Wie kündigt man 3.000 Menschen?

Tech-Entlassungen

Herr Younosi, mitten in der großen Kündigungswelle, die gerade durch die Technologiebranche geht, erklärt SAP, sich umzustrukturieren und 3.000 Stellen zu streichen. Warum gerade jetzt?
Cawa Younosi: Wir werden oft in einem Atemzug mit den Kündigungen im Silicon Valley genannt. Aber bei uns geht es nicht darum, dass wir ein Kostenproblem haben oder zu schnell eingestellt hätten. Wir haben eine unternehmerische Entscheidung getroffen, uns stärker auf das Kerngeschäft von SAP zu fokussieren und andere Bereiche einzustellen. Davon sind weltweit 3.000 Stellen betroffen. Uns geht es aber nicht darum, diese Kolleginnen und Kollegen um jeden Preis loszuwerden. Im Gegenteil: Sie können und sollen sich auf eine andere Stelle im Unternehmen bewerben, wenn es passt. Eine Rote-Teppich-Lösung garantiert sogar, dass sie innerhalb von 48 Stunden einen Rückruf vom Recruiting erhalten und schnellstens mit den einstellenden Führungskräften in anderen Bereichen zusammengebracht werden.

Wie viele Personen werden am Ende im Unternehmen bleiben können?
Das weiß ich noch nicht. Aus Erfahrungen der Vergangenheit wissen wir aber, dass in der Regel 20 bis 25 Prozent woanders im Konzern unterkommen. Sicher ist, dass in Deutschland alle circa 200 Personen, die von der Umstrukturierung betroffen sind, einen neuen Job bei SAP angeboten bekommen. Da wir aktuell ungefähr 5.100 offene Positionen bei SAP haben, hoffen wir, dass wir möglichst viele Kolleginnen und Kollegen halten können.

Wie entscheiden Sie konkret, wer gehen muss und wer bleibt?
Wir haben uns nicht einzelne Personen angeschaut. Natürlich achten wir darauf, dass beispielsweise nicht überdurchschnittlich viele Frauen betroffen sind. Aber wenn wir ein Angebot einstellen, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, egal ob Toptalent oder nicht. Wir vergeben auch keine Stellen unter der Hand, sondern haben einen offenen Jobmarkt, auf den sich alle bewerben können.

Wie kündigt man 3.000 Mitarbeitenden? Meta und Alphabet haben dazu E-Mails verschickt.
So etwas würden wir nie tun. Das entspricht nicht unseren Werten und unserem Selbstverständnis. In Deutschland gibt es klare Betriebsvereinbarungen. Aber auch weltweit möchte ich mir nicht vorwerfen lassen, dass wir den Anspruch verletzten, Kolleginnen und Kollegen als Menschen zu respektieren. In den Ländern, in denen wir gestartet sind, haben alle Betroffenen ein persönliches Gespräch mit der Führungskraft und HR-Verantwortlichen erhalten, in dem sowohl die Gründe, aber auch die Optionen und Angebote besprochen wurden. Wir würden nie sagen: Pack deine Sachen und geh! Wir achten auch darauf, keine hektischen Massen-E-Mails zu versenden. Alle Mitarbeitenden, die von der Umstrukturierung betroffen sind, haben weiterhin Zutritt zum Gebäude, Zugriff auf ihre Rechner, das E-Mail-System und das interne Job-Portal.

Dass Tech-Firmen in dem Ausmaß Stellen streichen, verunsichert viele. Wie positioniert sich SAP in so einer Krise als sicherer Arbeitgeber?
Um Verunsicherung zu vermeiden, ist es wichtig, schnell, offen und klar zu kommunizieren. Jede Minute zählt, um die Akzeptanz zu erhöhen. Als unser CEO Christian Klein die Umstrukturierung kommuniziert hat, habe ich noch am selben Abend eine Mitarbeiterversammlung abgehalten und Fragen beantwortet. Wir haben sofort gesagt, welche Bereiche betroffen sind, und die Angst genommen, dass Weiteres passiert. Wir dürfen keinen Raum für Spekulationen lassen. Und wir müssen verantwortlich planen, was in drei, vier Jahren noch funktioniert, um entsprechend einzustellen. Meine Erfahrung ist: Natürlich kann es in jedem Konzern unangenehme Themen geben. Aber solange sie betriebswirtschaftlich erklärbar sind, geht es nicht um das Was, sondern um das Wie.

Über den Gesprächspartner:

Cawa Younosi, Global Head of People Experience bei SAP
© SAP

Cawa Younosi ist Personalchef Deutschland und Global Head of People Experience bei SAP.

Zu dem Thema Massenentlassungen im Tech-Bereich hat Mirjam Stegherr auch für einen Beitrag in unserer neuen Ausgabe recherchiert. Das E-Paper erscheint am Montag.

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Mirjam Stegherr

Freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin
Mirjam Stegherr ist freie Journalistin, Moderatorin und Beraterin.

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