Kündigung wegen fremdenfeindlicher Äußerungen auf Whatsapp

Arbeitsrecht

In der betrieblichen Kommunikation ersetzen Instant-Messaging-Dienste wie Whatsapp zunehmend die persönliche Kommunikation. Im Hinblick auf die digitale und „analoge“ private Kommunikation stellt sich die Frage, inwieweit im privaten Bereich veröffentlichte arbeits- und unternehmensbezogene Äußerungen und Meinungen kündigungsrechtlich relevant sind. Kern dieser Fragestellung ist die komplexe Unterscheidung zwischen der rein persönlichen Kommunikation der Mitarbeitenden und derjenigen, die einen (engen) Bezug zur beruflichen Tätigkeit hat. In rechtlicher Hinsicht müssen sich Unternehmen zusätzlich mit der Frage auseinandersetzen, ob die jeweiligen Chat-Inhalte zur Begründung personeller Maßnahmen und insbesondere in einem etwaigen Kündigungsschutzverfahren verwertbar sind. Entscheidend und hier der Grad der Vertraulichkeit der Kommunikation, der objektiv schwer zu messen ist, sowie ein betrieblicher Bezug der getätigten Äußerungen. Darum ging es auch in einem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 19. Juli 2021 (21 Sa 1291/20).

Sachverhalt

Der Kläger, technischer Leiter eines in der Ausländer- und Flüchtlingshilfe tätigen Vereins, hatte mit seinem privaten Handy in einer aus ihm und zwei weiteren Mitarbeitern des Vereins bestehenden Whatsapp-Gruppe in rassistischer und menschenunwürdiger Weise über Flüchtlinge und Beschäftigte des Vereins geschrieben. Er hatte Geflüchtete unter anderem als „parasitäre Lebensformen“, die ihren Wirt – gemeint waren in der Flüchtlingshilfe engagierte Personen – ähnlich einem „Bandwurm“ aussaugen würden, bezeichnet. Zudem unterstellte der Kläger, dass „Menschen aus Afrika jenseits der Sahara wegen ihrer soziokulturellen Herkunft Hygiene anders definieren“ würden. Als der Verein davon in Form von Chatprotokollen, die mutmaßlich von einem weiteren Chat-Teilnehmer sowohl dem Beklagten als auch der Lokalpresse zugespielt wurden, Kenntnis erlangte sprach er gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung aus.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht ArbG Brandenburg hatte mit Urteil vom 26. August 2020 (Az. 2 Ca 332/20) die Kündigung als unwirksam angesehen und den von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag zurückgewiesen. Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigung, löste das Arbeitsverhältnis jedoch gegen Zahlung einer Abfindung auf.

Das Gericht sah zunächst kein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot in der prozessualen Einführung der Chatprotokolle und begründete dies damit, dass die Einführung der Protokolle zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Beklagten erfolge und dieser seine Erkenntnisse zudem unaufgefordert durch Dritte und nicht aktiv durch eigene Beobachtung des Klägers gewonnen habe. Ferner beträfen die Äußerungen des Klägers in dem Chat nicht seinen höchstpersönlichen Lebensbereich. Letztlich sei die Einführung der Protokolle in den Prozess, da der Beklagte insoweit zur Ausübung der ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte handele (Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO), auch datenschutzrechtlich unbedenklich.

Jedoch sei die Kündigung nicht gerechtfertigt, da die Äußerungen des Klägers in einem vertraulichen Rahmen getätigt worden seien und die vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts falle. Auch eine fehlende Eignung des Klägers aufgrund seiner Haltung zu Geflüchteten sei nicht festzustellen, da der Kläger keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen habe.

Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg – anders als nach Ansicht der Vorinstanz – sei im betroffenen Arbeitsverhältnis aber keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit i.S.d. § 9 KSchG mehr zu erwarten. Die Voraussetzungen einer gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen damit ausnahmsweise vor, da der Verein im Falle einer Weiterbeschäftigung des technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten könne und die Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung (die für den Verein essenziell ist) und hauptamtlichen Personals dadurch beeinträchtigt werden könnte. Das Arbeitsverhältnis wurde daher gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Bei der Bemessung der Abfindung hat das Gericht ein Auflösungsverschulden des Gekündigten berücksichtigt, das sich allerdings wegen der angestrebten Vertraulichkeit der Äußerungen mindere. Die Revision ist beim BAG unter dem Aktenzeichen 2 AZR 442/21 anhängig.

Praxishinweis

Für die Rechtspraxis ist die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg in zweierlei Hinsicht von Interesse. Zum einen stellt sich in vergleichbaren Sachverhalten die Frage, ob grundsätzlich auch Protokolle privater Messenger-Chats von Unternehmen für die Begründung einer Kündigung und auch im gegebenenfalls folgenden Kündigungsschutzprozess verwertet werden können, wobei es für die Verwertung der konkreten Äußerungen stets auf den Einzelfall ankommt. Unternehmen sollten daher auch zukünftig nicht grundlegend von der Verwertbarkeit privater Chatprotokolle ausgehen, sondern deren Zulässigkeit im Einzelfall gewissenhaft prüfen.

Zum anderen stellt sich die Frage, ob die aus einem solchen privaten Chat gewonnenen Erkenntnisse auch eine außerordentliche oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen können. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fallen Äußerungen, die in einer vertraulichen Unterhaltung getätigt werden, grundsätzlich in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BAG vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08). Der Arbeitnehmer dürfe bei vertraulichen Äußerungen unter Kolleginnen und Kollegen regelmäßig erwarten, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Sofern diese Vertraulichkeit aufgehoben wird, gehe dies rechtlich nicht zulasten des Arbeitnehmers.

Diese Einordung ist allerdings nicht zwingend, wie Entscheidungen anderer Instanzgerichte (und auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Hinblick auf die öffentlich gewordenen „rechtsextremen“ Chatverläufe von Polizisten) zeigen. Für außerdienstlich getätigte Äußerungen ist dabei im Rahmen einer Interessenabwägung zum einen auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des oder der Beschäftigten abzustellen und insbesondere zu berücksichtigen, wie sehr er oder sie auf die Privatheit seiner bzw. ihrer Äußerung vertraut hat. Zum anderen ist die Schwere der Verletzung von Rücksichtnahmepflichten der Beschäftigten gegenüber den Unternehmen in die vorzunehmende Interessenabwägung einzubringen. Entscheidend ist dabei, ob die private Äußerung einen Bezug zur Tätigkeit hat, was vorliegend der Fall war. Ist ein solcher betrieblicher Bezug hingegen zu verneinen und die getätigte Äußerung allein dem privaten Kommunikationsbereich zuzuordnen, kommt der Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung regelmäßig nicht in Betracht. Mit Blick auf die beim BAG anhängige Revision bleibt abzuwarten, ob dieses Urteil und insbesondere die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtlich Bestand haben wird.

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Joachim Huber, Foto: Privat

Joachim Huber

Dr. Joachim Huber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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