Viertagewoche: Gewinn für beide Seiten

Arbeitszeitgesetz

Im Rahmen einer aktuellen britischen Studie haben 61 Unternehmen mit rund 2900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Modell der Vier-Tage-Woche getestet. Die Ergebnisse zeigen: Bei einer Vier-Tage-Woche wurde die Produktivität entweder gesteigert oder zumindest auf einem stabilen Niveau gehalten. Darüber hinaus fühlten sich 39 Prozent der Teilnehmenden weniger gestresst, während 71 Prozent ein niedrigeres Burn-Out-Level aufwiesen. Sowohl die mentale als auch die physische Gesundheit der Mitarbeitenden war höher, sie empfanden eine bessere Work-Life-Balance. Diese positiven Effekte spiegelten sich auch in der Zufriedenheit der Beschäftigten wider: 48 Prozent der Mitarbeitenden gaben an, mit ihrem Job zufriedener zu sein als zuvor.

Die Einführung der Vier-Tage-Woche führte außerdem zu einer signifikanten Reduzierung der Fehltage um 65 Prozent. Darüber hinaus verringerte sich die Fluktuation in den teilnehmenden Unternehmen um 57 Prozent. Angesichts dieser positiven Ergebnisse entschieden sich 92 Prozent (!) der teilnehmenden Unternehmen, die Vier-Tage-Woche dauerhaft beizubehalten, was die nachhaltige Wirkung dieses Arbeitszeitmodells unterstreicht.

Von Belgien lernen?

Seit November 2022 haben in Belgien Mitarbeitende das Recht, ihre wöchentliche Arbeitszeit in vier Tagen abzuleisten (sogenannte Arbeitszeitverdichtung) oder einen Gehaltsabschlag bei Stundenreduzierung in Kauf zu nehmen. Um von dieser Regelung Gebrauch zu machen, muss ein schriftlicher Antrag gestellt und eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geschlossen werden. Grundsätzlich liegt es dann an den Arbeitgebern, den Antrag mit einer ausreichenden Begründung abzulehnen. Eine solche Vereinbarung gilt zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten und kann anschließend verlängert werden. Um die Arbeitszeitverdichtung zu ermöglichen, wurde folgend auch die Höchstarbeitszeit auf 9,5 Stunden für Vollzeitbeschäftigte erhöht.

Wie kann es in Deutschland Unternehmen gelingen, eine Vier-Tage-Woche rechtssicher einzuführen?

Vier-Tage-Woche rechtssicher einführen

Die meisten Modelle einer Vier-Tage-Woche sehen vor, dass Mitarbeitende bei gleichbleibendem Lohn weniger arbeitet. Wie viel sie weniger arbeiten, ist für die operative und rechtliche Umsetzbarkeit der Vier-Tage-Woche entscheidend. Die Grenzen des Machbaren werden hier insbesondere vom Arbeitszeitgesetz gezogen. Dieses sieht durch die maximale Arbeitszeit von 10 Stunden am Tag sowie die minimale Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen „harte“ Vorgaben vor, die in aller Regel – weder individual- noch kollektivvertraglich – aufgeweicht werden können: für schwangere und stillende Frauen 8,5 Stunden Tag und Jugendliche 8 Stunden am Tag.

Unverändert bleibt das Risiko eines Arbeitszeitverstoßes bei einer Vier-Tage-Woche also nur dann, wenn die tägliche Arbeitszeit trotz des fehlenden fünften Arbeitstags gleichbleibt. Doch nur wenige Arbeitgeber werden es sich leisten können, ihrer Belegschaft einen ganzen Arbeitstag zu „schenken“. Die Probleme beginnen, wenn der fehlende Arbeitstag durch höhere tägliche Arbeitszeiten an den anderen Tagen (teilweise) kompensiert wird. Sollen zum Beispiel 35 Stunden auf vier Tage verteilt werden (tägliche Arbeitszeit: 8,75 Stunden), muss der Arbeitgeber etwa bei Schwangeren auf Teile der geschuldeten Arbeitszeit verzichten, will er sich nicht erheblichen Bußgeldrisiken aussetzen. Doch auch bei „gewöhnlichen“ Mitarbeitenden erhöht sich das Risiko eines Arbeitszeitverstoßes. Denn schließlich wird der zeitliche Spielraum für Überstunden geringer, je näher die tägliche Arbeitszeit der gesetzlichen Höchstarbeitszeit kommt. Überschreitet die tägliche Arbeitszeit neun Stunden, verlängert sich auch die Mindestlänge der Ruhepause von 30 auf 45 Minuten. Auch sollten sich Arbeitgeber vor Augen führen, dass durch Feiertage und bei Krankheit wegfallende Arbeitstage für sie „teurer“ werden. Denn die Mitarbeitenden müssen den fehlenden Feiertag oder Krankheitstag nicht nachholen.

