In der Branche der Browsergames herrscht ein harter Wettkampf um Talente. Personaler müssen sich einiges einfallen lassen, um Spieleentwickler für sich zu begeistern. Einfach eine Stellenanzeige schalten war gestern.
Anne Grovu steht vor einer Herausforderung. Die Leiterin der Human Resources Abteilung bei InnoGames verantwortet den geplanten Stellenausbau des Unternehmens. Der Betreiber hinter dem Spiel „Die Stämme“ will im Jahr 2014 von 300 auf circa 400 Mitarbeiter aufstocken. Dies ist angesichts des Fachkräftemangels kein leichtes Unterfangen. Grovu spricht ganz offen vom „War for Talents“.
Eigentlich hat die Branche der Browsergames-Entwickler ihre Goldgräberzeiten hinter sich, da sind sich die Experten einig. Ein Konsolidierungseffekt ist vielerorts bereits eingetreten. Zwar wächst die Zahl der Registrierungen für die Spiele, es fällt jedoch immer schwerer, die Kunden langfristig zu binden. Die Firmen, denen das gelingt, versuchen ihr Portfolio zu erweitern. Ein gescheitertes Projekt aber kann dem Wachstum einen Schlag verpassen und zu kurzfristigen Entlassungen führen. Dabei erwischt es auch bekanntere Namen wie BigPoint oder Zynga, deren Geschäftszahlen lange nur nach oben zeigten.
Der Bedarf an Arbeitskräften ist aber weiterhin hoch. Browsergames, die von Studierenden Mitte der 2000er Jahre entwickelt wurden, benötigen heute professionelle Teams aus mehreren Dutzend Köpfen. Durch den rasanten technischen Fortschritt sind die Möglichkeiten der Entwickler deutlich gestiegen. Mittlerweile können Spiele angeboten werden, die das Niveau eines Vollpreisspiels von vor vier Jahren erreichen. Dadurch sind auch die Ansprüche der Konsumenten an die Gratisspiele gestiegen. Nicht jedes Spiel muss mit grafischen Elementen überzeugen. Funktionierende Datenbanken, Server, und ein fehlerfreier Spielfluss unabhängig von der Menge der Spieler sind aber Pflicht, um auf dem Markt bestehen zu können.
IT-Fachkräfte sind daher stark begehrt. „Wir haben es eindeutig mit einem Bewerbermarkt zu tun“, so Diane Bildhäuser, Personalreferentin von Travian Games. Die Branche hat sich so rasant entwickelt, dass der Arbeitsmarkt nicht schnell genug reagieren konnte. Die Spieleentwicklerausbildung steckt noch in den Kinderschuhen und IT-Skills, wie sie früher für einen Quereinstieg noch gereicht hätten, sind je nach Anforderung an das Stellenprofil nicht mehr ausreichend. Umso wertvoller sind die Talente.
Neueinstellungen in Planung
Travian Games selbst hatte im Frühjahr 2013 noch Mitarbeiter entlassen müssen. Ein neues Spieleprojekt war nicht erfolgreich genug vom Markt angenommen worden, die Projektmitarbeiter mussten gehen. Mittlerweile plant aber auch Travian Games Neueinstellungen, um das Hauptprodukt „Travian“ weiterzuentwickeln. Und der Kern der vorhandenen Fachkräfte muss sowieso gehalten werden.
Das Recruiting orientiert sich in der Mehrzahl der Stellenbesetzungen noch am klassischen Prinzip von Ausschreibung und Bewerbung. Dabei greifen die Unternehmen vor allem auf ihre eigenen Karriereseiten und branchenspezifische Onlineportale zurück. Selten lässt sich jedoch eine Vakanz im gewünschten Zeitrahmen füllen. Die direkte Ansprache an potenzielle Mitarbeiter gewinnt für die Besetzung von höheren Stellen, gerade im kreativen Bereich, daher zunehmend an Bedeutung. Grundlage dafür sind oft Mitarbeiterempfehlungen, die durch ihre Authentizität zu einer hohen Effizienzquote führen.
