Wenn Glück zur Unternehmensvision wird

Glücksfaktoren

Arbeitszeit ist Lebenszeit. Wer strebt daher nicht nach einem Job, in dem er glücklich ist?! Aber auch Arbeitgeber sollten ein Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeitenden glücklich sind. Denn Menschen, die Liebe, Kraft, Freude und Begeisterung finden, in dem was sie tun, sind weit häufiger produktiv als andere. Und – in Zeiten des Fachkräftemangels entscheidend – sie bleiben auch länger im Unternehmen. Das schreibt Marcus Buckingham, Head of Performance Research am ADP Research Institute des US-Personaldienstleisters ADP, in seinem 2022 erschienenen Buch Love and Work. How to Find What You Love, Love What You Do, and Do It for the Rest of Your Life. Stellt sich die Frage, was dazu beiträgt, dass die Mitarbeitenden diesen Zustand des Glücks erleben.

Da Glück ein weicher Faktor und noch dazu unscharf definiert ist, fällt es schwer, greifbar zu machen, was Glück im Job konkret ausmacht. Das bestätigen selbst diejenigen, die sich mit dem Thema in der Praxis näher befassen. Etwa Marie Thümler, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Otto Richter in Berlin. In dem mittelständischen Unternehmen, das auf die Gebäudesanierung und -trocknung spezialisiert ist, legt man seit der Gründung im Jahr 1990 ein starkes Augenmerk auf die Menschen im Betrieb. Wie Thümler berichtet, hat sich dieser Fokus seit rund fünf Jahren nochmals verschärft: „Wir wollen unseren Mitarbeitenden ermöglichen, im Unternehmen glücklich zu sein. Das ist der Auftrag für alle Führungskräfte in unserer Organisation“, sagt sie. Eine Glücksdefinition gibt es im Unternehmen dabei nicht. Fest steht für Thümler jedoch, dass sie dafür sorgen muss, dass die Beschäftigten mehr als nur zufrieden sind. Den Unterschied von Glück und Zufriedenheit bei der Arbeit beschreibt sie so: „Mitarbeitende sind dann im Job zufrieden, wenn sie dort eine gute, solide Basis haben. Das heißt, Arbeitsbedingungen und Gehalt stimmen, die Aufgaben sind klar definiert.“ Wer glücklich im Job sein wolle, habe jedoch andere Ansprüche. „Es geht darum, Erfüllung im Job zu finden. Dazu gehört unter anderem, sich selbst zu verwirklichen und Dinge im Unternehmen mitentwickeln zu können“, erläutert Thümler.

Glück macht innovativer

Für die Unternehmen haben Glück und Zufriedenheit der Mitarbeitenden Ricarda Rehwaldt zufolge unterschiedliche Effekte. Die Professorin für Psychologie an der IU Internationale Hochschule forscht seit mehreren Jahren zu „Glück im Job“. „Empfinden Mitarbeitende Glück in ihrer beruflichen Tätigkeit, trägt dies zu einer gesteigerten Innovationsfähigkeit bei. Dies ist bei Menschen, die mit ihrer Arbeit einfach nur zufrieden sind, nicht der Fall“, benennt Rehwaldt einen wesentlichen Unterschied. Ihre Forschung zeige zudem: „Zufriedene Mitarbeitende sind weder vor einem Sinnverlust noch vor Antriebslosigkeit gefeit. Denn Arbeitszufriedenheit basiert vorwiegend auf extrinsischen Faktoren wie Gehalt und den Arbeitsbedingungen. Entscheidend für Glück ist aber vielmehr das, was Menschen von innen heraus bewegt.“

Sinn bei der Arbeit zu empfinden, ist einer von drei wesentlichen Glücksfaktoren, wie Rehwaldt ermittelt hat. „Es ist schlicht nicht möglich, glücklich im Job zu sein, wenn man nicht gleichzeitig das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu tun“, sagt die Expertin. Sinnempfinden wiederum entstehe immer dann, wenn das Gefühl vorhanden sei, Teil eines großen Ganzen zu sein und mit seiner Arbeit einen wertvollen Beitrag zu einem übergeordneten Ziel zu leisten. Das zeigt, dass die Glücksfaktoren stark zusammenhängen, denn Gemeinschaft ist gemäß den Studien von Rehwaldt ein weiterer Faktor für Glück im Job. „Ein Gemeinschaftsgefühl stellt sich ein, wenn die Teammitglieder respektvoll miteinander umgehen und in stressigen Situationen die Verantwortung gemeinsam tragen, anstatt sie anderen zuzuschieben“, erläutert Rehwaldt. Auch gegenseitiges Vertrauen und das Besprechen von privaten Problemen mit Kollegen würden dazu beitragen, sich in einer Gemeinschaft zu fühlen. Darüber hinaus – und das benennt Rehwaldt als dritten Glücksfaktor – ist es wichtig, sich im Job selbst verwirklichen zu können. Dies sei der Fall, wenn Mitarbeitende ihre persönlichen Stärken, Fähigkeiten und Ideen bei der Arbeit einbringen und sich stets weiterentwickeln können.

