Der HR Business Partner wird volljährig. Seit 18 Jahren wird er kritisiert, gefeiert und immer wieder weiterentwickelt. Und er ist auch hierzulande omnipräsent. Eine Bestandsaufnahme in acht Thesen.
Keiner hätte ihn gebraucht, eigentlich, weder als implizite Idee noch als explizite Rolle, den Human Resources Business Partner (HRBP). Denn in der betriebswirtschaftlichen Lehre steuert und fördert Personalmanagement selbstverständlich profitables Wachstum. Klar, dieses Paradigma kann systemkritisch in Frage gestellt werden. Und dass überhaupt die einseitige ökonomische Fixierung durch eine „balanced bottom line“ aus „people, planet, profit“ abgelöst werden sollte. Und dass deshalb der HRBP Impulse, Akzente, Kontrolle gegen unbändiges Laisser-faire im Business setzten müsse. Lassen Sie uns solche grundlegenden Kritikpunkte anlässlich der Geburtstagsfeier einmal ausblenden.
Längst ist der HRBP omnipräsent, erschaffen von Dave Ulrich, laut amerikanischen HR-Magazinen viele Jahre „the most influential person in HR“. In seinem programmatischen Klassiker „HR Champions: The Next Agenda for Adding Value and Delivering Results“ war der HRBP keine spezifische Aufgabe im arbeitsteilig organisierten Personalbereich, sondern eine von vier Rollen der HR-Funktion, übrigens mit dem Geburtsnamen „Strategic Partner“. Die Idee ist älter. Bei Ulrich lassen sich erste Spuren auf 1987 datieren. In deutschsprachigen Lehrbüchern sind frühe Entsprechungen seit den fünfziger Jahren zu finden. Selbst Goethe hat sich schon dazu geäußert: „So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muss sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Mögliche getan hat.“
1997 war die Zeit reif für den Durchbruch, zunächst im angelsächsischen Raum. Die Neuorientierung im HR-Geschäftsmodell fand hierzulande erst später großen Anklang. Auf deutschsprachigem Terrain hatte der HRBP keine einfache Kindheit und Pubertät. Wirtschaftskrisen infolge zweimal geplatzter Blasen mit Dominanz von Kostenthemen sowie die Lust auf Personaladministration samt ihrer Verrechtlichung behinderten anfänglich sein Gedeihen. Zudem gab es vor einem halben Jahrzehnt die für bahnbrechende Ideen obligatorische Phase des Bashing, in der neidische Möchtegerns und nörgelnde Besserwisser den HRBP-Trend am liebsten wieder weggemobbt hätten. Unverständlich, denn wer über den eigenen theoretischen oder praktischen Tellerrand hinausblickt, wird erkennen: Nicht wenige Unternehmen in Schwellenländern und manche moderne Verwaltung sind konzeptionell und praktisch um Meilen weiter als hiesige wissenschaftliche Lehrbücher oder Dinos der einstigen Deutschland AG.
„Die Auswirkungen der Globalisierung und die Digitalisierung erfordern neue Personalstrategien und Konzepte, die auf die jeweiligen Anforderungen eines Geschäftsfelds passgenau zugeschnitten sind. Als Business Partner, der auch Verantwortung für den Geschäftserfolg trägt, muss HR deshalb eine gestalterische Rolle übernehmen, und sich auch als Treiber einer neuen, horizontalen Führungskultur verstehen.“ Janina Kugel, Mitglied des Konzernvorstands, Siemens AG
Terminologie und Perspektive des HRBP haben sich gewandelt, bei den vielen Sympathisanten und Ulrich sowieso. Einige beschreiben bereits die nächste Generation, den HRBP 2.0. Die Idee des Business Partnering bleibt jedoch stabil: Wertschöpfung aus der People-Dimension des Unternehmens. Ein Nachfolger für diese Haltung und Rolle ist nicht in Sicht.
Wir beide haben uns, viele Jahre gemeinsam, nun im engen Austausch, intensiv mit Business Partnering beschäftigt: in fünf HR-Strategiestudien (2002 – 2011), einer explorativen Studie zum „frühen“ HRBP (2005), unserem HRBP-Buch (2010) sowie – für uns besonders lehrreich – in zahlreichen Beratungsprojekten bis zum heutigen Tag. Während manche Unternehmen in 2015 mit der Umsetzung starten, machen sich andere an die Entwicklung. Aus alledem leiten wir acht Thesen ab.
