Führungskräfte müssen navigieren, moderieren und kommunizieren, sagt Sebastian Dettmers, Geschäftsführer von Stepstone. Und empathisch sein.
Zwei Drittel der Fachkräfte in Deutschland sind der Meinung, ihr Vorgesetzter sei nicht ausreichend für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Das zeigt eine Analyse der Online-Jobplattform Stepstone. Da stellt sich die Frage: Steht das Management Innovationen im Weg? Oder wissen Führungskräfte einfach nicht, welche Prioritäten sie heute setzen müssen? Fest steht: Die Führungskraft von morgen braucht mehr als nur Durchsetzungsvermögen.
Wenn heute über Digitalisierung diskutiert wird, hört man immer wieder zwei Thesen. Erstens: Die Digitalisierung wird kommen. Zweitens: Die Digitalisierung wird vieles verändern. Beide Behauptungen sind falsch. Zum einen ist die Digitalisierung längst da. Zum anderen wird sie nicht vieles verändern – sie verändert alles. Das gilt auch für Unternehmen. Dynamische Märkte zwingen Unternehmen, ihre Organisationsstrukturen neu zu denken – ob sie es wollen oder nicht. Vor allem Führungskräfte müssen sich neu aufstellen. Das meinen auch ihre Mitarbeiter: Sechs von zehn Fachkräften glauben, dass das Führungsverhalten ihrer Chefs derzeit nicht geeignet sei, um flexibel auf sich permanent wandelnde Märkte zu reagieren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Stepstone Research Team zusammen mit Kienbaum durchgeführt hat.
Der Vorgesetzte wird zum Navigator
Doch welche Fähigkeiten müssen Vorgesetzte im digitalen Zeitalter mitbringen? Und welches neue Rollenverständnis ergibt sich dadurch für die Mitarbeiter? Eine Antwort darauf ist das Prinzip des Shared Leadership. Gemeint ist die Idee, Team-Mitgliedern einzelne Führungskompetenzen oder temporär gar die gesamte Führung eines Projekts zu übergeben. Hierarchien werden dadurch flacher, Autoritäten dezentralisiert. Während Mitarbeiter eines Teams gemeinsam eigene Meilensteine definieren, wechseln Führungskräfte in die Rolle des Navigators. Sie sind dadurch zwar weiterhin fest in die Arbeitsprozesse des Teams integriert, verantworten aber in erster Linie die Zusammenstellung ihrer Teams und schaffen dadurch neue Organisationsstrukturen.
Den allwissenden Chef gibt es nicht (mehr)
Diese Veränderungen sind notwendig: Unsere Auswertung zeigt, dass acht von zehn Fachkräften in einem selbstverantwortlichen Team arbeiten und darin möglichst selbstbestimmt arbeiten wollen. Die Absicht, innerhalb einer stark hierarchisch geprägten Organisation möglichst schnell die Karriereleiter zu erklimmen, haben heute nur noch sehr wenige Fachkräfte. Stattdessen wünschen sich die meisten mehr Entscheidungskompetenzen und Freiheiten bei der Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung. Für Führungskräfte ergibt sich dadurch ein völlig neues Rollenverständnis. Der Vorgesetzte von morgen überzeugt weder mit Durchsetzungsvermögen noch mit Allwissenheit. Er muss vielmehr in der Lage sein, einzelne Kompetenzen der Mitarbeiter schnell zu identifizieren und miteinander zu verknüpfen. Das geflügelte Wort „Wissen ist Macht“ gilt zwar weiterhin. Aber da das Fachwissen nicht mehr nur bei der Führungskraft, sondern ebenso bei den Projektteams liegt, wird die Macht neu verteilt. Der Einfluss kumuliert nicht an der Spitze eines Teams, sondern fließt in sich ständig wechselnde Netzwerkknoten.
Der Dialog mit den Mitarbeitern wird wichtiger denn je
Digitalisierung heißt Beschleunigung – und zwar auf allen denkbaren Ebenen. Pläne, Aufgaben und Projekte, die bislang meist langfristig ausgelegt waren, erfordern nun immer häufiger eine kurzfristige Nachjustierung. Chefs müssen in der Lage sein, kurzfristige Projektänderungen zu moderieren und kommunikativ stark aufzutreten. Der ständige Dialog mit Mitarbeitern wird unumgänglich, um sich dauernd wechselnden Rahmenbedingungen anzupassen und schnell Feedback einzuholen. Gleichzeitig wird der Dialog künftig zur vielleicht größten Herausforderung für Führungskräfte. Denn mit der Digitalisierung werden auch flexible Arbeitsmöglichkeiten zunehmen. Vorgesetzten wird der unmittelbare Zugriff auf ihre Mitarbeiter dadurch erschwert.
Eine ganz klassische Fähigkeit erfolgreicher Führung wird jedoch auch künftig bedeutend bleiben: die Empathie. Die Ergebnisse einer Stepstone-Studie zeigen, dass für neun von zehn Fachkräften ein guter Chef wesentlich für die eigene Jobzufriedenheit ist. Mehr als die Hälfte aller Befragten haben sogar schon einmal die Stelle wegen des Vorgesetzten gewechselt. Auf seine Mitarbeiter einzugehen, sie zu verstehen und ihnen Orientierung zu geben, können und werden Big Data sowie modernste Technologien nicht leisten. Man könnte auch sagen: Persönlichkeit lässt sich nicht digitalisieren.