Glück erkennen und steigern

Ausgehend von den Glücksfaktoren Sinnempfinden, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft ist Glück steuerbar, ist Rehwaldt überzeugt. Gemeinsam mit Timo Kortsch, Professor für Wirtschaftspsychologie an der IU Internationale Hochschule, hat sie die HappinessandWork-Scale entwickelt. Das Instrument zur Erfassung von Glück am Arbeitsplatz soll Unternehmen zum einen die Möglichkeit bieten, zu erkennen, wie es um das Glück ihrer Mitarbeitenden bestellt ist. Zum anderen hilft die Skala dabei, Ansatzpunkte zu erkennen, um eine glücksfördernde Arbeitsumgebung zu gestalten. „Indem die HappinessandWork-Scale in ­Mitarbeiterbefragungen eingebunden wird, lässt sich ein Profil des gesamten Unternehmens erstellen, das im zeitlichen Verlauf betrachtet wird und somit auch Aufschluss über die Wirksamkeit von Interventionen geben kann. Dabei können auch Zusammenhänge mit anderen Faktoren wie Motivation, Bindung oder Stimmung analysiert werden“, sagt Rehwaldt. Empfehlenswert sei zudem, den Einsatz des Instruments durch qualitative Ansätze wie Interviews zu vertiefen, um die Maßnahmen möglichst gut an den Bedürfnissen der Belegschaft auszurichten.

Psychologisches Wohlbefinden statt Glück

Der Experte für Positive Psychologie Nico Rose macht darauf aufmerksam, dass Glück etwas ist, was man nicht direkt anstreben kann. „Glück erfolgt quasi als Nebenwirkung bestimmter Tätigkeiten“, sagt der ehemalige Professor für Organisationspsychologie. Im Arbeitsumfeld von Glück zu sprechen, findet er zudem generell schwierig. Seiner Meinung nach geht es vielmehr um das psychologische Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Arbeitgeber könnten dieses fördern, indem sie sich am sogenannten PERMA-­Modell orientieren. In der Positiven Psychologie stellt das von dem Psychologen Martin Seligman entwickelte Konzept den Rahmen für Wohlbefinden. Es steht für positive Emotionen, Engagement und Flow, Relationships, womit gelingende Beziehungen gemeint sind, Meaning and Purpose, also Sinnerleben, sowie Accomplishment. Letzteres bedeutet, dass sinnvolle Ziele erreicht werden sollen. Näher betrachtet, haben das PERMA-Modell und die von Rehwaldt aufgestellten Glücksfaktoren viel Ähnlichkeit. Aufgaben, die dem Menschen Sinn vermitteln, und das Gefühl, gemeinsam mit anderen an einem Strang zu ziehen, spielen bei beiden Ansätzen eine wesentliche Rolle. Wie Rose erläutert, ist Sinnerleben in der Positiven Psychologie unter anderem eine Folge von Stärkenorientierung und Gestaltungsmöglichkeiten.

Allem Wissen um Glück beziehungsweise Wohlbefinden der Menschen bei der Arbeit zum Trotz, ist es Arbeitgebern nur bedingt möglich, darauf Einfluss zu nehmen. „Ich kann als Arbeitgeber meine Mitarbeitenden nicht glücklich machen. Ich kann lediglich ein Umfeld schaffen, in dem es ihnen leichter fällt, Glück zu spüren“, sagt Felix Vos, Geschäftsführer in dritter Generation von Mera, einem auf Tiernahrung spezialisierten Familienbetrieb. Genau dies möchte er erreichen und hat dafür in seinem Unternehmen Glück als Unternehmensvision festgelegt. Der Weg dorthin soll über gelingende Beziehungen laufen, wie Vos es nennt: „Wir versuchen unsere Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren, dass sie jederzeit ehrlich und respektvoll miteinander umgehen. Zudem fördern wir einen emotionalen Austausch der Menschen im Betrieb“, sagt er. Vom Unternehmen ausgebildete Kulturbotschafterinnen und Kulturbotschafter bringen die Mitarbeitenden hierzu regelmäßig in Kleingruppen zusammen. Dann wird beispielsweise über Werte gesprochen – und mitunter auch über Glück.

Eigenverantwortung gefordert

Um Glück empfinden zu können, muss man nach Meinung von Vos vor allem aber erst einmal eine gute Beziehung zu sich selbst entwickeln. Um dies bei den Mitarbeitenden zu unterstützen, werden bei Mera unter anderem Achtsamkeitskurse sowie Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung veranstaltet. „Dies sind lediglich Angebote, nicht alle Mitarbeitenden nehmen sie wahr. Wir können unsere Mitarbeitenden nur zur Teilnahme ermuntern und deutlich machen, dass Glück viel mit Eigenverantwortung zu tun hat“, so Vos. Wie der Unternehmer berichtet, ist es ein stetiger Prozess, die Mitarbeitenden für seine Glücksvision zu begeistern. „Einige stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. Es herrscht das Motto: Wir sind hier, um zu arbeiten“, sagt er. „Viele Menschen tun sich schwer damit, Glück und Arbeit in Verbindung zu bringen. Denn wir sind darauf sozialisiert, dass Arbeit schwer sein muss und keinen Spaß macht“, erklärt Wissenschaftlerin Rehwaldt diese Einstellung. Da gilt es, Geduld zu haben: sich als Arbeitgeber immer wieder bewusst machen, was das Glück fördert, ein entsprechendes Umfeld schaffen – und warten, bis sich das Glück einstellt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Emotionen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

Petra Walther

Petra Walther ist freie Journalistin in Bonn.

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