Recruiting in der Krise

Employer Branding

Jedes Unternehmen durchlebt mal eine Krise oder das Image hat anderweitig gelitten. Gerade dann wird gutes Personal dringend benötigt. Nur wer Bewerber mit den richtigen Argumenten überzeugt, kann langfristig gewinnen.

Wunsch und Wirklichkeit liegen manchmal weit auseinander. Das spüren unter anderem Arbeitgeber in Branchen wie Gastronomie, Einzelhandel oder Transport und Logistik. Sie gelten als besonders unbeliebt bei deutschen Bewerbern. Lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung – dieser Ruf eilt den Dienstleistern voraus. Andere Firmen schlittern ganz unvermittelt in eine schwere Krise. Fehlinvestitionen, neue Wettbewerber oder juristische Auseinandersetzungen – die Liste der möglichen Fallstricke ist lang. Wer unter solchen Voraussetzungen gutes Personal sucht, hat es nicht leicht.

Die gute Nachricht ist: Sie sind nicht allein. Jedes Unternehmen erlebt einmal eine schwierige Phase. Viele müssen von Anfang an kämpfen: „Wenn man genauer hinsieht, hat jedes Unternehmen komparative Nachteile“, sagt Professor Christoph Beck von der Hochschule Koblenz. Der Spezialist für Employer Branding und HR-Image kennt die Sorgen vieler Arbeitgeber. Ist der Firmensitz in einer ländlichen Region, sind Facharbeiter Mangelware. Umgekehrt leiden Arbeitgeber in Ballungsräumen unter einem harten Wettbewerb um die besten Köpfe. Je nach Branche kämen unterschiedliche Herausforderungen dazu.

Eine schnelle Lösung dafür gibt es meist nicht. Stattdessen geht es zunächst vor allem darum, Haltung zu bewahren. Wer den Kopf hängen lässt, hat schon verloren: „Man muss raus aus dem Jammertal“, rät Professor Beck. Unternehmen sollten ihre Nachteile akzeptieren und konstruktiv an einer Lösung arbeiten. In vielen Fällen helfe es schon, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens in der relevanten Bewerber-Zielgruppe zu erhöhen: „Ohne einen bestimmten Bekanntheitsgrad brauche ich überhaupt nicht darüber nachzudenken, ob ich auf der Image-Seite etwas tun kann“, sagt Beck.

Gutes Image trotz Kritik

Was aber machen Arbeitgeber, die in der Öffentlichkeit oder in Fachkreisen bekannt sind – dort allerdings selten mit positiven Schlagzeilen glänzen? Die Burger-Kette McDonald´s ist so ein Fall. 1.470 Schnellrestaurants betreibt der US-Konzern in Deutschland, 90 Prozent davon über Franchisenehmer. 2012 aßen dort täglich mehr als 2,7 Millionen Fastfood-Fans. Dennoch steht das Unternehmen regelmäßig in der Kritik. „Ungesundes Essen, miese Arbeitsbedingungen, mangelnde Hygiene“ lauten die häufigsten Vorwürfe. Der Tiefpunkt war 1985 erreicht, als der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gravierende Missstände aufdeckte.

Erst vor Kurzem gab es wieder Negativschlagzeilen – diesmal wegen der Beziehung zu den Franchisenehmern. „Wuchermieten, Knebelverträge, Marktmissbrauch“ titelte das Handelsblatt im April. Verglichen mit der negativen Berichterstattung schneidet McDonald´s auf öffentlichen Bewertungsplattformen für Arbeitgeber erstaunlich gut ab. Besonders Bewerber und Azubis geben der Schnellrestaurantkette gute Noten. Auf „Kununu“ etwa empfehlen 82 Prozent der Kommentatoren das Unternehmen als Arbeitgeber weiter.

Diese Ergebnisse kommen nicht von ungefähr: Seit Langem bemüht sich McDonald´s um ein positives Arbeitgeberimage. „Wir tun alles, damit die Bewerber den Kontakt mit dem Unternehmen und den Bewerbungsprozess positiv wahrnehmen“, sagt Gabriele Fanta, Vorstand Personal von McDonald´s Deutschland. Um die Hürden für die Kandidaten möglichst niedrig zu halten, nutzt das Unternehmen für den Restaurantbereich eine „One-Minute-Bewerbung“. Ein neues Bewerbermanagementsystem erleichtert die Kommunikation und beschleunigt das gesamte Verfahren.

