Schluss mit den Buzzwords

Trendbegriffe

In der heutigen Arbeitswelt ist die Flut an Begriffen und Phrasen, die den Arbeitsplatz beschreiben, geradezu erdrückend geworden. Ein treffendes Buzzword kann als kognitives Werkzeug dienen, das uns hilft, eine komplexe Realität zu verstehen und zu bewältigen. Fokussiert man sich jedoch auf das Buzzword statt auf das zugrunde liegende Problem, kann das dazu führen, dass wir Symptome behandeln, anstatt die Ursachen anzugehen.

Aus dem Zusammenhang gerissen

Erstens besteht die Gefahr, dass Buzzwords übermäßig und in einem unpassenden Kontext verwendet werden. Die „Great Resignation“, zu Deutsch die „große Kündigungswelle“, ist ein Begriff, der insbesondere im Kontext des amerikanischen Arbeitsmarktes entstanden ist. Er beschreibt das Phänomen, dass während und nach der Covid-19-Pandemie außergewöhnlich viele Beschäftigte ihre Jobs kündigten. In Deutschland lässt sich diese Entwicklung jedoch nicht in dem gleichen Ausmaß feststellen. Sicherlich gibt es auch hierzulande Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre berufliche Situation neu bewertet und sich beruflich verändert haben. Jedoch ist die Arbeitsmarktsituation in Deutschland aufgrund verschiedener Faktoren, wie etwa den stärkeren Arbeitnehmerschutz, weniger volatil. Anstelle von Massenkündigungen erleben wir vor allem den immer sichtbareren demografischen Wandel – ein Hauptgrund für den Fachkräftemangel. Mit dem Abklingen der Pandemie und dem einhergehenden wirtschaftlichen Aufschwung wechselten Beschäftigte verstärkt zwischen Unternehmen innerhalb derselben Branche. Menschen in Branchen wie Gastronomie und Hotellerie suchten sich krisenfestere Alternativen. Insgesamt ist somit der Begriff „Great Resignation“ in der deutschen Arbeitswelt nicht wirklich anwendbar.

Was sollten Firmen aus dieser Situation lernen? Der erste Schritt besteht darin, zu begreifen, dass Beschäftigte in einem anhaltend arbeitnehmerzentrierten Arbeitsmarkt aus einer Fülle von Jobmöglichkeiten wählen können und dass der Standort durch Optionen wie das Homeoffice weniger relevant ist als je zuvor. Daher ist es für Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung, langfristige Pläne zu schmieden, um ihre Mitarbeitenden zu binden und für potenzielle Kandidatinnen und Bewerber attraktiv zu bleiben. Traditionellere Nebenleistungen wie Mobilitätspauschalen oder Gesundheitsprogramme, seit einer Weile auch solche für die Psyche, sollten selbstverständlich sein. Trends wie Workations oder auch der Viertagewoche sollte man eine Chance geben und ausloten, ob sie im eigenen Unternehmen umsetzbar sind. Zudem ist es wichtig, dass Unternehmen eine Firmenkultur schaffen, die älteren Mitarbeitenden eine aktive Beteiligung ermöglicht, internationale Talente integriert und auch Menschen ohne formelle Ausbildung einbezieht.

Reine Symptombekämpfung

Zweitens besteht die Gefahr, dass Buzzwords dazu dienen, eine bestimmte Agenda zu fördern oder zu legitimieren. „Resilienz“ wird oft als eine persönliche Eigenschaft betrachtet, die man entweder besitzt oder eben nicht und die es zu kultivieren gilt. Ein gutes Beispiel dafür ist das Adjektiv „belastbar“, das sich in vielen Stellenanzeigen findet. Gerade im Zuge der Pandemie hatte Resilienz als Schlagwort Hochkonjunktur. Diesem Resilienz-Verständnis folgend, versuchen Unternehmen, die Belastbarkeit ihrer Mitarbeitenden mit entsprechenden Trainings zu fördern. Die Folge: Der Fokus verschiebt sich von den Umständen, die zu Überforderung und schlimmstenfalls zum Burn-out führen, auf das Individuum.

Stattdessen wäre es sinnvoller, Resilienz als Zustand zu begreifen, der durch ein unterstützendes Umfeld gefördert wird, für das Führungskräfte und Unternehmen allgemein sorgen können. Manchmal ist zu viel einfach zu viel und nicht dem Umstand geschuldet, dass eine Person nicht resilient genug ist. Manchmal sind schwierige Situationen schlicht ein Signal, an der Arbeitsbelastung, der Teamzusammensetzung oder dem Verhalten der Führungskraft etwas zu verändern.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Drittens können Buzzwords dazu führen, dass wir die Vielfalt und Komplexität der Arbeitswelt übersehen. Indem wir diese Begriffe verwenden, laufen wir Gefahr, die individuellen Erfahrungen und Perspektiven von Beschäftigten zu übersehen und zu homogenisieren. „Quiet Quitting“, also das „stille Aufgeben“, bezeichnet das Phänomen, dass Mitarbeitende zwar formal weiterhin ihre Rolle im Unternehmen einnehmen, sich aber emotional und mental von ihrer Arbeit zurückziehen und nur noch das Nötigste tun. Dieses Verhalten ist nicht neu und wird im deutschen Kontext oft als „innere Kündigung“ bezeichnet. Es zeigt sich, wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass ihre Anstrengungen nicht gewürdigt werden, oder sie sich mit den Werten oder Zielen ihres Arbeitgebers nicht mehr identifizieren können. Der englische Begriff mag neu sein, aber das zugrunde liegende Phänomen ist es nicht.

