Vier-Tage-Woche in Belgien: Ein Vorbild?

Arbeitsrecht

In Belgien sollen Beschäftigte laut einer dpa-Meldung vom 16. Februar künftig unter anderem die Möglichkeit erhalten, ihre Vertragsarbeitszeit an vier statt an fünf Tagen pro Woche zu erbringen. Dies läuft bei der grundsätzlichen belgischen Regelarbeitszeit von 38 Wochenstunden auf Tages-Vertragsarbeitszeiten von (bis zu) 9,5 Stunden hinaus: (durchschnittlich) 25 Prozent mehr als in Fünf-Tage-Woche. Interessierte Personen müssen die Vier-Tage-Woche bei ihrem Arbeitgeber beantragen, der ein solches Ansinnen mit Begründung ablehnen kann; genehmigt er die Vier-Tage-Woche jedoch, gilt sie zunächst für ein halbes Jahr, kann aber verlängert werden. Gewerkschaften und Arbeitgeber sollen bei der Ausgestaltung der neuen Regeln eine wichtige Rolle spielen. Über die endgültigen Regelungen soll das belgische Parlament noch vor der Sommerpause abstimmen.

Interessant für Deutschland?

Dass in unserem Land viele Beschäftigte lieber vier als fünf Tage pro Woche arbeiten würden, ist empirisch schon seit einigen Jahren gut belegt und ja auch sehr gut nachvollziehbar. So würden sich laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv 59 Prozent der Erwerbstätigen, wenn sie die Wahl hätten, für eine Vier-Tage-Woche entscheiden – besonders die 30 bis 44-jährigen (64 Prozent) und die diejenigen mit höherem Bildungsabschluss (62 Prozent).

Die Vier-Tage-Woche in Form von Teilzeitarbeit umzusetzen, trifft teilweise noch auf kulturelle Hindernisse und/oder starre Arbeitszeitsysteme, wobei diese beiden Faktoren angesichts der zunehmenden Knappheiten auf den Arbeitsmärkten bereits an Bedeutung verloren haben und weiter verlieren werden. Die beiden wichtigsten Hinderungsgründe sind jedoch (a) die mit Teilzeitarbeit verbundenen Einkommenseinbußen und (b) die befürchtete Außenseiterstellung im Betrieb, die insbesondere auch Karrierechancen zunichtezumachen droht.

Wird nun lediglich die vertragliche Arbeitszeit auf vier statt auf fünf Tage verteilt, entfällt hiervon immerhin schon einmal Punkt (a). Allerdings wird von arbeitswissenschaftlicher Seite von über acht Stunden hinausgehenden Tages-Arbeitszeiten auf Grund der damit verbundenen Belastung (bei der ja hiermit verbundene Wege- und sonstige Rüstzeiten mitzudenken sind) grundsätzlich abgeraten, wobei diese Belastung durch die geringere Zahl von Arbeitstagen zumindest teilweise kompensiert werden können sollte – ebenso wie eine eventuell verringerte Stundenproduktivität. Zu bedenken ist darüber hinaus, dass es bei über (durchschnittlich) acht Stunden hinaus verlängerten Tages-Arbeitszeiten in Deutschland wegen der hier geltenden gesetzlichen Tages-Höchstarbeitszeit von zehn Stunden zu einer spüren Einschränkung der Arbeitszeit-Flexibilität kommt: Während zum Beispiel bei (durchschnittlich) acht Stunden Arbeitszeit pro Tag eine legale Arbeitszeit-Reserve von (durchschnittlich) zwei Stunden (25 Prozent) vorhanden ist, mit deren Einsatz auf kurzfristige Zusatzaufgaben und/oder Personalausfall reagiert werden kann, umfasst diese bei beispielsweise 9,5 Stunden Arbeitszeit pro Tag gerade einmal gut fünf Prozent und gibt es sie bei zehn Stunden Tages-Arbeitszeit überhaupt nicht – was noch schlechter ist als in starren Arbeitszeitsystemen, in denen bei Nicht-Ausschöpfung der zehn Stunden immerhin noch Mehrarbeit möglich ist. Und die dem letzten Beispiel zu Grunde liegenden 40 Wochenstunden sind in unserem Land eine durchaus übliche Vertragsarbeitszeitdauer.

Vor diesem Hintergrund empfehle ich meinen Beratungskunden dort, wo Tages-Flexibilität erforderlich ist – wie dies gerade in von den Mitarbeitenden eigenverantwortlich gesteuerten Arbeitszeitsystemen wie flexibler Tagdienst oder Vertrauensarbeitszeit fast immer der Fall ist –, keine Tages-Vertragsarbeitszeitdauern über acht Stunden zuzulassen; auch nicht bei Teilzeitarbeit.

In disponierten Arbeitszeitsystemen (also im Rahmen von Schicht-, Dienst- und Einsatzplänen) werden den Mitarbeitenden dagegen Lage und Verteilung der Arbeitszeit (hoffentlich) entsprechend dem jeweiligen Bedarf vorgegeben. Hier können daher, soweit mit dem jeweiligen Besetzungsbedarf vereinbar (der hierzu bei betrieblicher Möglichkeit natürlich auch entsprechend angepasst werden kann, indem zum Beispiel bestimmte Leistungen zu bestimmten Zeiten nicht mehr angeboten werden – in Restaurants etwa durch Abschaffung des Mittagstischs und/oder mehr Schließtage), auch Vier-Tage-Wochen sehr gut umgesetzt werden. Entsprechende Modelle sind in den letzten Monaten insbesondere aus dem deutschen Hotel- und Gaststättengewerbe bekannt geworden, das coronabedingt unter massivem Arbeitskräftemangel leidet, dem nicht nur mit erheblichen Entgeltsteigerungen, sondern teils auch mit attraktiven Arbeitszeitmodellen wie der Vier-Tage-Woche begegnet werden soll – die unter diesen Umständen natürlich auch als Teilzeit-Modell interessant wird.

Fazit

Selbstverständlich müssen sich die Betriebe auch in Deutschland für individuelle Wünsche bezüglich der Vier-Tage-Woche öffnen, die jedoch bei betrieblichem Bedarf an Tages-Flexibilität nicht zu Tages-Vertragsarbeitszeiten von (wesentlich) mehr als acht Stunden führen sollten und damit in aller Regel nur in Form von Teilzeitarbeit umsetzbar sind. Anders kann dies unter Berücksichtigung der Arbeitsschwere bei starren Tages-Arbeitszeiten aussehen. Soll oder muss es bei betrieblichem Bedarf an Tages-Flexibilität bei Vollzeitarbeit bleiben, sollte statt über Vier-Tage-Wochen über erweiterte Homeoffice-Optionen nachgedacht werden.

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Dr. Andreas Hoff ist Inhaber der Dr. Hoff Arbeitszeitsysteme.. Er hat seit 1983 über 2.000 Arbeitszeit-Projekte aller Art persönlich begleitet – von Schichtsystemen über normale flexible Arbeitszeitsysteme und Vertrauensarbeitszeit bis hin zu Langzeitkonten.

Andreas Hoff

Andreas Hoff ist Berater für betriebliche Arbeitszeitsysteme. Der promovierte Volkswirt ­begleitet seit 40 Jahren Arbeitszeitprojekte aller Art persönlich – von Schichtsystemen über ­normale flexible Arbeitszeit­systeme und Vertrauensarbeitszeit bis hin zu Langzeitkonten.

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