Dürfen Arbeitgeber das Tragen religiöser Symbole verbieten?

Rechtsprechung

Dürfen Arbeitgeber das Tragen religiöser Symbole verbieten oder nicht? Diese Frage – im Spannungsfeld der Grundrechte – beschäftigt seit Jahren die Rechtsprechung auf verschiedenen Ebenen. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof eine weitere Entscheidung getroffen und damit grundsätzlich die Rechte der Arbeitgeber gestärkt.

Der Fall

Die Klägerin, eine französische Muslimin, die das Kopftuch trägt, hatte sich bei der Wohnungsgesellschaft S.C.R.L. um ein Praktikum beworben. In einem Gespräch erklärte die Bewerberin, dass sie ihr Kopftuch nicht abnehmen werde, um der bei S.C.R.L. geltenden und in ihrer Arbeitsordnung niedergelegten Neutralitätspolitik nachzukommen. Daraufhin wurde ihre Bewerbung abgelehnt. Einige Wochen später hatte sie sich erneut beworben, diesmal mit dem Angebot, eine andere, nicht-religiöse Kopfbedeckung zu tragen. Die Beklagte lehnte auch diese Bewerbung mit der Begründung ab, dass in ihren Geschäftsräumen gar keine Kopfbedeckung erlaubt sei, unabhängig davon, ob es sich um eine religiöse oder nicht-religiöse Kopfbedeckung wie eine Mütze oder Kappe handele.

In ihrer Unterlassungsklage vor einem französischen Arbeitsgericht hat die Klägerin gerügt, dass die Ablehnung ihrer Bewerbung unmittelbar oder mittelbar auf ihrer religiösen Überzeugung beruhe und die Beklagte damit gegen die Bestimmungen des allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes verstoßen habe. Das Arbeitsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof daraufhin die Frage vorgelegt, ob die in der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78) verwendeten Begriffe „Religion oder … Weltanschauung“ als zwei Facetten ein und desselben geschützten Merkmals oder vielmehr als zwei verschiedene Merkmale anzusehen seien. Außerdem hat das Arbeitsgericht gefragt, ob das in der Arbeitsordnung der Beklagten niedergelegte Verbot, ein konnotiertes Zeichen oder Bekleidungsstück zu tragen, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstelle.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. Oktober 2022 (C-344/20) entschieden, dass es sich bei den Begriffen „Religion oder … Weltanschauung“ um einen einzigen Diskriminierungsgrund handelt, der sowohl religiöse als auch weltanschauliche oder spirituelle Überzeugungen umfasst. Ein Verbot, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen durch Worte, Kleidung oder auf andere Weise zum Ausdruck zu bringen, stelle keine unmittelbare Diskriminierung dar. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Verbot allgemein und unterschiedslos angewandt werde. Dies sei damit zu begründen, dass das Verbot nicht an das Vorliegen einer Religion oder Weltanschauung anknüpfe, sondern unabhängig davon für jede Person gelte.

Jedoch könne die Regelung in der Arbeitsordnung der Beklagten eine mittelbare Diskriminierung darstellen, wenn die an sich neutrale Regelung tatsächlich dazu führe, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden. Dabei liege allerdings keine mittelbare Diskriminierung vor, wenn das Verbot durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich seien. Bei dieser Abwägung haben die Mitgliedsstaaten einen gewissen Wertungsspielraum, bei der die Gewichtung unterschiedlicher Interessen im innerstaatlichen System berücksichtigt werden können.

Praxishinweis

Der Europäische Gerichtshof führt seine Rechtsprechung fort, nach der eine allgemeine Neutralitätsregel als mittelbare Benachteiligung gerechtfertigt werden kann. Das Urteil stellt Arbeitgeber aber auch vor eine Herausforderung. Das erforderliche Ziel eines Arbeitgebers gegenüber Dritten, eine politische, weltanschauliche oder religiöse Neutralität nach außen darzustellen, setzt ein tatsächlich nachgewiesenes Bedürfnis nach einer solchen Neutralität voraus. Ob der Religionsfreiheit bei der Interessenabwägung zur Beurteilung der Angemessenheit der Neutralitätsregel eine größere Bedeutung als der unternehmerischen Freiheit beizumessen ist, richtet sich nach den Wertungen des nationalen Rechts.

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Joachim Huber, Foto: Privat

Joachim Huber

Dr. Joachim Huber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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