Warum Väter längere Elternzeiten scheuen

Personalmanagement

Maximal zwei Monate nimmt sich der Großteil der Väter für die Kinderbetreuung in den ersten Monaten nach der Geburt. Wenn Arbeitgeber deren Sorge vor dem beruflichen Abstieg abmildern würden, wäre auch den Müttern geholfen.

Auf den ersten Blick klingt es nach einer Erfolgs­story: Seit der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 hat sich die Zahl der Väter, die in Elternzeit gehen und Elterngeld beziehen, deutlich erhöht. Waren es vor 2007 nur etwa drei Prozent aller Väter, so ist dieser Anteil mittlerweile auf knapp 37 Prozent gestiegen. Bei näherer Betrachtung sieht die Lage allerdings weniger glänzend aus: Denn die Väter, die Elternzeit nehmen, tun dies in den allermeisten Fällen nur für zwei Monate. Das ist das Minimum, damit Vater und Mutter gemeinsam die maximale Bezugsdauer des Elterngelds von 14 Monaten ausschöpfen können. Im Vergleich dazu nehmen nahezu alle Mütter Elternzeit, die große Mehrheit für mehr als zehn Monate. Das Elterngeld hat also seine Zielsetzung, die Väter stärker an der Erziehungsarbeit zu beteiligen, teilweise erfüllt, von einer gleichmäßigen Aufteilung der Elternzeit kann aber nach wie vor keine Rede sein.

Daran hat auch die Erweiterung um das Elterngeld Plus im Jahr 2015 wenig geändert. Eingeführt wurde es, um die Kombination aus Elternzeit und Teilzeiterwerbstätigkeit attraktiver zu machen. Seither kombinieren tatsächlich deutlich mehr Väter und Mütter Elternzeit und Beruf. Der Anteil der Väter, die überhaupt Elternzeit nehmen, ist zumindest im ersten Jahr nach der Einführung des Elterngelds Plus – neuere Daten liegen bisher nicht vor – aber nicht gestiegen.

Dass Mütter und Väter trotz der gesetzlichen Regelungen Elternzeiten nach wie vor so ungleich aufteilen, hat verschiedene Gründe. Soziale Normen und Einstellungen im Hinblick auf die Geschlechterrollen in der Gesellschaft zählen dazu. Dass tradierte Stereotype nach wie vor bestehen, zeigt sich im Übrigen beispielsweise auch bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung: Mit beidem verbringen in Paarhaushalten die Frauen deutlich mehr Zeit als Männer, wie eine DIW-Studie erst kürzlich wieder gezeigt hat. Die Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 hat die Politik mit einer Kampagne beworben, die das Modell propagiert, in dem zunächst für eine längere Zeit die Mutter ihre Erwerbstätigkeit unterbricht und im Anschluss der Vater deutlich kürzer vom Job pausiert. Die allermeisten Paare, bei denen beide Elternzeit bezogen haben, folgten dieser Idee, wes-halb sich das sogenannte „12+2“-Modell etabliert hat: Zwölf Monate bezieht die Mutter Elterngeld, zwei Monate der Vater. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass der Begriff der Partnermonate im alltäglichen Sprachgebrauch schon bald zu „Vätermonaten“ wurde.

Väter befürchten berufliche Nachteile

Befragt man die Väter, warum sie sich gegen eine Elternzeit oder für nur zwei Monate entschieden haben, nennen sie als wichtigstes Hemmnis finanzielle Gründe. Als zweithäufigster Grund wird genannt, dass ihre Partnerin ein Jahr Elternzeit nehmen wollte. Diese beiden Antworten spiegeln zum einen wider, dass in den meisten Familien nach wie vor Väter mehr verdienen. Die Familie hätte daher während der Elternzeit des Mannes ein geringeres Einkommen zur Verfügung als während der Elternzeit der Frau. Zum anderen zeigt sich in dieser Antwort auch die – bei beiden Geschlechtern – verbreitete soziale Norm, dass die frühkindliche Betreuung zum allergrößten Teil in den Aufgabenbereich der Mütter fällt.

Aus Unternehmensperspektive interessant ist die Antwort, die am dritthäufigsten angegeben wird: 20 Prozent der Väter, die keine Elternzeit genommen haben, und 13 Prozent derer, die zwei Monate vom Job pausierten, sorgen sich vor negativen beruflichen Konsequenzen. Immerhin sechs Prozent geben explizit an, negative Reaktionen von Vorgesetzten und Kollegen zu befürchten und sich deshalb gegen eine Elternzeit zu entscheiden.

