Vorsicht bei Klauseln zu Rückzahlung von Fortbildungskosten

Arbeitsrecht

Fortbildung im Betrieb ist im betrieblichen Interesse aber auch ein Vorteil für die Beschäftigten, die damit ihre Marktchancen verbessern. Die Arbeitgeber setzen das Instrument, das regelmäßig auch die Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit fördert, auch zur Stärkung der Arbeitnehmerbindung ein. Die Kosten sind regelmäßig erheblich und umso ärgerlicher ist es, wenn Mitarbeitende unmittelbar nach der teuren Fortbildung das Unternehmen verlassen. Hierzu können Arbeitsverträge Bindungsfristen und Rückzahlungspflichten festlegen, die jedoch klug formuliert sein müssen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu nun einen weiteren Grundsatz aufgestellt. Der Artikel skizziert als Überblick die Entwicklung der Rechtsprechung zu Fortbildungsvereinbarungen und Rückzahlungsklauseln im Arbeitsvertrag.

Der aktuelle Stand

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich die beschäftigte Person an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht grundsätzlich zulässig – soweit die Person vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und die konkrete Maßnahme für sie von geldwertem Vorteil ist. Vorteil der Fortbildung wäre die berufliche Höherqualifikation, der dadurch höhere Verdienst und natürlich die verbesserten Marktchancen zum beruflichen Aufstieg. Dient die Maßnahme nur zum Nutzen des Arbeitgebers, kann eine Rückzahlungsverpflichtung nicht wirksam vereinbart werden. Sicher ist bekannt, dass die Vereinbarung Art und Berechnungsgrundlagen der einzelnen Kostenfaktoren der Bildungsmaßnahme konkret ausweisen muss.

Die Rückzahlungsklausel muss auch berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber mit der nach Abschluss der Bildungsmaßnahme erbrachten Arbeitsleistung der Wert der Bildungsmaßnahme fortlaufend zugutekommt. Der Rückzahlungsbetrag ist daher mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses anteilig zu reduzieren. Die Dauer der Fortbildung bestimmt im Regelfall die Dauer der Bindung. Anderenfalls kommt ein Verstoß gegen das Klauselverbot des Bürgerlichen Gesetzbuches in Betracht Die Rechtsprechung hat hierzu Regelwerte entwickelt, von denen einzelfallbezogen abgewichen werden kann (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2014).

Aktuell ist bei einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung, aber bei Fortzahlung der Bezüge eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine Bindungsdauer bis zu einem Jahr, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine Bindungsdauer bis zu zwei Jahren, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten eine Bindungsdauer bis zu einem Jahr und bei mehr als zweijähriger Dauer der Bildungsmaßnahme eine Bindungsdauer von bis zu fünf Jahren zulässig (Quelle: JurisPK, Stand 14. Februar 2022). Die Arbeitsgerichte untersuchen die im vorformulierten Arbeitsvertrag enthaltene Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel darauf, ob hierin eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß des Bürgerlichen Gesetzbuches liegt.

Eine drohende Rückzahlungsverpflichtung hat das Potenzial, die beschäftigte Person in ihrer grundsätzlichen Freiheit, den Arbeitsplatz frei zu wählen, einzuschränken. Ein solcher Bindungseffekt soll nur bei einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers rechtswirksam vereinbart werden können. Leitlinie ist, dass es Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin in der Hand haben muss, durch eigene Betriebstreue eine Rückzahlungsverpflichtung zu vermeiden. Nur wenn die Person eigenverantwortlich vor Ablauf der Bindungsfrist das Unternehmen verlassen möchte, soll sie sich an den Ausbildungskosten beteiligen.

Daher sind Rückzahlungsverpflichtungen unwirksam, die durch Probleme aus der Sphäre des Arbeitgebers ausgelöst werden. So darf das Ausscheiden eines oder einer Mitarbeitenden aufgrund der vom Arbeitgeber zu verantwortenden betriebsbedingten Kündigung keine Rückzahlungsverpflichtung bewirken. Umso weniger darf ein eigenes vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers, dass die Eigenkündigung der Person provoziert, eine Rückzahlungsverpflichtung auslösen.

