Follow your instinct“, „Create your coffee“, „Play it your way“ oder „Do your thing“ – Marketing-Slogans, die den Empfänger in den Mittelpunkt rücken. Persönlichkeit und Individualität gewinnen in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Mit dem allgemeinen Wohlstandszuwachs eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten. Ein jeder kann sein Leben noch stärker nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen gestalten. Dabei ist das individualisierte Marketing durch die Nutzung von Cookies und Trackern längst gängige Praxis. Weshalb also nicht auch den eigenen Arbeitsplatz individualisieren und auf Wünsche und Bedürfnisse sowie kognitive Fähigkeiten des jeweiligen Arbeitnehmers abstimmen? Als Anhaltspunkt könnten neurologische Daten fungieren.
Ausgangspunkt: das Individuum
Das menschliche Gehirn ist mit seinen Milliarden von Neuronen und Synapsen an Komplexität kaum zu überbieten. Dabei steigt unser Verständnis mit dem technischen und medizinischen Fortschritt in den Neurowissenschaften ständig an. Damit gehen auch für das Arbeitsumfeld juristisch interessante Chancen und Risiken einher. In Zukunft wäre es zum Beispiel denkbar, aufgrund neurologischer Daten Zusatzleistungen individuell anzupassen, um die extrinsische wie intrinsische Motivation eines Arbeitnehmers zu steigern. Auch eine Ausrichtung der konkreten Tätigkeitsfelder nach stärker oder schwächer ausgeprägten Teilen des Gehirns wären vorstellbar. Zudem könnten gesundheitliche Risiken frühzeitig erkannt und behandelt, könnte Krankheiten gar vorgebeugt werden. Mit der Förderung der Gesundheit wäre der Arbeitgeber in der Lage, seiner Fürsorgepflicht noch besser nachzukommen. Und der Arbeitnehmer wiederum könnte sich durch eine zunehmende Individualisierung des Arbeitsumfeldes wertgeschätzt fühlen und wäre dadurch produktiver.
Doch lässt sich neurologisch überhaupt schon erfassen, ob man mit einem Firmenwagen effektiver arbeitet als mit täglichem kostenlosem Mittagessen? Und dürften Arbeitgeber diese Informationen überhaupt verwenden?
Stand der Forschung
Die Wissenschaft kommt in dieser Hinsicht zu immer bahnbrechenderen Erkenntnissen und Resultaten. So haben Wissenschaftler der Kyoto Universität im Januar 2018 eine künstliche Intelligenz vorgestellt, die gedankliche Formen und Farben visualisieren kann. Durch die Digitalisierung von neuronalen Signalen wird auch die futuristisch anmutende Vorstellung, dass Gedanken durch den Einsatz von Neurotransmittern in Worte umgewandelt und auf Bildschirmen schließlich lesbar gemacht werden können, immer mehr zur Realität.
Aussagekräftige neurologische Daten werden gegenwärtig oft über das sogenannte Functional Magnetic Resonance Imaging (kurz fMRI) gewonnen. Hierbei handelt es sich um ein bildgebendes Verfahren, mit dem insbesondere die Hirnaktivität anhand der Methoden der Magnetresonanztomographie (MRT) dargestellt werden können. Mithilfe dieser Methode ist es in nicht allzu ferner Zukunft sicher auch möglich, Erkenntnisse zu gewinnen, die für eine Individualisierung des Arbeitsumfeldes nützlich sind.
Derzeit erfordert das fMRI jedoch noch erheblichen Aufwand. Die zu untersuchende Person muss sich für einige Zeit in eine Magnetröhre begeben und darin ausharren, bis entsprechende anatomische Bilder angefertigt wurden. In Kombination mit Daten eines „durchschnittlichen“ Gehirns können anschließend Aktivierungskarten erstellt werden. So wird visualisiert, wo und wann im Gehirn wie viel Sauerstoff verbraucht wird. Diese Informationen lassen unter Umständen Rückschlüsse auf eine besonders stark ausgeprägte Gehirnzone zu. Entsprechend könnte das Arbeitsumfeld an die kognitiven Stärken und Schwächen eines jeden Arbeitnehmers angepasst werden.
Ebenso könnte die Arbeitszeit je nach Belastungsfähigkeit variieren. Sogar eine individualisierte Anpassung der Anreize für jeden Arbeitnehmer wäre vorstellbar. Aufgrund der (noch) begrenzten Aussagekraft der Ergebnisse und der derzeitigen Impraktikabilität der fMRI-Methode ist eine entsprechende Verwendung in der Personaldiagnostik zwar Zukunftsmusik. Allerdings haben die Entwicklungen der vergangenen Jahre gelehrt, dass heute noch Fernliegendes morgen schon alltäglich nutzbar sein kann. Doch ist nicht alles, was technisch möglich ist, auch rechtlich erlaubt.
Datenschutzrechtliche Probleme
Ein Einsatz der genannten Mittel wäre auf dem europäischen Arbeitsmarkt nicht zuletzt wegen der 2018 in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) kaum denkbar. Die Vorschrift untersagt nämlich grundsätzlich die Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Denn sie stehen unter einem besonderen Schutz, da bei ihrer Verarbeitung Probleme mit Grundrechten und Grundfreiheiten naheliegen.
Gesundheitsdaten sind gemäß der DSGVO „personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen.“ Da sich neurowissenschaftliche Informationen auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person beziehen, fallen sie unter dieses Gesetz.