Wissenschaftliche Belege für eine berufliche Benachteiligung von Vätern, die in Elternzeit gehen, gibt es für Deutschland bislang nicht – allerdings ist diese Frage bisher auch noch nicht gut erforscht. Zudem ist der Anteil der Väter, die länger als zwei Monate in Elternzeit gehen, sehr gering und stellt vermutlich eine selektive Gruppe dar. Es handelt sich also nicht um einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft in Deutschland. Von der Lohnentwicklung dieser Männer nach der Elternzeit auf den Durchschnitt aller Väter zu schließen, wäre daher falsch. In diesem Bereich muss weitergeforscht werden, um sowohl Vor- als auch Nachteile einer Elternzeit mit Blick auf die Erwerbskarriere transparent zu machen und möglicherweise unberechtigten Ängsten auf Seiten der Väter entgegentreten zu können.

Quellen: Eigene Darstellung der Grafik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auf Basis der Elterngeldstatistik des Statistischen Bundesamtes sowie Pairfam

Mütter könnten doppelt profitieren

Doch auch unabhängig davon, ob die Sorgen der Väter vor negativen beruflichen Konsequenzen der Elternzeit berechtigt sind oder nicht: Unternehmen sollten sie ernst nehmen! Sie sollten Väter ermutigen, Elternzeit zu nehmen, und sie im weiteren beruflichen Verlauf keinesfalls benachteiligen. Das hätte positive Auswirkungen auf Väter, die gerne Elternzeit nehmen wollen, aber auch auf Mütter, die in dieser Situation sind. Die könnten nämlich gleich zweifach von einem höheren Anteil von Elternzeitvätern profitieren: Einerseits privat, wenn sie sich zu Hause die Kinderbetreuung mit ihrem Partner teilen können. Andererseits beruflich, weil ein höherer Anteil von Kollegen, die Elternzeit nehmen, auch das Verständnis der männlichen Kollegen für diese Situation erhöhen würde, Stichwort Wandlung sozialer Normen.

Denn die Sorgen vor beruflichen Nachteilen einer Elternzeit, die Väter äußern, beruhen sehr wahrscheinlich auf Beobachtungen, die sie bei ihren Partnerinnen oder Kolleginnen machen konnten. Für Frauen ist wissenschaftlich sehr gut dokumentiert, dass sich Erwerbsunterbrechungen, insbesondere wenn sie länger als ein Jahr dauern, negativ auf zukünftige Löhne und Karrieren und in weiterer Folge beispielsweise auch auf ihre Renten auswirken. Es geht also darum, die negativen beruflichen Konsequenzen gerechter auf die Schultern von Müttern und Vätern zu verteilen – solange es diese negativen Konsequenzen gibt. Denn wenn einer Gesellschaft Kinder und stabile Rahmenbedingungen für Familien wirklich wichtig sind, darf es solche Nachteile nicht geben.

Deshalb ist auch die Politik gefragt. Sie könnte die Rahmenbedingungen für eine partnerschaftlichere Aufteilung der Elternzeit verbessern. Eine sukzessive Ausweitung der Partnermonate über zwei Monate hinaus bei gleichzeitiger Erhöhung der Lohnersatzrate des Elterngelds insbesondere für Geringverdiener wäre eine Möglichkeit, Elternzeit für Väter noch attraktiver zu machen.

Die Untersuchung

Die Analyse der Motive von Vätern, nicht oder nur für kurze Zeit Elterngeld zu beanspruchen, beruht auf Daten des Beziehungs- und Familienpanels Pairfam, einem Kooperationsprojekt der Universität Bremen, der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Universität zu Köln und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2008 werden in diesem Längsschnittdatensatz jährlich mehr als 12.000 bundesweit zufällig ausgewählte Personen und deren Familienangehörige befragt. Die befragten Väter und Mütter machen retrospektiv Angaben zu der Nutzung des Elterngelds. Insgesamt beinhaltet die untersuchte Stichprobe Beobachtungen von 568 Vätern.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Angst. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Katharina Wrohlich

Katharina Wrohlich

Die promovierte Volkswirtin Katharina Wrohlich ist Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Evaluation von Familien-, Steuer- und Sozialpolitik sowie Analysen von Gender Gaps am Arbeitsmarkt.

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