Gegen die Norm

Interview

Warum glauben Sie, dass die Fünftagewoche bald enden wird?
Joe O’Connor: Die Fünftagewoche ist für eine verarbeitende Industrie gemacht. Seit ihrer Einführung haben technische Innovationen die Produktivität extrem gesteigert. Die Vorteile kamen aber nicht in Form kürzerer Arbeitszeiten bei den Arbeitnehmenden an. Im Grunde haben wir schon längst eine Viertagewoche, sie ist nur unter zahlreichen Ineffizienzen versteckt. Und die Fünftagewoche ist eine tief in der Gesellschaft verwurzelte Norm. Die Pandemie hat das aufgebrochen und das Verständnis von Arbeit verändert. Die Transformation hat angefangen.

Welche Unternehmen beteiligen sich an den Pilotprojekten?
Das geht quer durch die Bank. Für kleine und mittlere Unternehmen ist es einfacher und wichtiger, um im Wettbewerb um Arbeitskräfte zu bestehen. Für größere Unternehmen ist es schwieriger, solche Entscheidungen abzustimmen. Oft sind es Einzelpersonen und -bereiche, die so eine Transformation vorantreiben. Aber wir merken, dass die Firmen, die sich an uns wenden, immer größer werden.

Was ist Ihr stärkstes Argument?
Vor der Pandemie war es der Kampf gegen Burn-outs und die Chance, effizienter zu arbeiten. Beides bleibt wichtig, wurde aber klar von dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt überholt.

Worin liegen Bedenken?
Zum einen ist es die Logistik, Services zu allen Zeiten garantieren zu können, zum anderen die Angst, wie die Viertagewoche ankommt. Die Angst ist größer als die Wirklichkeit. Etwas für die Effizienz und Arbeitskultur zu tun, ist ein Zeichen der Professionalität. Unternehmen spielen das auch immer offensiver. Wichtig ist: Es reicht nicht, nur die Arbeitszeit zu reduzieren, es kommt auf die internen Prozesse an. Sonst gibt es keine Garantie, dass eine Viertagewoche funktioniert.

Was ist mit der Gefahr, dass eine Viertagewoche die Arbeitswelt spaltet?
Auch die Fünftagewoche wurde nicht überall gleich eingeführt. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sie sich durchgesetzt hat. Und es gibt Bereiche, die arbeiten nicht mit einem Arbeitstag von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Wir brauchen heute und in Zukunft unterschiedliche Lösungen, die zu den Bedürfnissen der Arbeitskräfte passen. Wir haben aber gesehen, dass die Viertagewoche überall funktionieren kann, auch in der Produktion oder Pflege. Im Gesundheitsdienst würde ich nicht dafür argumentieren, die Arbeitszeit zu senken und gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen, sondern mehr Arbeitskräfte einzustellen. Die Branche ist überlastet. Und es sind Berufe, die nicht so schnell automatisiert werden können. Gerade deswegen müssen wir etwas ändern: Wir sind auf diese Arbeitskräfte angewiesen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Grenzen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Mirjam Stegherr, Journalistin, Moderatorin und Beraterin

Mirjam Stegherr

Freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin
Mirjam Stegherr ist freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin.

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