Wie entwickelt sich das Recruiting unter dem Einfluss der Pandemiekrise? Eine neues Dashboard gibt Einblick – von der Stellenschaltung bis zur Einstellung.
Wie hat sich die Corona-Krise auf das Recruiting in deutschen Unternehmen ausgewirkt? Antworten liefert ein Vergleich zwischen den Zahlen im April 2019 mit denen im April 2020 (erster vollständiger Monat im Lockdown), ebenso wie zwischen den Februarzahlen 2020 und den Aprilzahlen 2020:
Die Zahlen geben die Entwicklung bei den Kunden von Softgarden wieder, einem Anbieter für Recruiting-Lösungen, der deutschlandweit rund 900 Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen, Regionen und Unternehmensgrößen bedient. Die Gesamtheit der Bewerbungen über Softgarden pro Monat lag vor der Pandemie-Krise im sechsstelligen Bereich. Aktuell (Juni 2020) liegt sie knapp darunter. Auf dieser Grundlage lassen sich Aussagen zum Stand der Dinge im aktuellen Recruiting-Geschehen in Deutschland treffen.
Deutlicher Rückgang im April
Der erste komplette „Corona-Monat“ April 2020 zeigt einen deutlichen Rückgang aller relevanten Recruiting-Kennzahlen sowohl im Vergleich mit dem Vormonat als auch im Hinblick auf den Vergleichsmonat des Vorjahres. Firmenseitig hatten sich im April 2020 alle Aktivitäten im Vergleich zum Februar des Jahres halbiert: Weniger Jobs wurden ausgeschrieben, dementsprechend gab es weniger Bewerbungen, Interviews und Einstellungen. Die Firmen befanden sich vermutlich in einer Art Warteposition und reduzierten Recruiting-Aktivitäten auf das Notwendigste.
Am wenigsten betroffen waren die Bewerbungen – auch im Vergleich zum April des Vorjahres. Vermutlich wurde der negative Trend durch zusätzliche Bewerbungen von solchen Kandidaten gebremst, die bei Unternehmen arbeiteten, die selbst wirtschaftlich stark von der Corona-Krise betroffen waren. Dennoch waren im April 2020 weniger Bewerber auf dem Markt als vor der Krise.
Trendwende im Mai und Juni
Schaut man sich die Entwicklung für den Mai 2020 an, zeigt sich ein deutlicher Aufwärtstrend im Vergleich zum Vormonat, auch wenn die Zahlen (bis auf die Zahlen für Bewerbungen) noch deutlich unter dem Vor-Corona Niveau liegen. Aber es sind Anzeichen dafür, dass schon im Mai die erste Corona-Talsohle durchschritten wurde.
Im Juni hält der Aufwärtstrend im Vergleich zum Vormonat an – mit deutlich mehr Stellenveröffentlichungen, Bewerbungen und Bewerbungsgespräche sowie Einstellungen als im Mai. Im Vergleich zum Juni des Vorjahres wird die Anzahl der Jobpostings nahezu wieder erreicht. Es sind wieder deutlich mehr Bewerber auf dem Markt. Hier zeigt sich vermutlich ein gewisser „Entladungseffekt“ nach dem durch den Pandemie-Lockdown verursachten Stau. Auch die Unternehmen werden deutlich aktiver.
Handlungsempfehlungen für Recruiter
- Recruiting-Aktivitäten hochfahren: Aktuell sind wieder deutlich mehr Bewerber auf dem Markt – und Arbeitgeber steigen verstärkt in den Kampf um die Talente ein. Die Krise hatte die Motivationslage bei vielen Arbeitnehmern vorübergehend verändert. Außerhalb von Krisenzeiten sind Arbeitnehmer mit dem positiven Ziel auf dem Markt, sich im Job zu verbessern. Viele Arbeitnehmer verfolgten dann vorübergehend das negative Ziel, das Risiko des Jobverlustes zu minimieren und hielten an ihren Positionen fest. Das scheint nun wieder vorbei zu sein.
- Wenn möglich Sicherheit als Argument ausspielen: Auf der Ebene des Employer Branding und der Arbeitgeberreputation kann Sicherheit in der aktuellen Lage zum entscheidenden Argument für einen neuen Arbeitgeber werden: die Sicherheit des Jobs und langfristige Beschäftigungsperspektiven ebenso wie ein gutes Corona-Management und ein guter Gesundheitsschutz.
- Im Recruiting und Onboarding virtuelle Verfahren ausbauen: Beschränkungen im Recruiting durch Probleme bei den Präsenzverfahren sollten dadurch vermieden werden, dass gezielt virtuelle Verfahren wie Video-Jobinterviews zum Einsatz kommen. Ebenso sollten aktiv rekrutierende Unternehmen über Maßnahmen zum virtuellen Onboarding nachdenken.
- Weiterhin auf Kandidatenorientierung setzen: Es ist zweifelhaft, dass die Junizahlen eine Trendwende auf den Kandidatenmärkten einläuten und diese wieder einfacher für die Arbeitgeber werden lassen. Die Regeln für ein kandidatenorientiertes digitales Recruiting, das auf Überzeugung statt auf Selektion setzt, bleiben deshalb gültig. Das schließt zum Beispiel den aktiven Umgang mit Arbeitgeberbewertungen und eine aktive Google-Strategie ebenso mit ein wie die Präsentation überzeugender Argumente auf der eigenen Karrierewebsite.
- Prozessqualität sichern und ausbauen: etwa bei den Themen Geschwindigkeit und Kandidatenkommunikation. Unsere aktuelle, noch unveröffentlichte Candidate-Experience-Studie zeigt, dass die Ungeduld der Kandidaten 2020 weiter zugenommen hat.
Das Recruiting-Dashboard von softgarden wird alle zwei Monate aktualisiert. Hier kommen Sie zu Teil 2 der Serie „Recruiting in unsicheren Zeiten“.