Es ist die Aufgabe einer Führungskraft, die richtigen Prioritäten, Erwartungen und erreichbaren Ziele festzulegen, Rollen zu definieren und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Privatleben zu schaffen. So lässt sich dem Quiet Quitting vorbeugen, indem Führungskräfte ihren Mitarbeitenden klare Erwartungen kommunizieren und gleichzeitig aktiv Überlastung vorbeugen. Wenn eine Führungskraft dieser Aufgabe nicht nachkommt, entsteht Chaos in den Teams.

Es geht auch um die Werte des Unternehmens. Die beste Arbeit leisten Menschen, wenn sie sich bei dem, was sie tun, und in dem Rahmen, in dem sie es tun, wohlfühlen. Und wir sind uns bewusst, dass in der Gleichung der Work-Life-Balance das Leben immer an erster Stelle steht.

Trendbegriffe als Echokammer

Schließlich besteht die Gefahr, dass die Verwendung von Buzzwords zu einer Art Echokammer führt, in der wir immer wieder die gleichen Ideen und Konzepte wiederholen, ohne sie wirklich zu hinterfragen oder zu analysieren. „Resenteeism“ ist ein weiterer Begriff, der in den sozialen Medien vor allem im englischsprachigen Raum aufgetaucht ist. Er bezeichnet das Verhalten von Arbeitnehmenden, die ihrer Arbeit mit Groll und Widerwillen
nachgehen, weil sie das Gefühl haben, keine andere Wahl zu haben. Dies ist eine weitere Facette der inneren Kündigung. In Deutschland ist dieses Phänomen ebenfalls bekannt und wird in der betrieblichen Praxis und in der
Forschung adressiert. Es ist ein ernsthaftes Problem, das auf tieferliegende Problematiken in der Unternehmenskultur oder in der Beziehung zwischen Management und Belegschaft hinweisen kann. Wieder einmal zeigt sich, dass das zugrunde liegende Problem nicht neu ist, sondern lediglich durch einen neuen, trendigen Begriff neu verpackt wurde.

Dabei kann eine Reform der Unternehmenskultur mit so einfachen Schritten beginnen. Vermeintlich kleine Gesten können einen großen Einfluss auf die Zufriedenheit der Belegschaft haben: Wertschätzung durch öffentliche Anerkennung, das Feiern von persönlichen Meilensteinen, ein Raum, in dem Mitarbeitende sie selbst sein können, Support oder regelmäßige Check-ins – um nur einige zu nennen.

Buzzwords ersetzen keine Analysen

Buzzwords können helfen, Trends zu erfassen und greifbarer zu machen. Doch allzu oft stiften sie Verwirrung und erschweren das Verständnis der tatsächlichen Herausforderungen. Meist unhinterfragt aus anderen einflussreichen Märkten, wie den USA, übernommen, können sie nur bedingt auf die Situation in deutschen Unternehmen übertragen werden. Aufgebläht durch Social Media, werden Mikrotrends schnell zum vermeintlichen Massenphänomen und halten Einzug in unsere Weltbilder.

Dabei sind viele dieser Konzepte kaum empirisch belegt und werden überwiegend für Marketingzwecke instrumentalisiert. Es besteht die Gefahr, dass sie zugrunde liegende Probleme verdecken und dadurch die Entwicklung effektiver Lösungsansätze behindern. Unternehmen sollten daher auf konkrete Daten und Analysen setzen, statt sich auf vage HR-Buzzwords zu verlassen.

Durch Daten über Fluktuation und Zufriedenheit können Unternehmen Muster identifizieren und proaktiv Maßnahmen ergreifen, um die Bindung zu erhöhen und eine hohe Fluktuation zu verhindern. Durch datenschutzkonforme Erfassung und Auswertung von internen Kommunikationsströmen können Unternehmen die Stärken und Schwächen ihrer Kultur identifizieren und sie gezielt verbessern. Außerdem können Unternehmen beispielsweise soziale Medien und Online-Bewertungen analysieren, um zu verstehen, wie sie von potenziellen Mitarbeitenden wahrgenommen werden und welche Aspekte ihrer Marke sie hervorheben sollten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Investition. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Karim Gharsallah

Karim Gharsallah ist Global Head of Talent bei Recruitee.

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