InnoGames hat mit dem Programm „Recruit a dude“ diesen Ansatz systematisiert. Mitarbeiter bekommen bei einer erfolgreichen Vermittlung eine Prämie. Mittlerweile wurde dies sogar ausgeweitet auf Nichtmitarbeiter. Auch hier winkt eine Geldprämie. Entscheidend ist, dass eine wichtige Stelle erfolgreich besetzt wurde. Die privaten Netzwerke der Fachkräfte werden so zu einem wertvollen Rekrutierungspool.
Eine weitere Möglichkeit bieten Recruiting-Messen. Eine davon ist die „making games talents“. Hier präsentieren sich Spielehersteller wie Daedalic, Goodgame Studios und Deep Silver Fishlabs den Fachkräften. Im Gepäck haben sie offene Stellen. Sie bewerben sich damit bei den anwesenden Talenten. Laut Veranstalter wurden so bereits 300 Stellen vermittelt. 150 offene Positionen werden für den nächsten Event im April ausgewiesen.
Geringfügig höhere Fluktuation
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einmal zueinander gefunden, gilt es vor allem, die Fachkraft an das Unternehmen zu binden. Die Dynamik der Branche mache sich aber auch in einer geringfügig höheren Fluktuation der Mitarbeiter gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen bemerkbar, wie Grovu bestätigt. Einige der Fachkräfte wechseln innerhalb der Branche. Ein großer Teil verlässt jedoch die Welt der Onlinegames, um die begehrten Software- und IT-Skills anderweitig einzusetzen. Zu den Konkurrenten für die deutschen Unternehmen zählen dabei auch die großen traditionellen Computerspielehersteller. Sie können mit weitaus größeren Ressourcen und Gehaltsbudgets den Markt der Fachkräfte sondieren und Talente anlocken.
Die Dynamik der Branche, einerseits Ausdruck und kreative Grundlage für die Spieleindustrie, ist eine Herausforderung für die Personalabteilungen. Die Hersteller der Browsergames setzen auf eine authentische Unternehmenskultur. Spielerische Arbeitsplatzgestaltung, flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien gehören schon zum Standard, um die Fachkräfte von der Firma zu überzeugen. Die Identifikation mit dem Produkt spielt ebenfalls eine große Rolle.
„Vom Untertan zum Firmenbürger“ heißt das Credo, mit dem Travian Games die Unternehmenskultur an die Mitarbeiter weitergeben will. Die Wortwahl erinnert dabei bewusst an das Setting des Hauptproduktes Travian. Vor allem im Software- und Kreativbereich sollen sich die Fachkräfte eher wie souveräne Unternehmer einbringen. Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit im jeweiligen Projekt erhöhen so im besten Fall die Bindung an die Firma. Um diese Vorstellung im Unternehmen erfolgreich umzusetzen und als Pluspunkt im Kampf um Talente einsetzen zu können, sucht Travian Games nun einen erfahrenen HR Director.
Externe und interne Weiterbildungen haben schon immer eine große Bedeutung in der Branche gehabt. Durch die technische Entwicklung sind diese unabdingbar. Aktiv werden die Mitarbeiter ermutigt, sich innerhalb der Firma weiterzuentwickeln, auch auf die Gefahr hin, die begehrte Fachkraft noch attraktiver für den Arbeitsmarkt zu machen.
Für die HR-Abteilung bedeutet das alles anspruchsvolle Arbeit in einem spielerischen und schnellen Umfeld. Hochqualifizierte Mitarbeiter müssen gehalten, neue Talente gefunden werden. Die Fachkräfte können wählerisch sein, ihre Fertigkeiten sind begehrt. Darin ähnelt sich das Profil der HR und der Spieleentwickler: Ist der Kunde nicht überzeugt, bleiben ihm genug Optionen, um einfach weiterzuziehen.