen mit Frauen besetzen?
Nein, es entstehen keine Nachteile, wenn Frauen Führungspositionen besetzen – im Gegenteil. Diverse Teams bringen in jeder Hinsicht Vorteile – ganz unabhängig von Geschlecht, Alter oder Nationalität. Mehr noch. Gemischte Teams wirken sich positiv auf die Arbeitgebermarke aus und bringen das Unternehmen auch mit Blick auf die Geschäftsentwicklung weiter – denn unterschiedliche Personen steuern immer mehr und kreativere Ideen bei.
Frauen in Führungspositionen haben zudem Signalwirkung. Sie sind wichtig für die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Bindung an das Unternehmen. Denn sobald ein Vorstand oder Management aus unterschiedlichen Persönlichkeiten besteht, greift der sogenannte Role-Model-Effekt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Gemischte Teams in der Unternehmensführung machen es auch einfacher, neue qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, da die Unternehmenskultur offener und transparenter wahrgenommen wird.
Vorurteile wie die einer geringeren Belastbarkeit von Frauen mit Kindern und Eltern im Allgemeinen lassen sich heutzutage mit dem Argument passender Technologien und Innovationen auflösen. Dafür gibt es flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice- und Jobsharingangebote.
Was raten Sie Frauen aus der Perspektive eines Headhunters?
Frauen dürfen sich von Vorurteilen nicht unterkriegen lassen. Es ist wichtig, von seinen Leistungen und Erfolgen überzeugt zu sein und diese stichhaltig zu kommunizieren. Rückschläge gehören beim Thema Diversität dazu. Aber je mehr Frauen ihre Stärken entwickeln und je mehr Menschen – egal welchen Geschlechts, Alters, Nationalität – dieses Thema voranbringen und dazu stehen, je höher wird der Druck auf Unternehmen. Bei der Jobsuche sollten Frauen deshalb unbedingt Unternehmen bevorzugen, die Diversität aktiv unterstützen und leben.
Nick Dunnett, Managing Director Germany & Switzerland, arbeitet bereits seit fast 20 Jahren für die Robert Walters Group, eine führende Personalberatung mit Büros in mehr als 30 Ländern der Welt. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei in der Vermittlung von Führungskräften, sowohl in Festanstellung als auch auf Interimsbasis.