Ist der Einstellungsvertrag unterschrieben, bietet der Konzern zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Fünf regionale Schulungszentren und eine Corporate University betreibt McDonald´s in Deutschland. Zusätzlich stehen den Beschäftigten Dutzende Unterrichtsangebote offen, darunter Sprachtrainings, Wellnesskurse oder Soft-Skills-Seminare. Je nach Standort, Betriebszugehörigkeit und Position kommen Benefits wie Sonderzahlungen, betriebliche Altersvorsorge oder die Möglichkeit zum Sabbatical hinzu. Sogar firmeneigene Ferienhäuser gibt es.

Von innen nach außen

So etwas spricht sich herum: „Die eigenen Mitarbeiter sind die besten Multiplikatoren“, sagt Professor Beck. Mit der Bereitstellung von Benefits allein, sei es jedoch nicht getan. Damit die Beschäftigten diese überhaupt wahrnehmen, sollten sie von den Personalverantwortlichen aktiv kommuniziert werden – und zwar regelmäßig. Positive Beispiele für Arbeitgeberleistungen ließen sich bei vielen Gelegenheiten transportieren: auf Sommerfesten, Führungskräftetagungen oder in der Firmenzeitschrift. Erst wenn die eigenen Mitarbeiter bereits überzeugt sind, sollten Unternehmen an ihrer Außendarstellung arbeiten, empfiehlt der Wissenschaftler.

Gerade für große Dienstleister wie Telekommunikationsanbieter, Brief- und Paketzusteller oder Schienenbetreiber kann die Talentakquise schwierig sein. Der enge Kontakt mit nicht selten unzufriedenen Kunden schreckt potenzielle Arbeitnehmer ab. Entsprechend viel Aufwand stecken die Unternehmen in Employer Branding. Beispiel Deutsche Bahn: 2012 startete das Unternehmen die Kampagne „Kein Job wie jeder andere“. Dadurch wollte die Personalabteilung auf die Berufsvielfalt im Bahn-Konzern aufmerksam machen. Im April dieses Jahres gab es eine Neuauflage. Statt als perfekter Arbeitgeber tritt die Bahn in den Werbespots als Unternehmen mit Verbesserungspotenzial auf.

In einer Szene meldet eine Anzeigetafel Zugausfälle, in einer anderen ärgert sich ein Techniker über den WLAN-Ausfall in einer Bahn. Dahinter steht die Hoffnung auf Bewerber mit einem dicken Fell, die dem Unternehmen auch in schlechten Zeiten die Treue halten. Mit der Kampagne trifft die Deutsche Bahn nicht nur den Nerv jüngerer Zuschauer. Sie könnte das Arbeitgeberimage langfristig verbessern: „Eine realistische, authentische Kommunikation nach innen und außen hilft einem Unternehmen auch in Krisenzeiten“, sagt Image-Experte Professor Beck.

„In manchen Branchen brauchen Mitarbeiter eine gewisse Standhaftigkeit“, weiß Thomas Deininger, Geschäftsführer der Personalberatung Deininger Consulting. Passende Kandidaten könnten nur durch Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit gewonnen werden. Wie will sich das Unternehmen künftig aufstellen? Welche Rolle soll der Bewerber dabei spielen? Solche Fragen müssen frühzeitig geklärt werden. Auch die Motivation des Bewerbers sollte gründlich abgeklopft werden. Überwiegt die Begeisterung für die Aufgabe oder kann er nur durch ein überdurchschnittliches Gehalt gelockt werden? „Wenn es einem Kandidaten nur um das Geld geht, ist seine Moral für die Aufgabe nicht auf dem richtigen Level“, so Deininger.

Gerade Firmen mit einem angeschlagenen Ruf müssen ihre Stärken herausstellen. Weil der Bewerberpool tendenziell kleiner ist als bei anderen Arbeitgebern, sei beim Recruiting eine besonders gute Vorbereitung nötig. „Den Kandidaten sollten solide Informationen vermittelt werden über das Unternehmen, seine Historie, die Führungsgrundsätze und die Karrieremöglichkeiten“, sagt Deininger.

Recruiting im Krisenmodus

Mit besonderen Herausforderungen im Recruiting sehen sich Unternehmen konfrontiert, die plötzlich in eine Krise rutschen. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein – die Handlungsanweisung ist für alle dieselbe: „Wenn es eine kurzfristige Krise ist, helfen nur Aufklärung, eine ehrliche und transparente Kommunikation sowie konkrete Maßnahmen“, sagt Professor Beck. Zieht sich eine Krise dagegen länger hin, kommen Unternehmen neben einer transparenten Informations- und Kommunikationspolitik nicht daran vorbei, auch Grundsätzliches zu ändern. Und das muss dann sowohl der bestehenden Belegschaft als auch Bewerbern glaubhaft vermittelt werden.

