Ob Homeoffice oder globale Teams: Zusammenarbeit auf Distanz ist für viele zum Alltag geworden. Dennoch. So geben 86 Prozent der Führungskräfte einer Stepstone-Umfrage zufolge an, inzwischen digitale Tools einzusetzen. Fast ebenso viele haben eine feste Meeting-Struktur aus dem Homeoffice heraus etabliert. Offensichtlich mit Erfolg: Die Stimmung in den Teams ist überwiegend gut, zeigen die Umfrageergebnisse. Gleichwohl ist die Situation für alle herausfordernd: Bei arbeitenden Eltern gilt es, pandemiebedingtes Homeschooling und Homeoffice erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Vielen fehlt eine klare Struktur des Arbeitstages, sie machen seltener Pause, arbeiten länger. Gut jeder Zweite fühlt sich deshalb müde und gestresst. Jetzt ist vor allem mentale Stärke gefragt. Wenn persönliche Begegnungen auf ein Minimum zu reduzieren sind, um Ansteckungsrisiken zu vermeiden, dann drückt das aufs Gemüt. In diesen Zeiten ist also aus der Selbstführung Hoffnung, Zuversicht und Optimismus zu schöpfen, um das Wohlbefinden zu erhalten. Gleichzeitig gilt es, weiterhin gute Leistung zu erbringen, gemeinsame Ziele auch aus der Distanz zu erreichen, sich als Team zu empfinden oder Mitarbeitende zu motivieren. Acht Tipps, wie das gelingen kann:
1. Selbstreflexion
Voraussetzung für eine gute Selbstführung ist, sich seiner selbst bewusst zu sein – im Denken, in der Wirkung und im Handeln. Jede Führungskraft sollte sich für diese Selbstreflexion pro Woche mindestens eine Stunde Zeit nehmen. In dieser Stunde sollten das Handy im Flugmodus und Störungen ausgeschlossen sein. In dieser Zeit kann man sich mit Fragen beschäftigen wie „Was habe ich in dieser Woche gelernt?“, „Lebe ich selbst vor, was ich bei anderen erreichen will?“, „Was kann ich bei mir selbst in Zukunft verbessern?“ oder „Habe ich mich selbst sabotiert?“. Daran ist zu erkennen, was künftig zu verändern ist oder welche Fähigkeiten und Stärken weiterzuentwickeln sind.
2. Selbstverantwortung
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen heute selbstbestimmter und flexibler arbeiten und mitentscheiden können. Das fordert die Bereitschaft von Vorgesetzten, ihren Teams Handlungsspielraum, Autonomie und Partizipation zu verschaffen, gleichzeitig setzt es Verantwortungsbewusstsein bei jedem von uns voraus. Das bedeutet: Gehen Sie zu 100 Prozent in die Selbstverantwortung – für sich, für Ihr Leben, für Ihren Job. Sie gestalten Ihre Realität. Wie Sie mit Widrigkeiten umgehen, liegt nicht in der Verantwortung der anderen, sondern in Ihrer. Das anzuerkennen, ist für eine gute Selbstführung unverzichtbar.
3. Struktur
Wer fern von anderen allein arbeitet, hat niemanden um sich herum, der an eine Mittagspause oder den Feierabend erinnern könnte. Achten Sie darauf, dass Sie auch im Homeoffice Ihren Arbeitstag morgens beginnen und eine Mittagspause machen, statt durchzuarbeiten. Mit dem Laptop im Bett zu arbeiten, ist keine Lösung. Wer sich an einen Arbeitsplatz setzt, kommt besser in einen gefühlten Arbeitsmodus. Ebenso bietet sich morgens vor Arbeitsbeginn ein Videogruß ans Kollegium an, bei dem alle draußen stehen, um den Tag gleich mit Bewegung an der frischen Luft zu starten. Alle anderthalb bis zwei Stunden ist eine zweiminütige Pause einzulegen. Die kurze Pause an einem anderen Ort, aufstehen und das Fenster öffnen – das bringt Abwechslung. Gleiches gilt für die Pause in der Natur und mit Bewegung. Ebenso wichtig: Setzen Sie sich eine Deadline für Ihren Feierabend und klare arbeitsfreie Zeiten. Fahren Sie dann Ihren Rechner auch wirklich herunter und lesen Sie keine E-Mails mehr. Ausreichend Schlaf sollte absolute Priorität haben.
