Die Rolle von flexiblen Benefits im Generationenmanagement

Zusätzliche Leistungen

Insbesondere die jüngeren Generationen halten flexible Arbeit inzwischen für selbstverständlich. Das zeigt der Global Benefits Attitudes Survey 2022, für den die Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW) mehr als 35.000 Mitarbeitende weltweit, darunter mehr als 1.500 in Deutschland, befragen ließ. Diese Flexibilisierung sollte sich auf das gesamte Benefit-Angebot beziehen.

Schon vor der Pandemie war HR-Verantwortlichen bewusst, dass von den Babyboomern bis zur Generation Z jede Generation ihre eigenen Benefits-Bedürfnisse mit an den Arbeitsplatz bringt. Die Arbeitgeberbefragung WTW Benefits Trends Survey zeigte 2021 auf: Unternehmen priorisieren flexible Benefits bei der Neuausrichtung der Benefits-Strategie und der Ausgestaltung des Benefit-Portfolios. Vier Fünftel der Arbeitgeber planten damals, ihre Benefits stärker auf eine Optimierung der Employee Experience auszurichten. Mehr als die Hälfte wollen deshalb mehr Flexibilität und Auswahlmöglichkeit bei Zusatzleistungen für Mitarbeitende schaffen. Darüber hinaus sollen Wellbeing-Maßnahmen integriert und verbessert (51 Prozent) sowie die Benefit-Kommunikation und damit einhergehend Verständnis und Wertschätzung der Benefits aufseiten der Mitarbeitenden ausgebaut werden (54 Prozent).

Arbeitgeber wissen also um den Bedarf und die Bedeutung eines flexiblen, am Bedarf der Mitarbeitenden orientierten Benefit-Angebots. Wer auf diverse Belegschaften eingehen will und muss, braucht Angebote, die für Mitarbeitende je nach Generation in der aktuellen Lebensphase erlebbaren Mehrwert bieten. Mit Blick auf das Employer Branding wollen Arbeitgeber sich so vom Angebot der Wettbewerber abheben.

Was Erwartungen prägt

Um zu wissen, was Mitarbeitende bei der Frage „Bleiben oder gehen?“ von ihrem Arbeitgeber erwarten, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Generationen. Die „harten Fakten“ Gehalt und Jobsicherheit stehen bei allen gleichermaßen im Fokus, wie der WTW Benefits Attitudes Survey zeigt. Doch schon ab Platz drei der Kriterienliste unterscheiden sich die Vorstellungen.
Die Generationen X und Y möchten neue Skills erlernen und ihre Karriere vorantreiben. Auch im Hinblick auf Vermögensaufbau und Familienplanung sind sie für ein entsprechendes Engagement des Arbeitgebers dankbar und setzen auf Leistungen des Unternehmens. Hingegen rücken bei den rentennahen Babyboomern und der Generation X die betriebliche Altersversorgung und das Wellbeing weiter vor. Mitarbeitende, die in den nächsten zehn bis 15 Jahren dem Ruhestand entgegenblicken, nehmen Leistungen in Bereichen wie Vorsorge und Pflege, Zeitwertkonten und Ruhestandsberatung gerne an. Für die Belegschaften, die mitten im Erwerbsleben stehen, liegen die Schwerpunkte womöglich stärker auf Benefits, die Themen wie Work-Life-Balance und Kinderbetreuung adressieren.

Welche Benefits Mitarbeitende konkret erwarten, richtet sich jedoch nicht nur nach dem Alter, sondern auch stark nach der Lebenssituation. Eine betriebliche Altersversorgung sowie flexible Arbeitsregelungen stehen bei fast allen Gruppen an erster Stelle. Mitarbeitende erwarten zudem Unterstützung bei der Gesundheitsvorsorge, der alltäglichen Finanzplanung, der Karriereentwicklung sowie der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen. Dabei zeigen sich aus Sicht der Mitarbeitenden klare Prioritäten, die Unternehmen angehen sollten – allen voran Flexibilität.

„One size fits all“ funktioniert nicht mehr

Der Blick auf die vielfältigen Wünsche verdeutlicht: Breit und flexibel angelegte Benefit-Programme waren grundsätzlich schon immer sinnvoll – im aktuellen Wettbewerb um gute Mitarbeitende sind sie es umso mehr. Der Wandel der Arbeitswelten erfordert Agilität und Anpassungsfähigkeit nicht nur bei den Mitarbeitenden, sondern auch bei den Arbeitgebern und HR-Verantwortlichen.