Der Fall

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2022 lag die Revision zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 26. März 2021 zugrunde. Wie zuvor das Arbeitsgericht hatte auch das Landesarbeitsgericht in der Berufung eine Rückzahlungsverpflichtung im Vertrag als unwirksam erachtet, was das Bundesarbeitsgericht nun bestätigt hat. Die dortige Rückzahlungsklausel lautete:

§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsverpflichtung

(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.

(2) Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag. Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.

(3) Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.

Diese Regelung, so das Bundesarbeitsgericht, verstößt wegen einer unangemessenen Benachteiligung gegen das Bürgerliche Gesetzbuch und ist daher unwirksam. Durch den mit diesem Rückzahlungsanspruch ausgelösten Bleibedruck werde die durch das Grundgesetz gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit unrechtmäßig eingeschränkt, ohne dass dies durch den Ausbildungsvorteil gerechtfertigt wäre. Der Rückforderungsanspruch der Arbeitgeberin soll nämlich nach dem Wortlaut auch in dem Fall bestehen, dass die Mitarbeiterin aus von ihr gar nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag beenden muss – so auch das Landesarbeitsgericht Hamm in einem Urteil vom 29. Januar 2021, wo die Revision dazu durch Vergleich abgeschlossen worden ist. Der Umstand, dass eine solche Fallgestaltung den Erstattungsanspruch nicht entfallen lassen soll, obwohl die oder den Beschäftigten keine Schuld an dem personenbedingten Grund (zum Beispiel wegen Erkrankung) trifft, führt zur Unwirksamkeit der Rückforderungsvereinbarung insgesamt. Das Bundesarbeitsgericht rechnet es in so einem Fall dem unternehmerischen Risiko zu, wenn sich die Investition in die Fortbildung nicht amortisiere.

Es kommt dabei sogar nicht einmal darauf an, ob die betroffene Person im konkreten Einzelfall tatsächlich personenbedingte Gründe zur eigenen Kündigung hat. Die gesetzlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im Einzelfall.

Das Bundesarbeitsgericht hat übrigens schon im Jahr 2018 eine unangemessene Benachteiligung angenommen, wenn Beschäftigte aus Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, unverschuldet die Tauglichkeit für die zu erbringende Arbeitsleistung verlieren. Damals ging es nicht um Arbeitsunfähigkeit, sondern um den Wegfall der medizinischen Tauglichkeit eines Piloten (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11. Dezember 2018). Vor diesem Hintergrund ist die neueste Entscheidung nicht überraschend.

Fazit und Empfehlung

Arbeitgeber müssen vorhandene Rückzahlungsklauseln in ihren Arbeitsvertragsmustern prüfen und gegebenenfalls ändern. In Fortbildungsvereinbarungen ist darauf zu achten, dass bei Eigenkündigungen von Mitarbeitenden nach dem Grund des Ausscheidens differenziert wird. Die Rückzahlungspflicht darf nicht unterschiedslos an jegliche Eigenkündigung der beschäftigten Person geknüpft werden, sondern muss unverschuldete Beendigungssachverhalte unmissverständlich ausnehmen.

Hat der Arbeitgeber diese Maßgabe des Bundesarbeitsgerichts im Vertrag berücksichtigt, zeigt das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 1. März 2022 auch eine Verteidigungsstrategie auf: Zwar muss der Arbeitgeber im Rückzahlungsprozess die Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers darlegen und beweisen. Da er die Gründe für die Eigenkündigung aber nicht kennen kann beziehungsweise muss, obliegt es der beschäftigten Person, vorzutragen, dass und welche unverschuldeten personenbedingten Gründe es ihr auf Dauer unmöglich machen, ihre vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, sie also zu der Eigenkündigung gezwungen sei. Hier kann es dem Arbeitgeber gelingen, den Vortrag des oder der Beschäftigten einer gerechtfertigten personenbedingten Eigenkündigung zu widerlegen.

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Helge Röstermundt, Rechtsanwalt bei Heussen

Helge Röstermundt

Helge Röstermundt ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am Standort Berlin.

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