Herr Younosi, als Sie von Russlands Ukraine-Invasion erfuhren, was waren Ihre ersten Schritte als Personalleiter?
Als Erstes haben wir Stellung bezogen. Intern hat das unser CEO Christian Klein übernommen. Der zweite Schritt war, für Sicherheit zu sorgen. Wir haben unser Büro in Kiew geschlossen und Sicherheitsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort eingeleitet. Wir sind gerade dabei, ihnen finanziell und logistisch bei der Flucht zu helfen. Das habe ich dann auch auf Linkedin als erstes offizielles Statement veröffentlicht. Wir haben zudem den Kontakt mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Russland intensiviert. Die können nichts für den Krieg und sind dagegen. Sie sind in einer Zwickmühle. Der dritte Schritt bestand dann aus Überlegungen, wie wir Soforthilfe leisten können.
Wie kommt das Management und HR mit den Menschen im Unternehmen aktuell ins Gespräch?
Wir haben eine Taskforce zusammengestellt und ein HR-Krisenteam, das die Menschen in unserem Unternehmen konstant auf dem Laufenden hält über die Maßnahmen, die wir planen und umsetzen. Dafür haben wir im Intranet einen Raum geschaffen, in dem alle Kolleginnen und Kollegen ihre Emotionen loswerden können. Das betrifft sowohl Solidarität als auch Verurteilung. Sie sollen sich nicht alleine fühlen. Wenn alle im Homeoffice sitzen, fehlt der persönliche Austausch, weil es keine zufälligen Begegnungen gibt. Also bieten wir das virtuell an: Der Zuspruch ist riesig, die Anmeldungen enorm. Die Menschen wollen Einfluss nehmen.
Was SAP tun kann, kommt also auch von den Beschäftigten selbst?
Oh ja, es kommen sehr viele Vorschläge, wie geholfen werden kann. Das Bedürfnis etwas zu tun, ist unglaublich groß. Dieses Bedürfnis unterstützen wir mit allen Kräften. Es gibt beispielsweise viele IT-bezogene Vorschläge, wie wir mit unserer Software helfen können. Wir planen zum Beispiel Flüchtlinge mit Übersetzern und Behörden zusammenzubringen.
Wer moderiert den Austausch im Intranet?
Die Moderation übernimmt die Kommunikationsabteilung, aber die Antworten zu speziellen Fragen kommen aus den Fachbereichen wie Gesundheitswesen oder eben HR.
Was haben Sie an Soforthilfe umgesetzt?
Wir haben eine Million Euro an humanitärer Hilfe für die Menschen in der Ukraine bereitgestellt und überlegen aktuell, unsere Büros in angrenzenden Ländern in Flüchtlingsunterkünfte umzufunktionieren. Seit vorgestern bin ich übrigens weltweit für die Personalarbeit von SAP und damit auch für die betroffene Länder zuständig. Ich habe das bislang noch nicht öffentlich verkündet angesichts der aktuellen Lage.
Haben Sie eine Botschaft an die Personalabteilungen hierzulande?
Allerdings. Meine Message lautet: Liebe HR, so tragisch und unfassbar das ist, was jetzt gerade passiert: Das ist wieder einer dieser Moments that matter für uns. So wie damals, als Corona losging. Jetzt kommt es darauf an, Empathie zu zeigen. Jetzt kommt es darauf an, alle Menschen zusammen zu bringen. Jetzt müsst ihr dem Management Vorschläge machen und die Gefühle, die Emotionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufnehmen und dafür eine Plattform schaffen. Ihr dürft diese Gefühle nicht klein reden, ihnen aus den Weg gehen, sie gar verbieten oder drosseln! Alle Kräfte sollten dafür eingesetzt werden. Natürlich geht das Daily Business auch irgendwie weiter, aber im Moment möchten Menschen zeigen, dass sie verbunden sind mit dem, was den Menschen in der Ukraine passiert. Das ist der Moment für die Personalabteilung, um zeigen, warum es sie gibt.
Cawa Younosi ist seit 2015 Personalleiter Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung bei dem Softwarekonzern SAP Deutschland. Seit dem 1. März 2022 verantwortet er zudem die weltweite Personalarbeit und baut eine globale People Experience Organization auf. Vom 1. Juli an werden alle Personalleitungen weltweit an ihn berichten. In seiner Rolle ist er damit für über 22.000 Mitarbeitende des Konzerns in Deutschland und 105.000 Menschen weltweit verantwortlich.