So wie bei Volkswagen. Die Reputation des Autobauers hat enorm gelitten, seit im September 2015 eine großangelegte Manipulation von Abgaswerten bekannt wurde. Der Vorgang hat weltweit Empörung ausgelöst und den bis dahin guten Ruf des Autobauers schwer beschädigt. Wochenlang berichteten die Medien über den Fall. Heute finden sich bei Google unter dem Schlagwort „Diesel-Skandal“ 315.000 Treffer. Seither müssen sich die Wolfsburger nicht nur Presseanfragen, sondern auch den Fragen von Job-Bewerbern stellen.

Obwohl VW allein in Deutschland insgesamt 23.000 Stellen abbauen will, sollen gleichzeitig 9.000 Arbeitsplätze für Zukunftsthemen geschaffen werden. Einige werden mit externen Kandidaten besetzt. Der Umbau ist eine Mammutaufgabe für die HR-Abteilung, auch wenn Volkswagen in Arbeitgeberrankings nach wie vor gut dasteht. Wie macht man das? „Ehrlichkeit und Transparenz gehören dazu“, sagt Markus Schlesag, Sprecher für Personalthemen bei der Volkswagen AG. „Der Veränderungsprozess im Unternehmen verläuft erfolgreich. Er betrifft die Organisation, die Prozesse, die Kultur. Genau das vermitteln wir den Bewerbern.“

Rainer Goeckel hat ebenfalls Erfahrungen mit kritischen Nachfragen von Bewerbern gesammelt. Von 2011 bis 2016 arbeitete der CSR-Manager des Spezialmaschinenbauers Aixtron in der HR-Abteilung des Unternehmens. Jahrelang schrieben die Aachener Verluste, dann brach 2015 ein Großauftrag weg. Anschließend wollte ein chinesischer Investor Aixtron kaufen, was aber am Veto der US-Behörden scheiterte. Das Medienecho war groß, die Zukunft ungewiss. „Auch wenn in einem Bereich Stellen gestrichen werden, in anderen Bereichen sind wir Marktführer und suchen Spezialisten“, sagt Goeckel über die Herausforderung.

Krisenfälle nehmen zu

In solchen Situationen greifen manche Firmen auf Interimsmanager zurück, die eine Umstrukturierung planen, eine Trendwende erreichen und nach einigen Monaten oder Jahren wieder gehen. Allerdings sind es meist nur die Top-Jobs, die auf diese Weise besetzt werden können. Das Gros der Neueinstellungen lässt sich mit solchen Übergangslösungen nicht bewältigen. Also ist das Engagement der HR-Abteilung gefordert: „Ich habe festgestellt, dass sich Bewerber gezielt vor allem nach ihrem eigenen Bereich erkundigen“, sagt Goeckel.

Entsprechend detailliert sollten die Antworten ausfallen: „Das, was man normalerweise den Aktionären als Perspektive mitgibt, muss man den Bewerbern auch mitgeben“, sagt Goeckel. Dazu gehören Informationen zur Marktentwicklung, zu geplanten Investitionen und zum künftigen Umsatz. Und statt mit exorbitant hohen Gehältern, die in Zeiten von Kosteneinsparprogrammen ohnehin schwer zu finanzieren sind, setzt Aixtron auf weiche Faktoren: „Man kann mit dem Spirit des Unternehmens, mit großartiger Technologie, mit Freiräumen und der einzigartigen Firmenkultur überzeugen“, weiß Goeckel.

Vielen Unternehmen geht es wie Aixtron oder VW. Personalberater Thomas Deininger schätzt, dass 20 Prozent der von ihm zu besetzenden Stellen einen „Krisenfall“ darstellen. Der Anteil solcher Fälle dürfte laut Professor Beck von der Hochschule Koblenz künftig anwachsen: „Wir kommen zunehmend in eine Situation, in der Unternehmen Geschäftszweige schließen und gleichzeitig an anderer Stelle neue aufbauen.“ Einen Schaden für das Arbeitgeberimage könne die HR-Abteilung nur verhindern, wenn sie eine wesentlich aktivere Rolle in der Kommunikation einnehme – nach innen und außen.

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Birga Teske, Foto: Privat

Birga Teske

Birga Teske ist Wirtschaftsjournalistin und schreibt regelmäßig für den HRM.

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