Kann der bestreikte Arbeitgeber einen Streik nicht verhindern, möchte er aber möglichst viele Mitarbeiter von der Streikteilnahme abhalten, so sollte er eine Streikbruchprämie in Betracht ziehen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten.
Die Rechtsprechung spricht dem Streikrecht (Art. 9 Abs. 3 GG) einen hohen Wert zu, sodass Streikbruchprämien nur begrenzt zulässig sind. Je nach Gestaltung kann eine nach §612a BGB unzulässige Maßregelung der streikenden Belegschaft vorliegen, mit der Folge, dass auch dieser die Prämie zustehen würde.
Zulässigkeit von Streikbruchprämien
Stets ausgleichen darf der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern zusätzliche Belastungen, die durch die Arbeit während des Arbeitskampfes entstehen und erheblich über das normale Maß hinausgehen, so etwa, wenn sie eine Tätigkeit übernehmen, die sie arbeitsvertraglich nicht schulden, oder Mehrarbeit leisten.
Wird eine Streikbruchprämie hingegen lediglich mit dem Zweck gewährt, streikbereite Mitarbeiter zur Arbeitsaufnahme zu veranlassen, um die Fortsetzung des Betriebs zu ermöglichen, so muss die Prämie vor oder während eines Streiks gleichermaßen gegenüber allen Mitarbeitern zugesagt werden. Dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zufolge unzulässig sind Prämien, die der Arbeitgeber erst nach Beendigung des Arbeitskampfes dafür zusagt, dass sich ein Mitarbeiter nicht am Streik beteiligt hat, da hierdurch das Arbeitskampfgeschehen nicht mehr beeinflusst wird.
Möchte ein Arbeitgeber, in dessen Betrieb längerfristig Streiks drohen, eine Streikbruchprämie für einen längeren Zeitraum ausloben und soll diese bereits dann entfallen, wenn ein Mitarbeiter in diesem Zeitraum für wenige Stunden an einem Streik teilnimmt, so dürfte dies mit dem Maßregelungsverbot kaum vereinbar sein. Stattdessen sollte die Zahlung einer Anwesenheitsprämie in Erwägung gezogen werden.
Alternative: Anwesenheitsprämien
Anwesenheitsprämien sind nicht auf den konkreten Fall der Nichtteilnahme an einem Streik bezogen, sondern honorieren generell die Anwesenheit in einem bestimmten Zeitraum (z.B. eine Woche oder ein Monat). Ein Vorteil der Anwesenheitsprämie liegt darin, dass sich der Arbeitgeber die Kürzung für Zeiten ohne Arbeitsleistung vorbehalten kann, wobei Fehlzeiten aufgrund von Krankheit, unbezahltem Urlaub, Eltern- oder Pflegezeit oder eben Streikteilnahme anerkannt sind. Das BAG hält sogar eine Regelung für zulässig, nach der nur der Mitarbeiter eine monatsweise Anwesenheitsprämie erhält, der keine derartigen Ausfallzeiten in dem gesamten Monat aufweist. Allerdings kann der Arbeitgeber die Zahlung einer Anwesenheitsprämie nicht verweigern, wenn letztlich gar kein Streik stattfindet oder sich ein Mitarbeiter im bezahlten Urlaub oder in Mutterschutz befindet.
Die Anwesenheitsprämie kann auf einen tage-, wochen-, monats- oder sogar jahresweisen Zeitraum bezogen werden. Um Mitarbeiter möglichst wirkungsvoll von einer Streikteilnahme abzuhalten, empfiehlt sich beispielsweise eine Kombination einer wochen- und monatsweisen Anwesenheitsprämie, das heißt es wird eine Prämie für die Anwesenheit an einzelnen Werktagen sowie ein zusätzlicher Betrag für die Anwesenheit in der gesamten Woche gewährt. Denn bei einer rein wochenweisen Prämie wird die Gewerkschaft gezielt in einer bestimmten Woche streiken, sodass die Streikenden für die weiteren Wochen die Prämie erhalten. Hingegen wird ein Mitarbeiter, der bei einer monatsweisen Prämie zum Beispiel nur einen Tag krankheitsbedingt fehlt, nicht mehr dazu motiviert, nicht am Streik teilzunehmen, weil er die Prämie ohnehin verwirkt hat.
Praktische Umsetzung
In welcher Form und Höhe eine Streikbruch- oder Anwesenheitsprämie anlässlich bevorstehender Streikmaßnahmen zulässig und zweckmäßig ist, ist einzelfallabhängig zu entscheiden. Nicht zuletzt ist auch das Mittel der Bekanntgabe gegenüber den Mitarbeitern sorgfältig zu wählen und gegebenenfalls der Betriebsrat zu beteiligen.
In der betrieblichen Praxis sind solche Prämien ein legitimes Mittel des Arbeitgebers, um die Folgen eines Streiks abzumildern und den Betrieb weitest möglich aufrecht zu erhalten. Hierzu bleiben ihm sonst nur wenige Möglichkeiten: Eine Aussperrung der arbeitswilligen Mitarbeiter vergrößert unter Umständen die kampfbedingten Störungen. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern während eines Arbeitskampfes soll nach aktuellen Regierungsplänen künftig untersagt werden.