In den letzten Wochen und Monaten habe ich diverse Recruiting-Workshops für die verschiedensten Branchen durchgeführt. Man fände keine Leute fürs Unternehmen, bekäme keine Bewerbungen. „Fachkräftemangel“, wo man geht und steht. Als ich jüngst an der Mosel wandern war, klagten mir auch die Wirte unisono ihr Leid vom Fachkräftemangel. Man fände keine Leute mehr, müsse den Weinberg verkaufen, weil man sich da nicht auch noch drum kümmern könne und ja, den Restaurant-Betrieb könne man auch nicht aufrechterhalten. Müssen sich die Gäste eben mit Frühstück zufriedengeben. Bei solchen Nachrichten werde ich immer hellhörig und frage dann, was man denn bisher unternommen habe, um Bewerbungen zu bekommen. Während einem die einen dann noch ein, zwei Jobbörsen auflisten können, wo man erfolglos schaltete, erntet man bei anderen nur ein Schulterzucken. Ohnehin habe man ja keine Ressourcen, wann in aller Welt solle man sich dann noch um die Mitarbeitergewinnung kümmern?
Eine unbesetzte Stelle kostet mehr als Maßnahmen, diese zu besetzen
Kommt Ihnen das bekannt vor? Vielleicht mangelt es auch Ihnen an dringend benötigtem Budget? Den Zahn mit dem nicht vorhandenen Budget kann ich Ihnen schnell ziehen: Rechnen Sie einfach nur mal aus, was es Sie kostet, wenn Sie eine Stelle nicht besetzen können. Anhand der so genannten Cost of Vacancy (C. O. V.) werden Sie schnell feststellen, hoppla, es kommt mich ja viel teurer zu stehen, wenn ich niemanden einstelle, als wenn ich in entsprechende Recruiting-Maßnahmen investiere. Aber das nur am Rande, die C. O. V. soll heute nicht das Thema sein. Vielmehr geht es um die Frage nach dem Warum.
Warum soll sich jemand für Sie als Arbeitgeber entscheiden?
Warum tun Sie eigentlich das, was Sie als Unternehmen tun, was ist Ihr Spirit, Ihre Mission, die Sie antreibt? Und warum soll sich jemand für Sie als Arbeitgeber entscheiden und sich bei Ihnen bewerben? Sie können der „erfolgreichsten“ und „größten“ Jobbörse dieser Welt noch so viele Euro in den Rachen stopfen, kann Ihre Stellenanzeige (und natürlich auch alle anderen Maßnahmen, die Sie hoffentlich initiieren) diese Fragen nicht beantworten, ist die Chance sehr gering, die passenden Menschen zu gewinnen. Auch wenn Stepstone vor einer „Arbeiterlosigkeit“ warnt, ist dies kein Grund, den Nächstbesten einzustellen. Es geht immer um die passenden Menschen, nicht um irgendwen.
Menschen stellen sich vermehrt die Sinnfrage
Immer mehr Menschen stellen sich die Sinnfrage. „Was mache ich eigentlich hier in meinem Job?“ oder auch „Was mache ich hier eigentlich in diesem Unternehmen?“, das sind Fragen, die sich nicht wenige in Hoch-Zeiten von Corona gestellt haben. Und sogar ihre Kündigung einreichten, obwohl sie keinen neuen Job in Aussicht hatten. Auch nach Corona setzt sich dieser Trend fort. Einer Xing-Umfrage zufolge sieht die Mehrheit der befragten Unternehmen jetzt deutlich größere Herausforderungen beim Recruiting als zuvor sowieso schon. Klar, die Menschen schauen deutlich genauer hin, wo sie als nächstes anheuern. Was kann mir dieses Unternehmen bieten, welche Möglichkeiten habe ich, mich in diesem Job weiterzuentwickeln, wie lässt sich das, was das Unternehmen tut, mit meinen Werten vereinbaren? Warum soll ich mich gerade dort bewerben – und nicht woanders? Das sind Fragen, die sich Jobsuchende beziehungsweise Jobwechselbereitwillige jetzt stellen.
Und es wäre gut, wenn Sie diese Frage beantworten könnten. Also: Was ist Ihr Warum?
Schauen Sie sich einmal um: Die meisten Unternehmen kommunizieren lediglich, was sie tun, wie sie es tun und – wenn überhaupt – dann erst warum sie es tun. Dabei ist es genau andersherum sinnvoll. Simon Sinek, Autor des Weltbestsellers „Start with why“ empfiehlt, immer mit dem Gefühl anzufangen. Sein Ratschlag: Stellen Sie Ihr Warum, Ihre Mission konsequent in den Mittelpunkt Ihrer Unternehmens- respektive Arbeitgeberkommunikation. Alles andere, also wie Sie arbeiten und was genau Sie tun, resultiert aus Ihrem Warum. Wenn Sie nicht wissen (oder es nicht kommunizieren), warum Sie tun, was Sie tun – woher sollen Außenstehende dann wissen, was Sie antreibt? Wie soll sich dann ein Funken entzünden, der sein Feuer in Form einer Bewerbung entfacht?
Erst wenn Sie Ihr Warum kennen, können Sie auch überzeugend kommunizieren, warum man sich bei Ihnen bewerben sollte. Probieren Sie es einfach aus. Behalten Sie dabei aber auch immer Ihre Zielgruppe im Blick, one-size-fits-all hat noch nie funktioniert im Recruiting.