Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 sind Arbeitgeber verpflichtet, die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten minutengenau zu erfassen. Dabei wird häufig übersehen, dass es dem Bundesarbeitsgericht – ebenso wie schon 2019 dem Europäischen Gerichtshof – ausschließlich um die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten geht, nicht aber um die Vertragsarbeitszeit. Daher ist auch Vertrauensarbeitszeit weiterhin zulässig: Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, die Einhaltung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit zu kontrollieren, müssen jedoch sicherstellen, dass ihre Beschäftigten die gesetzlichen Grenzwerte einhalten.
Fünf Dos
- Gesetzliche und zu vergütende Arbeitszeit unterscheiden
Gesetzliche Arbeitszeit ist die Zeit, die die Beschäftigten für die Erledigung der zugewiesenen Aufgaben verwenden. Die zu vergütende Arbeitszeit geht häufig darüber hinaus – etwa wenn Pausen nicht abgezogen oder Dienstreisen über die geleistete Arbeitszeit hinaus angerechnet werden. Bei Vertrauensarbeitszeit sollte nur die gesetzliche Arbeitszeit erfasst werden, während es sich ansonsten empfiehlt, die vergütungspflichtige Arbeitszeit zu dokumentieren.- Arbeitszeitkonten fortlaufend steuern
Werden Arbeitszeitkonten geführt, auf denen Abweichungen von der Vertragsarbeitszeit fortlaufend ausgeglichen werden, müssen Führungskräfte diese zur Vermeidung von Arbeitszeitverschwendung steuern: etwa mithilfe starker Ampel-Regelungen, die bei eigenverantwortlicher Arbeitszeitverteilung Abweichungen vom jeweiligen Zielsaldo unterbinden.- Die richtige Erfassungsoption wählen
Arbeitgeber können die Arbeitszeit direkt, indirekt oder negativ erfassen. Geschieht dies indirekt, sind Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie sämtliche Pausen und sonstige Arbeitsunterbrechungen zu erfassen. Bei der direkten Erfassung geht es dagegen nur um Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit, was sich etwa bei verwendungsbezogener Arbeitszeitverteilung beispielsweise auf Projekte anbietet. Die negative Erfassung schließlich dokumentiert lediglich Abweichungen von vorgegebenen Arbeits- und Pausenzeiten, was insbesondere im Schichtbetrieb sinnvoll ist.- Eigenverantwortliche Arbeitszeitverteilung eingrenzen
Bei von den Beschäftigten selbst gesteuerter Arbeitszeit sollte es stets einen Arbeitszeitrahmen von maximal 13 Stunden Dauer geben, zum Beispiel von sieben bis 20 Uhr von Montag bis Freitag, außerhalb dessen nur in Abstimmung mit der Führungskraft gearbeitet werden darf. So kann die Einhaltung der täglichen Mindestruhezeit von elf Stunden und der Höchstarbeitszeiten von zehn Stunden pro Tag sowie durchschnittlich 48 Stunden pro Woche wirkungsvoll unterstützt werden.- Beschäftigte selbst aufzeichnen lassen
Es ist rechtlich zulässig und empfehlenswert, die Aufzeichnung der Arbeitszeit an die Beschäftigten zu delegieren. Dies ermöglicht die genaueste Erfassung, funktioniert unabhängig vom Arbeitsort, ist relativ unaufwendig und demonstriert Vertrauen. Der Arbeitgeber bleibt dabei für Vollständigkeit und Wahrheitstreue der Aufzeichnungen verantwortlich und muss diese vor allem kulturell („Wir manipulieren nicht!“), aber auch durch Kontrollen sicherstellen.
Fünf Dont’s
- Stationäre und mobile Arbeit unterschiedlich erfassen
Arbeitszeit sollte unabhängig vom jeweiligen Arbeitsort in gleicher Weise erfasst werden. Insbesondere verbietet es sich – schon aus Gleichbehandlungsgründen –, im Betrieb auf klassische elektronische Zeiterfassung an Terminals zu setzen, weil hiermit nur Anwesenheiten erfasst werden können, während es bei mobiler Arbeit stets nur um Arbeitszeiten geht.- Auf Sanktionierungen verzichten
Vor allem in eigenverantwortlich gesteuerten Arbeitszeitsystemen kommt es vor, dass Beschäftigte sich nicht an die betrieblichen Regeln halten. Sie müssen – wenn weichere Maßnahmen nicht greifen – sanktioniert werden. Hier empfiehlt sich ein vorübergehender Ausschluss aus der Vertrauensarbeitszeit oder der mobilen Arbeit, über den die jeweilige Führungskraft jedoch nicht allein entscheiden können sollte.- Verstößen nicht nachgehen
Werden durch die Arbeitszeiterfassung Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen ersichtlich, muss die dafür verantwortliche Führungskraft hierfür eine Begründung liefern beziehungsweise mitarbeiterseitig gelieferte Begründungen auf ihre Stichhaltigkeit hin überprüfen – und, notfalls auch disziplinarisch, dafür sorgen, dass es zu solchen Verstößen nur in außergewöhnlichen Fällen kommt.- Kleinkariert agieren
Auch wenn Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit minutengenau aufgezeichnet werden müssen, sollte man es dabei nicht übertreiben. Dies betrifft zum einen geringfügige Arbeitsunterbrechungen, die nicht aus der Arbeitszeit herausgerechnet werden sollten, zum anderen aber auch geringfügige Unterbrechungen der Ruhezeit, wenn eine Person beispielsweise freiwillig abends noch einmal ihre E-Mails checkt. Hier empfiehlt sich gegenseitige Großzügigkeit.- Bei Vertrauensarbeitszeit betriebliche Arbeitszeitkonten führen
Bei Vertrauensarbeitszeit können die Beschäftigten selbstverständlich für sich ein Arbeitszeitkonto führen – aber nur zur Selbstkon-
trolle. Ansprüche können sie hieraus nicht ableiten; für Überlastungssituationen muss es in der Vertrauensarbeitszeit andere Regelungen geben. Ein betriebliches Arbeitszeitkonto ist ohne Kontrolle undenkbar und würde damit das Ende der Vertrauensarbeitszeit bedeuten.
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