Arbeitsrecht: Worauf sich Arbeitgeber 2023 einstellen müssen

Änderungen im Arbeitsrecht

Im Jahr 2023 führen einige Gesetzesänderungen zu Veränderungen in der Arbeitswelt. Zudem hat das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr Entscheidungen getroffen, die zukünftig die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten beeinflussen werden. Die wichtigsten Änderungen und relevantesten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts werden im Folgenden kurz dargestellt.

Anpassungen im Zusammenhang mit Covid-19

Die Bundesregierung hat bereits zum 1. Oktober 2022 eine neue Fassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung beschlossen. Bereits im September 2022 wurde das Infektionsschutzgesetz angepasst. Bis zum 7. April 2023 treffen Arbeitgeber erweiterte Pflichten aufgrund der Änderung der Arbeitsschutzverordnung. Im Gegenzug werden ihnen aber auch Erleichterungen zuteil: Arbeitgeber sind verpflichtet, ihr betriebliches Hygienekonzept zu stärken oder erstmals zu entwerfen. Zudem sind Arbeitgeber verpflichtet, die Impfquote zu erhöhen. Hierzu sollen konkrete Angebote oder Unterstützungen für die Arbeitnehmenden durch den Arbeitgeber erfolgen.

Mit Beschluss des Bundesrates vom 16. September 2022 wurde die Möglichkeit der digitalen Betriebsratsarbeit verlängert. § 129 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz wurde dahingehend geändert, dass die Sonderregelung bis zum 7. April 2023 fortgelten wird. Dies führt dazu, dass Betriebsversammlungen und Sitzungen der Einigungsstelle digital, per Video- oder auch per Telefonkonferenz durchgeführt werden können.

Erhöhung des Mindestlohns sowie Verbesserungen im Bereich der Pflege

Der gesetzliche Mindestlohn wurde am 1. Oktober 2022 auf EUR 12,00 pro Stunde deutlich angehoben. Aus diesem Grund ist eine weitere Erhöhung im Jahr 2023 nicht vorgesehen. Ausnahme: Im Bereich der Pflege wird der Mindestlohn im Jahr 2023 stufenweise erhöht. Die konkrete Anhebung richtet sich danach, welche Ausbildung die jeweilige Pflegekraft abgeschlossen hat. Die Erhöhung erfolgt in zwei Stufen. Die erste Stufe entfaltet zum 1. Mai 2023 und die zweite zum 1. Dezember 2023 ihre Wirkung.

Nach der 5. Pflegearbeitsbedingungsverordnung erhalten Pflegekräfte für das Jahr 2022 einen zusätzlichen Mehrurlaub von sieben Tagen (bei einer Fünf-Tage-Woche), für die Jahre 2023 und 2024 jeweils in Höhe von neun Tagen. Dies hat zur Folge, dass für die Jahre 2023 und 2024 ein Mindesturlaubsanspruch in Höhe von 29 Urlaubstagen besteht.

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Nachdem die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) von Januar 2022 auf Juli 2022 verschoben worden war und sich seitdem in einer Pilotphase befindet, sind Arbeitgeber seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet, Daten der Arbeitsunfähigkeit der gesetzlich versicherten Arbeitnehmenden bei den gesetzlichen Krankenkassen abzurufen. Die Verpflichtung der Arbeitnehmenden, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, entfällt somit. Weiterhin besteht die Pflicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sich beim Arbeitgeber unverzüglich arbeitsunfähig zu melden und dies gegebenenfalls auch vom Arzt feststellen zu lassen.

Vorerst werden Beschäftigte auch weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom behandelnden Arzt erhalten, sind jedoch nicht zur Vorlage beim Arbeitgeber verpflichtet. Für privat versicherte Arbeitnehmende gelten die bisherigen Regelungen weiterhin.

Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes

Zum 1. Januar 2023 tritt das neue Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz in Kraft – mit dem Ziel, Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Vom Anwendungsbereich des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes sind Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten erfasst. Insbesondere müssen die erfassten Unternehmen Risiken in ihrer Lieferkette ermitteln und diese bewerten oder priorisieren. Darüber hinaus hat das Unternehmen eine sogenannte Grundsatzerklärung zur unternehmerischen Menschenrechtsstrategie abzugeben.

Die Sorgfaltspflichten der vom Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz erfassten Unternehmen erstrecken sich grundsätzlich auf die gesamte Lieferkette. Auch mittelbare Zulieferer sind einzubeziehen, sofern das Unternehmen Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen erhält. Deshalb sind betroffene Unternehmen verpflichtet, Beschwerdekanäle für die in den Lieferketten tätigen Personen einzurichten und regelmäßig Bericht über das Lieferkettenmanagement zu erstatten. Bei Verstößen drohen Bußgelder in Höhe von 100.000 Euro bis hin zu zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.

Ab dem 1. Januar 2024 wird der Schwellenwert im Hinblick auf die Unternehmensgröße sinken, sodass ab diesem Zeitpunkt bereits Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmenden erfasst werden.

