Wenn ein Paar miteinander in den Urlaub fährt, kann das ihre Beziehung beleben. Aber: Ein Ersatz für eine positive Beziehung und ein gutes Miteinander im Alltag ist der Urlaub nicht. Auch noch so viele Urlaubstage können Defizite im Alltag der Beziehung nicht heilen.“ Der promovierte Wirtschaftspsychologe und Vorstand der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft (WPGS), Florian Becker, zieht dies gerne als Vergleich heran, wenn er über die Erwartungen von Unternehmen an teambildende Maßnahmen wie Spiele spricht. Denn auch der Effekt von Teamspielen verpufft seiner Ansicht nach schnell. Man finde hier abseits der Arbeitsaufgaben zusammen und lenke allzu oft von den eigentlichen Herausforderungen im Team ab, sagt der Autor des Buches Teamarbeit, Teampsychologie, Teamentwicklung. Damit meint er nicht etwa, dass Spiele per se keinen Mehrwert bieten. Vielmehr kritisiert er, dass sie oftmals nicht strategisch eingesetzt werden. „Viele Unternehmen nutzen Spiele vorrangig als reine Interventions-Tools, um den Teamgeist zu steigern. Damit schöpfen sie aber ihr eigentliches Potenzial nicht aus – nämlich zu erkennen, wo die Zusammenarbeit optimiert werden könnte“, erläutert Becker. Dem Wirtschaftspsychologen zufolge kommt es dementsprechend darauf an, Spiele als Diagnostik-Tool einzusetzen. Hinschauen, analysieren und reflektieren, so seine Empfehlung. Auf diese Weise könnten Spiele Erkenntnisse liefern und die Teilnehmenden am Erlebten lernen.
Verbindungen im Team stärken
Nach Meinung von Svenja Hofert, Gründerin und Geschäftsführerin der Teamworks GTQ Gesellschaft für Teamentwicklung und Qualifizierung, ist allerdings zu unterscheiden zwischen Teambuilding und Teambonding. Letzteres bedeute nichts anderes, als die Verbindung zwischen den Menschen im Team zu stärken. Bei Teamspielen im Rahmen eines Firmenevents sei dies beispielsweise der Fall. „Beim Teambonding besteht nicht das Ziel, dass die Teilnehmenden Erkenntnisse aus dem Erlebten ziehen beziehungsweise etwas lernen sollen. Die Spiele werden aus dem schlichten Grund veranstaltet, Spaß zu haben“, sagt Hofert. Sie in einen Teamentwicklungsprozess einzubeziehen, ist der vielfachen Autorin zufolge auch nicht ratsam. „Das kriegt dann so ein Geschmäckle“, meint Hofert.
Vorüberlegungen sind wichtig
Ebenso wie Teambonding- sollten auch Teambuilding-Spiele Spaß machen. Allerdings ist dies nicht ihr alleiniger Zweck, und sie gehen mit entsprechenden Vorüberlegungen einher. So ist es wichtig, dass die Verantwortlichen sich zunächst klar darüber werden, was sie eigentlich mit dem Spiel erreichen wollen. Laut Nils Hirschfeld, Gesellschafter und Geschäftsführer von hirschfeld.de, einem Veranstaltungsplanungsunternehmen für Teambuilding und Incentives, sollten die Unternehmen sich dabei bewusst sein, dass sie diese wichtige Vorarbeit für das Gelingen der Maßnahmen selbst leisten müssen und nicht an den Teambuilding-Dienstleister abgeben können. „Wir empfehlen, die Stärken und Schwächen des Teams zu analysieren. In welchen Bereichen liegen diese? Soll demnach zum Beispiel gezielt die Kommunikation unter den Mitarbeitenden gefördert werden oder geht es um die Identifizierung mit einem Projekt?“, erläutert Hirschfeld. Wer so vorgehe, nutze die Chance, dass sich Teamspiele fördernd auf die Teamarbeit auswirke. „Bei klarer Zielstellung können auch tiefer sitzende Probleme in der Arbeitsgruppe beziehungsweise im Projektteam aufgedeckt werden, und es können Ansätze für Lösungen entstehen“, ist der Event-Experte überzeugt.
Spiele lösen keine Konflikte
Kritisch wird es jedoch, wenn es sich um schwerwiegende Probleme und Konflikte im Team handelt. „Hier kann ein Teambuilding-Spiel nur bedingt helfen“, so Hirschfeld. Svenja Hofert rät bei dysfunktionalen Teams gar gänzlich von Teamspielen ab. „Versuchen die Unternehmen mit teambildenden Maßnahmen etwas zu retten beziehungsweise Konflikte zu lösen, geht das in der Regel nicht gut, sondern eher nach hinten los“, weiß sie.
Fazit: Es muss vorher gut geschaut werden, was mit dem Team los ist. Laut Florian Becker kommt dies in den Unternehmen häufig zu kurz. So werde jenseits von eventuellen Konflikten auch selten das Augenmerk darauf gerichtet, welches Verhalten im Team „normal“ sei. „Mitunter herrscht eine toxische Kultur im Team, in der Teamspiele zur Stärkung des Zusammenhalts sich dann eher kontraproduktiv auswirken“, erläutert Becker. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Tendenzen für nicht gewollte Dinge wie mangelnde Kundenorientierung oder wenig Leistungsorientierung bei den Teammitgliedern vorhanden seien. „Wird dies nicht erkannt und der Zusammenhalt bei solchen Teams zusätzlich noch gestärkt, verstärkt das auch die nicht gewollten Verhaltensweisen und falschen sozialen Normen im Team“, so Becker. Bevor man auf Zusammenhalt im Team abzielt, muss seiner Meinung nach daher zunächst an den sozialen Normen gearbeitet werden – mit Fragen wie: Wie geht das Team miteinander um? Wie mit den Kunden? Welche Rolle spielt Leistung für die Teammitglieder? Welcher Umgang herrscht mit Vorschriften? Hierauf müsse im Vorfeld von Teambuilding-Maßnahmen geachtet werden.