These 1: Der HRBP ist heute Fakt
Die Zweifler sind leise geworden oder verstummt. Ohnehin hat die Praxis den HRBP längst pragmatisch aufgegriffen. Wer einen Blick in HR-Jobbörsen wirft, findet bei rund einem Drittel der Stellenanzeigen die HRBP-Bezeichnung. Auf dem Arbeitsmarkt zieht der Begriff, selbst wenn viele der realen Aufgabenfelder kaum mehr als verbrämte Referententätigkeiten bleiben.
Mit dem HRBP ist ein vermeintliches Premium-Standing verbunden: besser Kür statt Pflicht, besser Gestalter als Verwalter, besser Transformation als Administration, besser nah am Management als da sein für die Arbeitnehmer, besser schicke Themen wie Leadership Development, Talent Management oder Change Management als im schnöden Alltag der Arbeitskosten versunken oder vom Formularkram erschlagen. Damit einher geht die Gefahr von Elitedenken und Dünkelhaftigkeit bis zur Hybris samt Tendenz zur Zweiklassengesellschaft im Personalbereich. Wovor man sich hüten sollte. Denn zur HR-Funktion gehört beides.
These 2: Business Partnering bringt Professionalität und Effektivität
Mittlerweile belegen diverse Studien die Wirksamkeit des HRBP-Konzepts, seien es Analysen des Corporate Leadership Council, von der Boston Consulting Group, Mercer oder Deloitte. Stellenwert und Performanz der Personalarbeit hängen wesentlich am stringent umgesetzten „Operating Model“ und einer gelungenen Implementierung der HRBP-Rolle. Man kann solche Untersuchungen nicht ignorieren. Mancher aus Theorie und Praxis ereifert sich, dass das Business Partnering bloß ein fieser Trick von Dienstleistern auf ihrer verzweifelten Suche nach Innovation war. Mitnichten.
Vielmehr ist Business Partnering sowohl wichtiger Anspruch als auch zentraler Pfeiler eines modernen HR-Geschäftsmodells. Den Anspruch löst man nicht einfach so ein. Ein weiter, harter und im Grunde ewiger Weg will beschritten werden. Unsere Studien ergaben denn auch keinen beharrlich steigenden Zielerreichungsgrad zum „voll und ganz anerkannten HRBP“, ganz im Gegenteil. Von 2002 bis 2011 ist dieser Wert nicht gestiegen, sondern markant gesunken. Besonders beim konkreten Wertbeitrag hapert es, nur einer von 25 Personalbereichen sieht sich bereits am Ziel. Vom kritischen Fremdbild der Führungskräfte im Business ganz zu schweigen.
These 3: Manche Personaler sind vom Business Partnering überfordert
Ein Meilenstein auf dem Weg zum professionellen HR-Management sind bessere oder zumindest der Verzicht auf schlechte Personaler – selbst wenn die Zuschreibung „schlecht“ stets im Auge des Betrachters entsteht. Wenn man jedoch Personalern schlichte Fragen stellt, etwa „Wie kann durch People Management die Wertschöpfung Ihrer Firma im Vergleich mit Wettbewerbern gesteigert werden?“, fallen deren Lösungen nicht selten höchst dürftig aus. Falls solche Aufgaben nicht sogar als persönliche Zumutung empfunden werden.
In derartigen Psychotopen sollte man von der HRBP-Umsetzung absehen und sich um Grundsätzliches kümmern. Der Personalbereich ist immer auch ein Performanz- beziehungsweise Potenzial-Portfolio von handelnden Akteuren. An dessen Verbesserung sollten sich HR-Verantwortliche vor einer HRBP-Umsetzung machen. Einige Personalbereiche würden enorm an Qualität und Standing gewinnen, wenn sie sich von den 10 bis 15 Prozent „Nurgutmenschen“, „Leistungsminimalisten“, „Gestern-war-alles-besser-Denkenden“ trennen. Deren geringer Anteil bestimmt das oftmals miese HR-Image. In die vielen anderen Personaler muss dann im Sinne von „HR für HR“ investiert werden. Es kann nicht angehen, dass die HR-Funktion Personalentwicklung nur für die restliche Belegschaft betreibt.
