„Job Crafting birgt nicht nur Vorteile, sondern ist auch notwendig“

Arbeitsplatzgestaltung

Frau Lopper, was macht Job Crafting aus?
Elisa Lopper: Job Crafting stellt grob gesagt, die selbstinitiierte Veränderung von Arbeitsaspekten dar, um die Arbeit für sich selbst besser zu gestalten. Das betrifft aber nicht nur Arbeitsaufgaben an sich. Beschäftigte können auch Arbeitsbeziehungen anpassen oder aber den Wert, den sie ihrer Arbeit beimessen. Job Crafting unterteilt sich außerdem in zwei Felder. Einmal in Approach Crafting, also wenn Beschäftigte Aspekte bei der Arbeit erweitern. Dann gibt es noch das Avoidance Crafting. Davon sprechen wir, wenn Mitarbeitende bestimmte Arbeitsaspekte reduzieren.

Was unterscheidet Job Crafting von den ganz persönlichen Arbeitsanpassungen, die wir tagtäglich unbewusst vornehmen?
Der Unterschied besteht darin, dass Job Crafting nicht unbewusst geschieht. Ganz im Gegenteil, Mitarbeitende verändern bestimmte Arbeitsaspekte ganz bewusst. Und dass ohne unbedingt die Führungskraft um Erlaubnis zu fragen. Damit Mitarbeitende zufrieden sind, muss sichergestellt werden, dass die Arbeit den eigenen Bedürfnissen gerecht wird.

Welche wären das?
Beschäftigte wollen Kompetenz, Autonomie und sozialen Austausch am Arbeitsplatz erleben. Ist das gegeben, steigen die Zufriedenheit und das Wohlbefinden. Vielleicht erfüllt dies ein Job in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit aber nicht. In dem Fall ist es notwendig, dass Mitarbeitende ihren Job eigenständig craften. Ich denke aber auch, dass aktuelle Entwicklungen es geradezu erforderlich machen, dass Beschäftigte ihren Job selbstständig anpassen müssen.

Was meinen Sie damit genau?
Damit meine ich die aktuellen Herausforderungen und Veränderungen in der Arbeitswelt. Diese stiften Unsicherheit, heizen die Dynamik an und verstärken den Bedarf an Diversität. Für Unternehmen ist es auch gar nicht mehr möglich Jobs zu schaffen, die irgendwie auf alle Beschäftigten passen. Deswegen ist es so wichtig, dass Rahmenbedingungen geschaffenen werden, in denen die Angestellten proaktiv im Unternehmen etwas verändern können. Das entbindet jedoch nicht die Arbeitgeber von ihrer Verantwortung angemessene Arbeitsbedingungen und Jobs zu schaffen. Der Sinn von Job Crafting ist nicht, dass sich diese Verantwortlichkeit auf die Mitarbeitenden verschiebt.

Welche Rolle kommt Führungskräften sonst noch zu?
Es gibt Führungsstile, die Job Crafting begünstigen. Vertrauen stellt einen wichtigen Punkt dar und dass Vorgesetzte Mitarbeitende ermutigen, sich auszuprobieren und die dafür benötigte Flexibilität gewährleisten. Dazu gehört auch, dass in dem Prozess Fehler passieren dürfen und Mitarbeitende daraus lernen können. Wenn Aufgaben angepasst werden, birgt das manchmal auch Konfliktpotenzial. Zum Beispiel, wDas kann mitunter dazu führen, dass im Team Aufgaben neu verteilt werden müssen. Wenn Führungskräfte merken, dass essenzielle Aspekte der Arbeit vermieden werden, sollten die Ursachen dafür ergründet werden. Ist die gestellte Aufgabe denn überhaupt sinnvoll? Worin liegt die genaue Motivation, wenn etwas vermieden wird? Diese Fragen sollten im Fokus stehen. Meist liegt es nämlich nicht an der fehlenden Arbeitsmoral der Beschäftigten.

Inwieweit ist Job Crafting überhaupt für alle Berufsgruppen praktikabel?
So genau lässt sich nicht sagen, welche Jobs dafür geeignet oder ungeeignet sind. Natürlich haben Personen, die beispielsweise im Shopfloor arbeiten, wenig Handlungsspiel, bestimmte Aufgaben einfach wegzulassen. Job Crafting hat aber generell verschiedene Formen. Mit Cognitive Crafting können Beschäftigte die Bedeutung anpassen, die sie ihrer Arbeit beimessen oder wie Aufgaben wahrgenommen werden. Hier kann es hilfreich sein, sich auf die positiven Seiten und den Wert der eigenen Arbeit zu fokussieren.

Gibt es Personen, denen Job Crafting schwerer fällt als anderen?
Es gibt sicherlich Ausprägungen, die Job Crafting eher begünstigen. Menschen mit einer proaktiven Persönlichkeit führen beispielsweise eher Veränderungen von sich selbst aus herbei.

Warum sollten Arbeitgeber Job Crafting fördern?
Weil es ganz viele positive Effekte mit sich bringt. Wohlbefinden, Motivation, Performance aber auch die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden verstärken sich. Engagierte Beschäftigte haben natürlich auch erfreuliche Auswirkungen auf die Produktivität. Aber ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass Job Crafting nicht nur Vorteile hat, sondern auch notwendig ist.  Unternehmen sind davon abhängig, dass sie Menschen beschäftigen, die proaktiv etwas verändern und auf unvorhergesehene Ereignisse selbstständig reagieren können.

 

Elisa Lopper ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Forschungsgebiete der promovierten Arbeits- und Organisationspsychologin liegen in den Bereichen Work Design, Proaktivität und Job Crafting sowie arbeitsbezogener Interventionsforschung.


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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Flexibilität. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer ist Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager. Dort absolvierte sie zuvor ebenfalls ihr Volontariat. Die Berlinerin hat einen Bachelorabschluss in Deutsche Literatur sowie Kunst- und Bildgeschichte und arbeitete mehrere Jahre freiberuflich für mehrere Berliner Verlage. Sie schreibt mit Vorliebe Features und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zukunft der Arbeitswelt.

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