Für Unternehmen heißt das konkret: Neben einer Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort (soweit dies möglich ist) sollten sie sowohl Core Benefits, also Zusatzleistungen, die für Mitarbeitende obligatorisch und oftmals flächendeckend eingerichtet werden, als auch den Zugang zu einer Auswahl an flexiblen Benefits anbieten. Solche Wahlmöglichkeiten helfen den Mitarbeitenden, entsprechend dem eigenen Bedarf und der jeweiligen Lebenssituation passende Leistungen auszuwählen.
Die aktuelle Marktpraxis zeigt, dass Arbeitgeber bei der Ausrichtung ihrer Benefits-Strategie auf den Ausbau ihres Benefit-Angebotes setzen, um eine große Bandbreite an Zusatzleistungen bereitzuhalten. Maßgeblich für die Feststellung eines passgenauen Benefit-Portfolios sind die Analyse und das genaue Verständnis der Wünsche und Bedarfe von Mitarbeitenden sowie die Erkenntnisse, die Arbeitgeber hieraus ableiten. Tools, auf die Arbeitgeber zurückgreifen können, sind neben dem Benefit Audit und Benchmarking bestehender Benefits gegen Markt und Wettbewerb außerdem zielgerichtete Befragungen und der Einsatz von Instrumenten zur Messung von Effizienzkennzahlen der verschiedenen Benefit-Programme.

Core-Benefits flexibel gestalten

Was Mitarbeitende über die Generationen hinweg anspricht, sind die betriebliche Altersversorgung sowie Gesundheits-Benefits. Auch hier unterscheiden sich die Präferenzen im Einzelnen jedoch wieder nach Einkommenssituation, Familienstand und anderen Faktoren. Damit sind auch hier Wahlmöglichkeiten sinnvoll.

Die betriebliche Altersversorgung ist aus Sicht der Mitarbeitenden eines der wichtigsten Benefits: die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) möchte, dass ihr Arbeitgeber hierauf den stärksten Fokus legt. Denn die langfristige finanzielle Absicherung läuft oft über den Arbeitgeber. Knapp die Hälfte (47 Prozent) spart hauptsächlich mithilfe der betrieblichen Altersvorsorge für den Ruhestand.

Flexibilität in der betrieblichen Altersversorgung lässt sich beispielweise im Hinblick auf die Auszahlungsoptionen realisieren. Zwei Drittel der für die WTW-Studie Future of Pensions befragten Unternehmen gaben an, einen weitgehenden Auszahlungsmix bestehend aus Rente und Kapital oder Raten in ihrem modernsten Pensionsplan anzubieten. Damit sind Unternehmen auf dem richtigen Weg: Rund die Hälfte der Mitarbeitenden wünscht sich mehr Flexibilität bei den Auszahlungsmöglichkeiten. Auch hinsichtlich der Einbringung von Mitarbeiterbeiträgen sowie deren Kapitalanlage räumen viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden Wahlmöglichkeiten ein.

Im Rahmen dessen spielt auch die Vorsorge für Berufsunfähigkeit oder den Todesfall eine Rolle. Kinderlose Singles werden sich für eine Hinterbliebenenabsicherung kaum begeistern, Eltern hingegen schon. Damit unterstützen Wahlmöglichkeiten auch hier den passgenauen Abruf von Benefits.

Der Wunsch nach Gesundheits-Benefits und Employee-Assistance-Programmen ist bei Mitarbeitenden in jüngster Zeit stark angestiegen. Ein Viertel der Mitarbeitenden wünscht sich, dass Arbeitgeber sie in den Bereichen psychische und körperliche Gesundheit unterstützen. Für 60 Prozent der Befragten sind Gesundheitsprogramme des Arbeitgebers ein wichtiger Grund, im Unternehmen zu bleiben. Für 55 Prozent war das betriebliche Gesundheitsprogramm ein Grund dafür, zu ihrem aktuellen Arbeitgeber zu wechseln.