„Wir Personaler dürfen nie den Blick für das Wesentliche verlieren. Als Personalchef der SAP stehen für mich drei Prinzipien bei meiner Arbeit immer im Vordergrund: Vereinfache, standardisiere und arbeite vor allem kundenorientiert.“ Stefan Ries, CHRO und Mitglied des Global Managing Board, SAP SE
These 4: Oft ist das Business vom Business Partnering gestresst
In Beratungsverträgen gibt es den Begriff der Mitwirkungspflicht. Klar, ohne aktive und kompetente Kunden geht in keinem Projekt etwas voran. Gleiches gilt beim Business Partnering. Wenn eine von beiden Seiten schwächelt, wird es nichts mit dem Wertbeitrag. Schon richtig: Gesellschaft, Organisation und Personaler haben es Führungskräften in den letzten Jahren nicht leichter gemacht. Neben der eigentlichen Arbeit kommen auf die Chefs immer mehr Aufgaben, Veränderungen, Herausforderungen zu, vom schwieriger werdenden Leadership ganz zu schweigen. Führung in einer VUCA-Welt, also einer Welt voller Unberechenbarkeit, Ungewissheit, Komplexität und Ambivalenz, ist anspruchsvoll und in großen Organisationen höchst kompliziert.
Im besten Fall sehen Chefs ihre Defizite, und HR kann diese coachend, trainierend oder selektierend schließen. Aber es gibt mehr Manager als man glaubt, die mit ihren People-Aufgaben am liebsten in Ruhe gelassen werden möchten. Im eigenen Saft schmort es sich gar nicht schlecht. Einmischungen Dritter sind lästig oder könnten Probleme entlarven. Was das Business gegenüber internen Spezialisten ungern preisgibt. Vor allem wenn für allfällige Schwierigkeiten weiterhin „die da von Personal“ verhaftet werden können. Wäre schon blöd, wenn die HR-Funktion nicht mehr als Schuldige für Führungsmängel und Managementschwächen herhalten will.
These 5: Business Partnering ist eher Haltungsfrage als Strukturthema
HR-Organisationen sind kontextabhängig und sollen effizient und effektiv Output produzieren. Ob mit zwei, drei, viereinhalb Säulen oder mittels hybridem Modell ist hierfür ziemlich egal. Allzu schnell wurde Business Partnering zur Dreisäulenlogik verkürzt. Der Personalbereich sei in administrative, transaktionale, effiziente Shared Services, gestaltende sowie regelsetzende Kompetenzcenter und eben die HRBP-Rolle aufzuspalten. Ein solcher Aufgabensplit macht ohnehin nur für Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern Sinn. Für sie wurde und wird die Idee primär zum Organisationsthema und damit zum gewaltigen Kraftakt samt langwierigem Veränderungsprojekt. Übrigens: Wer literaturhistorisch nach Ableitung dieser Säulen aus den einstigen vier Ulrich-Rollen fahndet, wird nicht fündig werden. Die waren um die Jahrtausendwende plötzlich da, wobei unsere Zunft ihren maßgeblichen Anteil an deren Erfindung hatte.
Es geht beim Business Partnering letztlich um das Mindset und die richtigen HR-Akteure für die wichtigen People-Themen. Außerdem: Statt vorneweg lauthals von Business Partnering zu parlieren und ein Strukturprojekt zu starten, kann es besser sein, zunächst die für diese anspruchsvolle Rolle geeigneten Personaler auszumachen, sie von sonstigen Aufgaben freizuschaufeln und in ausgewählten Betreuungsbereichen wertschöpfend wirken zu lassen. Ohne gleich mit einem Paradigmenwechsel zu posaunen. An anderer Stelle haben wir dies als „007-Taktik“ bezeichnet.
These 6: Schnittstellenprobleme in der Matrix
Mit Business Partnering wird – aus Sicht von Führungskräften – organisatorische Komplexität von People-Themen in interne Komplexität für die HR-Funktion gedreht. Business Manager können sich freuen. Als „single point of contact“ muss nun der HRBP die Schnittstellen im Personalbereich koordinieren. Im Ergebnis entsteht in größeren Unternehmen die Matrix als häufigste HR-Organisation – mit typischen Problemen dieses Formats. Besonders im Spannungsfeld zwischen kundenorientierten HRBP und besserwisserischen, selbstgefälligen oder regelwütigen Kompetenzcentern knirscht es: Wo fangen Aufgaben und Verantwortung der einen an und wo hören die der anderen auf? Wenn zu diesen systemischen Konflikten noch menschliche Differenzen hinzukommen – denn Personaler zanken gern –, dann ist die HR-Funktion primär mit sich selbst und ihren Hahnenkämpfen und Zickenkriegen beschäftigt.
