Hinweisgeberschutzgesetz: Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Whistleblowing

Seit Sommer letzten Jahres ist in Deutschland das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Es verpflichtet Arbeitgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern unter anderem zur Einrichtung einer internen Meldestelle. Weder die zu Grunde liegende EU-Richtlinie noch das Gesetz sagen dazu etwas zur Beteiligung des Betriebsrats. Daher können sich Beteiligungsrechte des Betriebsrats nur aus dem allgemeinen Betriebsverfassungsrecht ergeben.

Was sagt das Betriebsverfassungsgesetz?

Unstrittig dürfte sein, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß Paragraf 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) über die Einrichtung der internen Meldestelle zu informieren hat. Darüber hinaus kommen Zustimmungsrechte für etwaige Einstellungen oder Versetzungen in Betracht, wenn die interne Meldestelle nicht ausgelagert, sondern – trotz diverser damit verbundener Nachteile – mit eigenen Arbeitnehmern besetzt wird. In diesem Fall kann der Betriebsrat auch insoweit zu beteiligen sein, als den dafür vorgesehenen eigenen Mitarbeitern in betrieblichen Schulungen die vom Gesetz geforderte Fachkunde vermittelt werden soll.

Die vorgenannten Themen dürften in der Praxis meist unproblematisch sein. Brisanter ist die Frage, ob Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung der internen Meldekanäle bestehen. Dies ist insofern von großer Relevanz, als die Maßnahme ansonsten individualrechtlich unwirksam ist, wie sich aus der sogenannten Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ergibt. Mitbestimmungsrechte könnten sich zum einen aus Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG ergeben, wenn die Meldestelle als technische Einrichtung zur Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Arbeitnehmer gewertet werden muss. Letzteres ist unseres Erachtens nicht der Fall, da die Überwachung bei einer Meldestelle nicht von dieser selbst ausgeht, sondern allenfalls von den Personen, die die gemeldeten Sachverhalte bearbeiten. Diesen Fall meint das Gesetz nicht (dazu näher Zimmer/Millfahrt, Betriebs-Berater2023, 1269, 1271 f.).

Ordnung oder Organisation des Betriebs

Interessanter ist die Frage, ob es sich bei der Regelung der internen Meldestelle um eine Frage der Ordnung des Betriebs handelt, für die Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG die Mitbestimmung vorsieht. Dies ist nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom  vom 22.07.2008 – 1 ABR 40/07 – jedenfalls dann der Fall, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten verpflichten möchte, bestimmte Sachverhalte zu melden.

Legt der Arbeitgeber hingegen keine Meldepflicht von Verstößen fest, ist eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht unbedingt erforderlich. Für einen ähnlichen Fall, nämlich die Besetzung einer Beschwerdestelle nach Paragraf 13 Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 21.07.2009 – BAG 1 ABR 42/08 – ausdrücklich entschieden: Der Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht bei deren näherer Ausgestaltung und Besetzung, denn dies betreffe nicht die Ordnung, sondern die Organisation des Betriebs. Dies gelte auch bei der Gestaltung der internen Meldestelle, so dass ein Mitbestimmungsrecht hierbei entfällt.

Ausgestaltung des Meldeverfahrens

Die nachfolgende Frage wäre dann, ob die Ausgestaltung des Meldeverfahrens mitbestimmungspflichtig ist. Dies ist nach unserer Ansicht jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber die – in seinem freien Ermessen stehende – Entscheidung getroffen hat, die interne Meldestelle auf einen betriebsfremden Dienstleister zu delegieren. In diesem Fall ist das Thema aus der betrieblichen Sphäre herausgenommen, wodurch ein Bestimmungsrecht entfällt, denn das BAG hat mit Urteil vom  Beschluss vom 21.07.2009 – 1 ABR 42/08 –  ein Mitbestimmungsrecht nur dann angenommen, wenn die Stelle im Betrieb angesiedelt wird. Hierzu gibt es jedoch anderslautende Stimmen im Schrifttum, so dass es weiterer Gerichtsentscheidung bedarf, um zu einer belastbaren Auskunft zu gelangen.

Kein Zwang zu anonymen Meldewegen

Klar ist, dass der Arbeitgeber weder durch den Betriebsrat noch durch eine Einigungsstelle gezwungen werden kann, anonyme Hinweise zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hat hierzu in Paragraf 16 Absatz 1 Satz 5 HinSchG ausdrücklich geregelt, dass kein Arbeitgeber anonyme Meldungen ermöglichen muss. Aufgrund dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung kann auch durch eine Einigungsstelle keine Verpflichtung zur Gewährung anonymer Meldungen begründet werden. Dies folgt schon aus dem Einleitungssatz von Paragraf 87 Betriebsverfassungsgesetz, wonach ein Mitbestimmungsrecht entfällt, soweit eine gesetzliche Regelung besteht.

Freiwillige Beteiligung des Betriebsrats ratsam

Unabhängig davon, ob Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen, kann sich eine freiwillige Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat zur Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes anbieten. Dies fördert zum einen die Akzeptanz in der Belegschaft, verringert das Risiko eines Gerichtsverfahrens oder der gerichtlichen Einsetzung einer Einigungsstelle und kann schließlich die datenschutzrechtliche Grundlage für Maßnahmen des Arbeitgebers bilden, soweit diese noch nicht gesetzlich gedeckt sind.

Betriebsrat als interne Meldestelle ungeeignet

Gänzlich abzuraten ist von der teilweise vorgeschlagenen Idee, den Betriebsrat als interne Meldestelle fungieren zu lassen. Abgesehen davon, dass die hiervon nach dem Gesetz vorausgesetzte Eignung nicht überall vorhanden sein dürfte, hat er seinem gesetzlichen Auftrag nach nicht die nötige Unabhängigkeit, die das Gesetz hierfür voraussetzt.

Daneben stellt sich das weitere Problem, dass der Betriebsrat kein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich derjenigen Sachverhalte hat, die ihm von Seiten der Belegschaft übermittelt werden – oft in beidseitiger Überzeugung der Vertraulichkeit. Kommt es jedoch zu einem behördlichen Verfahren, etwa vor Staatsanwaltschaft oder Gericht, muss der Betriebsrat über das aussagen, was ihm die Arbeitnehmer anvertrauten. Ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht steht Betriebsratsmitgliedern nicht zu – anders als bei Ärzten, Anwälten oder ähnlichen Berufsgeheimnisträgern (siehe Zimmer/Bertheau, Betriebs-Berater 2019, 2807). Dieser Umstand wird oft verkannt.

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Dr. Mark Zimmer

Dr. Mark Zimmer ist Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei ADVANT Beiten in München. Er berät Unternehmen in allen Personalfragen und hat eine besondere Expertise in Compliance-Themen.

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