Hinweisgeberschutzgesetz

Die Bundesregierung ist europarechtlich verpflichtet, die Whistleblower-Richtline umzusetzen. Allerdings konnte die Bundesregierung kein konkretes Hinweisgeberschutzgesetz verabschieden. Derzeit befindet sich der Gesetzesentwurf beim Bundesrat. Es wird derzeit mit einem Inkrafttreten in der ersten Hälfte des Jahres 2023 gerechnet.

Der jetzige Gesetzesentwurf sieht vor, dass Betriebe eine interne Meldestelle einrichten müssen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kontaktieren können, wenn sie auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Unternehmen aufmerksam machen wollen. Das Gesetz soll zudem Übergangspflichten regeln. Demnach müssen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten die Regeln ab dem Inkrafttreten umsetzen, Unternehmen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern werden voraussichtlich eine Schonfrist bis zum 17. Dezember 2023 zur Umsetzung erhalten.

Verlängerung des vereinfachten Zugangs zum Kurzarbeitergeld

Die Bundesregierung hat die Sonderregelung zum vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergelt bis Ende Juni 2023 verlängert. Kurzarbeitergeld kann mithin bereits weiterhin gezahlt werden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von einem Entgeltausfall betroffen sind. Auch für Leiharbeitnehmende ist der Bezug von Kurzarbeitergeld weiterhin möglich.

Berufliche Weiterbildung während der Kurzarbeit

Bis 31. Juli 2023 kann der Arbeitgeber staatliche Zuschüsse für Ausgaben zur beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten. Voraussetzung ist, dass die Weiterbildung in einem Zeitraum während der Kurzarbeit begonnen wurde, die Maßnahme mindestens 120 Zeitstunden umfasst und sowohl die Maßnahme als auch der Träger zugelassen sind (Zertifikat der Träger- und Maßnahmenzulassung).

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

Vor allem mit zwei großen Entscheidungen im Jahr 2022 hat das Bundesarbeitsgericht zukünftige Entwicklungen im Arbeitsrecht maßgeblich beeinflusst.

1. Verjährung von Urlaubsansprüchen

Der Europäische Gerichtshof hat am 22. September 2022 (Aktenzeichen: C-120/21) entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub durch nationale Verjährungsregelungen nur verfallen könne, wenn die betroffene Arbeitnehmerin oder der betroffene Arbeitnehmer durch ihren/seinen Arbeitgeber zuvor rechtzeitig auf die Gefahr des Urlaubsverfalls hingewiesen und zur Urlaubsnahme aufgefordert worden sei. Ohne eine entsprechende Aufklärung könne sich der Arbeitgeber nicht auf nationale Verjährungsregelungen berufen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wurde am 20. Dezember 2022 vom Bundesarbeitsgericht umgesetzt. Es hat entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaub nur dann verjähren kann, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten frühzeitig auf ihren Urlaubsanspruch hinweisen und diese zudem darauf aufmerksam machen, dass die Nichtinanspruchnahme des gesetzlichen Mindesturlaubs zu dessen Verfall führt.

Die Frage, ob das Urteil des Bundesarbeitsgerichts nur den eigentlichen Urlaubsanspruch oder auch den Urlaubsabgeltungsanspruch betrifft, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Für diese Frage hängt es maßgeblich davon ab, ob Urlaubsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche „gleich“ zu behandeln sind. Aus der bislang vorliegenden Pressemitteilung des Gerichts ist dies nicht ableitbar.

2. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

Die grundsätzliche Frage, die dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 zugrunde lag, war nicht eine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung, sondern vielmehr, ob der Betriebsrat vor Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems ein Mitbestimmungsrecht hat.

Das Bundesarbeitsgericht nahm jedoch nicht lediglich zur mitbestimmungsrechtlichen Frage Stellung, sondern führte dazu aus, dass die Mitbestimmung deshalb ausscheide, da der Arbeitgeber schon längst gesetzlich zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet sei. Diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung leitet der Senat aus § 3 Absatz 2 Nummer 1 Arbeitsschutzgesetz ab.

Zwar sei es Arbeitgebern nach der Rechtsprechung des Senats gestattet, die Arbeitszeiterfassung an ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu delegieren; der Arbeitgeber habe jedoch die tatsächliche und korrekte Arbeitszeiterfassung sicherzustellen. Vorgaben zur Art und Weise der Arbeitszeiterfassung existieren derzeit nicht. Für die Praxis in Betrieben und Unternehmen ist gleichwohl relevant, dass eine solche Verpflichtung nun erstmalig von einem Gericht bestätigt worden ist.

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Dr. Dietmar Olsen Foto: Michael Westermann

Dietmar Olsen

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Dr. Huber Dr. Olsen Kanzlei für Arbeitsrecht
Dr. Dietmar Olsen ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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