Besonders in divisionalen, internationalen Konzernen können die Nähte im personalistischen Strukturgewebe bis zum Zerreißen gespannt sein. Inzwischen wurden diverse Ausgleichsmechanismen entwickelt. Keiner von ihnen löst sämtliche Friktionen, am besten wirkt noch die Klärung von Verantwortlichkeiten entlang der HR-Prozesse. Letztlich führt aber kein Weg am Gemeinschaftsgeist vorbei im Sinne von – auf Beraterdeutsch – „one HR team, one HR behavior“ beziehungsweise „collective mindset“. Dafür hat der HR-Chef höchstselbst zu sorgen, da bei ihm oder ihr sämtliche Organisationslinien zusammenlaufen. Apropos: Jenseits des Formalen nähern sich erfolgreiche HRBP mehr und mehr ihrem Betreuungsbereich an, hinsichtlich Perspektive, Loyalität, Karriere. Dem Personalbereich gehen sie damit verloren, selbst wenn sie dort weiterhin verankert bleiben.
These 7: Business Partnering heißt Suchen und Finden von Wertschöpfung
Was macht eigentlich ein HRBP? Wertschöpfung aus der People-Dimension des Unternehmens! Aber was bedeutet das konkret? Zum Unglück der Berater gibt es seit Jahren kaum wirklich neue HR-Innovationen. Zunehmend wichtig wird jedoch der Kontext, also ein Zusammenhang und Zusammenklang der Themen, sowie Antworten auf soziale, politische und technische Entwicklungen im Umfeld. Die Top-Themen im HR-Bereich sind oben bereits genannt, wobei besonders eine Steigerung der Führungskräftequalität einerseits und die Professionalisierung beim Thema Reorganisation echte Wertschöpfung, zumindest das Vermeiden von direkten oder indirekten Kosten bedeuten würde. Weil beides doch recht oft im Argen liegt.
Allerdings sind viele HRBP mit operativen Aufgaben ausgelastet, beispielsweise in Wachstumsunternehmen derzeit zu fast hundert Prozent mit Rekrutierung. Manch andere setzen falsche Akzente: Sie frönen Hobbythemen, lassen sich als willfähriger Hiwi missbrauchen, verstehen HR als Jonglieren von Kennzahlen oder versuchen dem Management dessen Unfähigkeit aufzuzeigen. Reale Wertschöpfung zu liefern, bleibt für den HRBP eine situative und strapaziöse Herausforderung, jeden Tag.
„Wir führen bei REWE im Moment den HR Partner ein. Für mich ist der HR Partner die Lösung, um HR-Themen businessnah vor allem im Vertrieb und in der Logistik zu platzieren und gleichzeitig die Bedürfnisse des Geschäfts schnell in die Konzepte zu integrieren. Dadurch erreichen wir eine deutlich verbesserte HR-Dienstleistung und eine bessere und schnellere Umsetzung bei unseren 3.300 Märkten.“ Daniela Büchel, Geschäftsleitung HR und Nachhaltigkeit, REWE
These 8: Nach dem Business Partner kommt der bessere Business Partner
Bei Nummer 73 haben wir aufgehört zu zählen. Mittlerweile sind aus Praxis und Theorie weitere Kompetenzmodelle für den HRBP hinzugekommen. Sie hangeln sich entlang der drei Dimensionen, wie die Funktionsbezeichnung bereits verrät. Ein HRBP beherrscht HR, daher benötigt er starke Fachkompetenz. Er versteht das Business, daher bedarf er eines ausgeprägten Geschäftsverständnisses. Er agiert als Partner, daher braucht er eine starke Persönlichkeit. Doch zunächst einen Schritt zurück. Mindestens fünfzig Prozent der ernannten HRBP gelten als falsche Besetzung, wie Studien und Praxis leidvoll herausgefunden haben. Weshalb bereits der Selektionsprozess mehr als nur simples Umlabeln sein muss. Denn Business Partnering bedeutet den Einsatz der richtigen Akteure an den wichtigen Themen. Wenn nun für Personalentwicklung der Megatrend Individualisierung ausgerufen wird, gilt dies in besonderer Weise für den HRBP. Bessere Akteure bekommt man durch anspruchsvolle Auswahlprozesse, unbeirrbare Beurteilungsprozesse sowie individuelle Qualifizierung wie Sparring, Coaching und Supervision.
Der HRBP ist kaum jemals fertig. Kürzlich, in vertraulicher Runde mit seniorigen HR-Experten, haben wir uns gefragt, ob jemand mit gutem Gewissen ein Unternehmen nennen könne, das beim Business Partnering bereits am Ziel angekommen sei und damit „best-in-class“ wäre. Nix da! Sie als Praktiker und uns als Berater wird der nunmehr volljährige HRBP weiter beschäftigen. Wirklich flügge ist er noch nicht. Aber wer ist das schon mit 18?