Das Verbot zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten kann durch eine Einwilligung des Betroffenen in die Verarbeitung der konkreten Daten aufgehoben werden (Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO). Dabei muss die Einwilligung für einen konkreten Fall freiwillig, nach ausreichender Information des Betroffenen, und unmissverständlich abgegeben werden.
Doch ist die Einwilligung in eine vom Arbeitgeber vorgeschriebene Eignungsuntersuchung noch als freiwillig zu werten? In bestimmten Fällen, so zum Beispiel für die Fahrerlaubnis für Taxen oder Krankenwagen, wird durch das Gesetz beziehungsweise die Rechtsverordnung eine Eignungsuntersuchung vorgeschrieben. Die Rechtsfolge der Untersuchung muss sich aus der Rechtsgrundlage ergeben. In solchen Sonderfällen sieht die DSGVO Ausnahmen vor. Liegt hingegen keine Rechtsgrundlage vor, kann der Arbeitgeber während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses eine Eignungsuntersuchung nur in sehr engen Grenzen verlangen (§§ 611, 242, 241 Abs. 2 BGB), sofern begründete Zweifel an der Tauglichkeit bestehen. Eignungsuntersuchungen mit dem Ziel einer Individualisierung des Arbeitsplatzes können daher nicht für jeden Arbeitsplatz im Einklang mit den Vorschriften der DSGVO vorgenommen werden. Insofern bedürfte es der Schaffung einer diese Untersuchungen legalisierenden Rechtsgrundlage. Daneben wären neurologische Untersuchungen zulässig bei einer freiwilligen Einwilligung des Arbeitnehmers. Hierfür müsste es dem Arbeitgeber nur gelingen, seinem Arbeitnehmer die Vorteile eines individualisierten Arbeitsplatzes nahezubringen.
Arbeitsrechtliche Aspekte
Selbst bei Zulässigkeit solcher (Eignungs-)Untersuchungen dürften die erhobenen Informationen einer betriebsärztlichen Untersuchung aber nicht ohne weiteres an den Arbeitgeber weitergeleitet werden. Schließlich gilt es, missbräuchliche Verwendungen zu vermeiden. Auch der Betriebsarzt untersteht der ärztlichen Schweigepflicht (§ 8 Abs. 1 Satz 3 Arbeitssicherheitsgesetz). Die Weiterleitung von Informationen des Arztes an den Arbeitgeber ist daher auf das Ergebnis der gesundheitlichen Geeignetheit der Person für eine konkrete Arbeitsaufgabe beschränkt. Eine Weitergabe über das Ergebnis hinausgehender Informationen an den Arbeitgeber hängt wiederum von der Einwilligung des Arbeitnehmers ab.
Eine allgemeine psychologische Begutachtung eines Bewerbers oder Arbeitnehmers ist unzulässig. Auch die psychische Eignung für eine Arbeitsaufgabe durch ein psychologisches Gutachten hängt von der Einwilligung des Betroffenen ab. Somit wäre es auch unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten nur bei Vorliegen einer freiwilligen Einwilligung des Betroffenen möglich, neurologische Daten zu erheben und zu verarbeiten.
Dabei gilt es, im Hinblick auf die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Diskriminierungen zu vermeiden. Von Bedeutung könnte hier insbesondere das Merkmal der Behinderung sein. Es umfasst Einschränkungen, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sind, ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bilden und wahrscheinlich von langer Dauer sind. Sollte bei einer neurologischen Untersuchung ein kognitives Defizit festgestellt werden, könnte das unter Umständen unter den Begriff der Behinderung fallen. Eine Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers aufgrund des Ergebnisses wäre selbstverständlich untersagt.
Risiken
Mit der Erhebung neurologischer Daten von Arbeitnehmern geht neben den aufgezeigten Möglichkeiten zur individuellen Förderung auch ein massives Missbrauchsrisiko einher. Gewisse Krankheiten können beispielsweise durch neurologische Untersuchungen frühzeitig erkannt werden. Sie böten das Potenzial des Missbrauchs zur Begründung einer personenbedingten Kündigung. Überdies besteht die Gefahr von Diskriminierung, wenn bei einer Einstellungsuntersuchung bestehende oder zukünftige Einschränkungen entdeckt werden. Sofern eine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Gesundheitsdaten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffen würde, müssten ausreichende Sicherungsmechanismen zum Schutz der Arbeitnehmer vorgesehen werden.
In Anbetracht des erwähnten Missbrauchspotenzials wäre es jedenfalls notwendig, solche Untersuchungen erst nach mehr als sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu erlauben. Ab diesem Zeitpunkt greifen das Kündigungsschutzgesetz sowie der besondere Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer.
Fazit
Selbst ohne rechtliche Bedenken sind die genannten Methoden noch nicht ausgereift und hätten heutzutage lediglich einen begrenzten Nutzen für Personalabteilungen. Persönliche Interviews und kognitive Leistungstests sind nach wie vor für die bestmögliche Beurteilung des Bewerbers und eine Individualisierung des Arbeitsplatzes unabdingbar. Mit Blick in die Zukunft wird die Bedeutung neurologischer Daten für Personalabteilungen jedoch sicher steigen. Nach derzeitiger Gesetzeslage bedarf ihre Verarbeitung aber stets einer freiwilligen Einwilligung des betroffenen Arbeitnehmers.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Neuro. Das Heft können Sie hier bestellen.