Gut geplant ist halb gewonnen

Der Arbeitgeber wird sich zunächst folgende Frage stellen müssen:

  • Kann ich es mir leisten, Teile der wöchentlichen Arbeitszeit zu „verschenken“ oder kann ich die Vier-Tage-Woche eher durch Verdichtung der Arbeit erreichen? Je mehr er verdichtet, umso eher muss er sich Gedanken um die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes machen.
  • Kann es zu Arbeitsspitzen und damit zu Überstunden kommen? Wenn ja, muss er sich überlegen, wie diese Überstunden verteilt werden können, denn der Spielraum für die Verteilung ist aufgrund der „harten“ 10-Stunden-Grenze geringer, wenn Mitarbeitende täglich länger arbeiten.
  • Ist es denkbar, dass ich die Mitarbeitenden doch am fünften Tag brauchen könnte?
  • Gibt es rechtliche Argumentationsspielräume, dass bestimmte Mitarbeitende oder Mitarbeitergruppen von der Vier -Tage-Woche ausgenommen werden können?

Aus diesen operativen Erwägungen heraus sollte sich der Arbeitgeber unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben überlagen, wie er seine operativen Interessen wahren kann, ohne dass die Vier-Tage-Woche für die Mitarbeitenden an Attraktivität verliert. Denkbar sind zum Beispiel flexible Öffnungsregeln, die – unter Wahrung einer bestimmten Ankündigungsfrist – in Ausnahmefällen das Arbeiten an einem fünften Tag ermöglichen.

Auch sollten Unternehmen darauf achten, das bestehende Flexibilisierungsregelungen wie die Gleit- oder Vertrauensarbeitszeit mit der 4-Tage-Woche harmonisieren, um ungewollte Widersprüche und Unklarheiten zu vermeiden.

Verankerung im Arbeitsverhältnis

Ist sich der Arbeitgeber über seine operativen Bedürfnisse im Klaren, müssen diese mit der Seite der Arbeitnehmenden verhandelt und rechtssicher im Arbeitsverhältnis verankert werden.

Mitunter wird darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber die Vier-Tage-Woche bereits qua Direktionsrecht anordnen könne. Eine solche einseitige Implementierung scheint unternehmenskulturell suboptimal und juristisch nicht empfehlenswert. Zum einen sehen zahlreiche Arbeitsverträge ausdrücklich eine Fünf-Tage-Woche vor, hier ist das Direktionsrecht wertlos. Zum anderen wird sich der Arbeitgeber eine individuelle Diskussion über die Billigkeit der Weisung ersparen wollen. Daher ist anzuraten, die Vier-Tage-Woche einvernehmlich, entweder mit den Mitarbeitenden selbst im Arbeitsvertrag oder mit den Betriebs- oder Tarifpartnern, einzuführen. Eine Betriebsvereinbarung hat den Vorteil, dass sie auch im Vergleich zum Individualarbeitsvertrag im Einzelfall auch für die Mitarbeitenden ungünstigere Regelungen (Stichwort: Betriebsvereinbarungsoffenheit) einführen kann. Außerdem können Regelungen zur Flexibilisierung der Vier-Tage-Woche oder Optionsmodelle einheitlich geschaffen werden, was ihre Akzeptanz erhöht. Eine vorläufige Einführung als „Versuchsballon“ scheint, gegebenenfalls über eine Betriebsvereinbarung, am sinnvollsten. Schließlich kann hierin auch betriebseinheitlich geregelt werden, für welche Personengruppen eine Vier-Tage-Woche gilt und für welche nicht – Vorsicht: der Gleichheitsgrundsatz verlangt hierfür eine tragfähige Begründung.

In der Praxis hat es sich zudem gezeigt, dass Regelungen zur Arbeitszeit ganzheitlich gedacht werden sollten. Eine Trennung zwischen einem individualvertraglich und einem durch Betriebsvereinbarung festgelegten Teil des Arbeitszeitregimes erhöht das Risiko von Intransparenz und Unübersichtlichkeit und damit das Konfliktpotenzial.

Fazit

Will der Arbeitgeber im „War for Talents“ die Nase vorn haben, wird er sich über das Angebot einer 4-Tage-Woche Gedanken machen müssen. Deren Ausgestaltung sollte möglichst maßgeschneidert auf seine operativen Bedürfnisse sein. Hierfür sollte der Arbeitgeber das arbeitszeitrechtliche Konfliktpotenzial genau prüfen und dieses mit den Flexibilisierungsinteressen der Mitarbeitenden in Ausgleich bringen. Denn nur wenn Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite bei der Einführung der verkürzten Arbeitswoche die besonderen Bedürfnisse von Betrieb und Belegschaft im Auge behalten, wird die Vier-Tage-Woche zum Gewinn für alle Beteiligten.

 

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Dr. Benedikt Groh, Rechtsanwalt bei Taylor Wessing

Dr. Benedikt Groh

Dr. Benedikt Groh ist Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei Taylor Wessing. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Gestaltung von Arbeitsverträgen sowie die Beratung bei Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Seine Mandanten berät er in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.  
Dr. Friedrich Goecke, Rechtsanwalt bei Tylor Wessing

Dr. Friedrich Goecke

Dr. Friedrich Goecke ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Taylor Wessing. Er berät national und international tätige Unternehmen sowie Führungskräfte in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.Einen Tätigkeitsschwerpunkt bildet hierbei die vertragliche und tatsächliche Gestaltung des flexiblen Personaleinsatzes.

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