4. Stressmanagement
Ein bewusster Umgang mit Stress und die Stärkung der eigenen Resilienz sind wichtige Fähigkeiten, um den Arbeitsalltag gut zu bewältigen. Dazu gehört neben bewussten Pausen auch eine innere Haltung, die hilft, auch in anstrengenden Phasen Gelassenheit zu bewahren. Stress ist nicht als Bedrohung zu betrachten, sondern als Herausforderung. Wie Sie Stress bewerten, trägt viel dazu bei, wie Sie Stress bewältigen. Gedanken, Überzeugungen und Empfindungen können mehr Stress auslösen als die objektiven Merkmale der Situation. Dann reagiert der Körper entsprechend. Relativieren Sie Ihre Gedanken und verändern Sie Ihre Bewertung: Was würden Dritte in dieser Situation sagen? Welche Situation war gegebenenfalls schon schlimmer als diese? Welche positiven Konsequenzen hat die Situation
5. Beziehungsmanagement
Das Pflegen von Beziehungen gilt als wichtigste Burn-out-Prävention. Der Effekt zwischenmenschlicher Beziehungen auf unser Wohlbefinden ist enorm Der US-amerikanische Professor für Management, Kim Cameron, hat ermittelt, dass schlechte Beziehungen die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, um 70 Prozent erhöhen – deutlich vor dem Rauchen, exzessivem Trinken oder Fettleibigkeit. Wer allein zu Hause arbeitet, sollte durch Videokonferenzen und Chat-Tools das Band zu anderen täglich knüpfen. Auch ein Telefonat zwischendurch, das sich nicht allein um Sachthemen dreht, sondern auch zwei, drei Minuten um das persönliche Befinden, hilft der Beziehungspflege.
Fakt ist: Arbeitsförderliche Beziehungen sind kein Zufall, sondern ein Entwicklungsergebnis. Im Job sollte man mindestens drei Vertraute haben, die einen unterstützen und Erfolge mitfeiern.
6. Kommunikation
Es gibt keine Faustregel dafür, wie oft eine Führungskraft aus dem Homeoffice heraus mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommunizieren sollte. Die Bedürfnisse sind durchaus unterschiedlich. Eine Empfehlung für Führungskräfte sind Ad-hoc-Anrufe: Um Dinge kurz abzuklären, eignet sich auch mal das Telefon statt einer E-Mail. Häufig geht durch das Arbeiten im Homeoffice jene Kommunikation verloren, die sonst in der Teeküche, zwischen Tür und Angel oder von Schreibtisch zu Schreibtisch im Großraumbüro gelaufen wäre. Zeigen Sie als Führungskraft, dass Sie Ihr Team dennoch wahrnehmen und Interesse an ihm haben. Sie sollten Anerkennung für Geleistetes und Wertschätzung äußern, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Oder auch einmal nach Erfolgen und positiven Entwicklungen fragen. Klar ist, Ressourcen, erforderliche Arbeitsmittel und die Erwartung an die Führungskraft mit dem Team zu besprechen.
7. Emotionen
In Krisenzeiten kommen bei den Menschen Ängste auf. Vertriebsmitarbeitende haben zum Beispiel bei Kontakten mit Kundschaft Sorge, sich mit dem Coronavirus anzustecken – insbesondere, wenn sie selbst oder Familienangehörige zur Risikogruppe gehören. Darauf müssen Führungskräfte Rücksicht nehmen und Lösungen anbieten, wie beispielsweise die Aufgaben innerhalb des Teams umzuverteilen. Was sich hinter Ängsten verbirgt, ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Es hilft nicht, auf Ängste mit Durchhalteparolen, Bagatellisierung oder Beschwichtigungen zu reagieren. Vielmehr sollten Sie genau hinhören, im Gespräch präsent sein und sich Tipps jeder Art sparen. Erst wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wenig Abstand zu ihrer Angst gewonnen haben, lässt sich gemeinsam schauen, was sie brauchen. Wecken Sie positive Emotionen bei Ihrem Team – sie sind der Nässeschutz gegen die Regentropfen des Lebens. Denn sie helfen uns, negative Affekte und Erlebnisse abzuwettern.
8. Zuversicht durchs Zukunftsbild
Es gibt eine Technik im Mentaltraining, die mit Visualisierung arbeitet. Dabei stellt man sich vor, wie das Leben in einem Jahr aussieht: „Wo will ich stehen – im Beruf, mit dem Team als Führungskraft, mit der Familie?“ Wer ein positives Bild vor dem inneren Auge heraufbeschwört, kann einen ressourcenvollen Zustand erreichen. Aus diesem Zustand lässt sich dann gemeinsam mit dem Team auf das Heute schauen. Das gemeinsame Suchen nach Lösungen hilft, das Zukunftsbild wahr werden zu lassen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Neue Normalität. Das Heft können Sie hier bestellen.