Der neue Fokus auf Gesundheitsprogramme hat im Wesentlichen drei Gründe: Erstens sind die Mitarbeitenden ebenso wie Arbeitgeber infolge der Coronapandemie für die Bedeutung der eigenen Gesundheit stark sensibilisiert worden. Zweitens sehen sich Mitarbeitende konfrontiert mit Inflation und steigenden Kosten im Gesundheitssektor, künftigen Beitragssteigerungen und damit einhergehend zurückgehenden Leistungen. Drittens steigen Gesundheitsbelastungen physischer und psychischer Natur generationenübergreifend an. Trend-Benefits wie die betriebliche Krankenversicherung und Employee-Assistance-Programme, die einerseits unabhängig von Raum und Zeit verfügbar sind und andererseits ein umfassendes Wellbeing adressieren, erfahren daher eine steigende Nachfrage.

Die Angebote betrieblicher Krankenkassen sind heute so vielfältig und individuell umsetzbar wie nie zuvor. Arbeitgebende können bei der Wahl des passgenauen Gesundheitspaketes auf das klassische Bausteinmodell mit fest definierten Leistungen zurückgreifen oder aber auf das innovative Budgetmodell setzen und damit bei der Absicherung der Gesundheitsleistungen ihren Mitarbeitenden hohe Flexibilität und Nutzbarkeit einräumen.

Benefits richtig kommunizieren

Die besten Lösungen erfüllen nicht ihren Zweck, wenn sie in den Belegschaften kaum wahrgenommen oder geschätzt werden. Daher ist es wichtig, zielgerichtete Benefits vorzuhalten und diese auch entsprechend zu kommunizieren und begleitende Informationen zur Verfügung zu stellen.

Angesichts von vier Generationen und heterogenen und teilweise fluiden Benefits-Programmen in den Unternehmen ist eine analoge oder statische Kommunikation von Zusatzleistungen nicht zielführend. Der Trend geht zu digitalen Kommunikationswegen, abgestimmt auf die Wünsche der Mitarbeitenden, um eine ansprechende User Experience zu ermöglichen – mobil und on demand. Mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden sagt, dass Apps ein wesentlicher Bestandteil bei der Kommunikation von Benefits sein sollten. Mitarbeitende, die solche Apps nutzen, sagen zudem deutlich häufiger, dass die Zusatzleistungen ihren Bedürfnissen entsprechen. Ob dies an den Benefits selbst liegt oder daran, dass die anderen Befragten ihre Benefits in Ermangelung geeigneter Kommunikation weniger gut kennen, lässt sich aus den Daten nicht ablesen. Für HR-Verantwortliche bieten Apps zudem Erleichterungen bei der Administration und dem Reporting der Benefits.

Benefits-Plattformen noch in den Kinderschuhen

Um einen hohen Grad an Flexibilisierung im Benefits-Angebot bereithalten und abbilden zu können, ist der umfassende Einsatz digitaler Lösungen in der Kommunikation und Administration der Zusatzleistungen maßgeblich. Erst die Nutzung und Bereitstellung entsprechender Tools und Interfaces macht für Unternehmen eine transparente Kommunikation der Benefits möglich. Dies erlaubt es Mitarbeitenden, Benefits je nach Bedarf auswählen und auch wieder abwählen zu können, wenn sie nicht mehr in die Lebenssituation passen und keinen relevanten Nutzen stiften. Die Etablierung von Benefits-Plattformen, die das gesamte Spektrum versicherungsförmiger wie nicht versicherungsförmiger Benefits in allen Dimensionen abdeckt, steckt in Unternehmen in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Die Marktpraxis zeigt, dass Unternehmen, die anlässlich veränderter Rahmenbedingungen in den Arbeitswelten aktuell die Überprüfung bestehender Benefits-Portfolios vornehmen, auch diesen Aspekt angehen und im Zuge der Anpassung und Erweiterung des Angebotes entsprechende Lösungen für eine bessere und einfachere Steuerung und Nutzung von Benefits etablieren.

Für HR-Verantwortliche bieten der Wandel der Arbeitsmodelle und veränderte Rahmenbedingungen eine große Chance. Unter Hinweis auf neue Anforderungen können sie die Notwendigkeit strategischer und operativer Anpassungen in HR-Services und zielgerichtete Investitionen überzeugend begründen, um geeignete Benefit-Tools zu identifizieren und zu implementieren. So erzielen Unternehmen Synergien, indem sie nachhaltig HR-Ressourcen stärken und Kosteneffizienzen generieren.

Weitere Beiträge zum Thema:

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Flexibilität. Das Heft können Sie hier bestellen.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren

Anne Becker

Anne Becker ist Associate Director Retirement bei WTW Deutschland.

Casimir von Moltke

Casimir von Moltke ist Senior Consultant Health & Benefits bei WTW Deutschland.

Weitere Artikel