Klare Ziele definieren
Die Auseinandersetzung mit dem Team samt einer Situationsanalyse beeinflusst letztlich, was mit dem Spiel erreicht werden soll, und somit wiederum die Entscheidung, welche Art von Spiel eingesetzt wird. „Je nachdem, ob sich ein neues Team kennenlernen soll oder ob es für die Mitarbeitenden gilt, die verschiedenen Rollen in ihrem bestehenden Team besser verstehen zu lernen, ist die Zielsetzung anders gelagert“, gibt Svenja Hofert ein Beispiel. Darüber hinaus sei die Zielsetzung in der Regel je nach Berufsgruppen unterschiedlich. „In einem Projektteam, das immer wieder neu zusammengewürfelt wird, sind die Herausforderungen in der Zusammenarbeit andere als zum Beispiel in einem Sachbearbeiter-Team, das in einer festen Besetzung arbeitet“, sagt Hofert. Darüber hinaus sei zu schauen: Ist das Team homogen oder heterogen? Was ist insgesamt für den Teamerfolg entscheidend? Kreativität und Innovation, Kommunikation und Kooperation? Oder soll der Schwerpunkt auf fokussiertem Arbeiten liegen?
Bei der Spieleauswahl Unternehmenskultur beachten
Für jeden dieser Bereiche haben die Anbieter ihre Produkte. So gibt es etwa eher sportliche Outdoor-Spiele, Spiele für ein aktives Miteinander drinnen, Spiele, bei denen es ums Tüfteln und Bauen geht, Spiele, bei denen ein Kriminalfall gelöst werden soll oder Vergleichbares. Auch in Büchern und auf speziellen Portalen sind Teamspiele zu finden. „Die Auswahl ist riesig. Letztlich ist aber gar nicht entscheidend, für welches Spiel man sich konkret im jeweiligen Cluster entscheidet“, sagt Hofert. In den Ausschreibungen für die von ihrem Unternehmen angebotenen Teambuildings stehe daher lediglich „aktivierendes Spiel“. Wichtig ist jedoch, dass das Spiel zur Organisationskultur passt. Darauf macht Florian Becker aufmerksam. Schließlich solle ein Spiel von den Teilnehmenden akzeptiert sein und nicht abgelehnt werden. „Ein Spiel, dass in einem jungen IT-Start-up Begeisterung auslöst, passt nicht automatisch zu älteren Juristen, die in einer Stadtverwaltung Referate und Abteilungen leiten – und umgekehrt“, so Becker. Weiß man um die Unternehmenskultur, ist die Spieleauswahl laut Becker vor allem eine Frage der sozialen Kompetenz. „Es ist eine gewisse Empathie gefordert, was den Mitarbeitenden im Team liegt und ihnen Spaß macht“, sagt der Wirtschaftspsychologe. Im Zweifel, so rät Nils Hirschfeld, tue man gut daran, die Teammitglieder in die Entscheidung für die Spieleauswahl einzubeziehen – egal ob es um Teambuilding oder um Teambonding gehe. Auch die grundsätzliche Idee, ein Spiel spielen zu wollen, sollte kommuniziert werden. „Ich rate davon ab, die Mitarbeitenden bei einer Firmenfeier mit einem Spiel zu überraschen. Manch einer fühlt sich in einer solchen Situation überrumpelt und hat das Gefühl, mitspielen zu müssen, obwohl er oder sie gar nicht will“, so Hirschfeld.
Freiwilligkeit als oberstes Gebot
Freiwilligkeit beim Spielen ist oberstes Gebot. „Wenn gewünscht ist, dass alle mitmachen, sollte das auch ein demokratischer Entscheidungsprozess sein“, bringt es Svenja Hofert auf den Punkt. Wichtig sei, dass sich alle Mitspielenden wohlfühlen, niemand dürfe gezwungen oder überredet werden. Das gelte einmal mehr, wenn es um ein Spiel mit viel körperlicher Aktivität gehe. „Wenn offensichtlich oder auch nur zweifelhaft ist, dass ein Spiel nicht den körperlichen Möglichkeiten eines oder mehrerer Mitarbeitenden entspricht, sollte vorsichtshalber auf das Spiel verzichtet oder auf ein Spiel ohne körperliche Anstrengungen ausgewichen werden. „Bodyshaming ist ein sehr sensibles Thema, über das die Betreffenden in der Regel nicht sprechen“, begründet Hofert. Eben weil sie sich nicht trauen oder nicht „bloßgestellt“ werden wollen. „Für jemanden, der beispielsweise mit in einen Hochseilgarten geht, weil er oder sie mithalten will, kann das regelrecht traumatisierende Auswirkungen haben“, so Hofert. Verantwortung für die Mitarbeitenden muss immer Vorrang haben vor dem Spaß!
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