Eine Feedback-Kultur im Unternehmen erhöht nicht nur die Motivation, sondern schafft die Grundlage für weitere Veränderungen. Wie gehen Sie dabei vor?
Die Transformation der Unternehmen stockt, besonders bei uns in Deutschland. Es fällt uns schwer, Hierarchien aufzubrechen, in Netzwerken zu arbeiten, über Vertrauen anstelle von Kontrolle zu führen, Verantwortung in Teams zu verlagern, Abstand zu nehmen von Individualzielen und jährlichen Performance Reviews. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Ein Punkt ist für mich, dass wir Veränderungen in Unternehmen nicht evolutionär sehen. Dabei spricht doch viel dafür, mit einer Strategie der kleinen (aber konsequenten) Schritte vorzugehen. An einem zentralen Hebel zur Veränderung des Unternehmens insgesamt – der Feedback-Kultur – erläutere ich das genauer.
Feedback führt zu höherer Zufriedenheit
Umfragen zeigen, dass gut die Hälfte der Beschäftigten kaum bis keine Rückmeldung zu Leistung, Verhalten oder Entwicklung bekommt – insbesondere in KMU – und dass Mitarbeiter sich mehr Feedback wünschen. Die größeren Unternehmen mit ihren meist jahresbezogenen Modellen zur Leistungsbeurteilung und variabler Vergütung machen es nicht viel besser, da sich mit einer jährlichen „Top-down-Rückmeldung“ nicht wirklich eine Feedback-Kultur entwickelt.
Studien zeigen, dass die Entwicklung einer Feedback-Kultur ein starker Hebel für höhere Zufriedenheit, Kundenorientierung, Innovation, bessere Führung und am Ende auch Performance sein kann. Die für mich wesentlichen Punkte für die Entwicklung einer Feedback-Kultur in dem Sinne sind:
- Vereinbaren Sie ein systematisches Vorgehen im Unternehmen
Eine Feedback-Kultur entwickelt sich nicht von selbst, zu groß sind die im Unterbewusstsein verankerten Ängste und Widerstände bei Führungskräften und Mitarbeitern. Daneben ist meine Erfahrung, dass man an dem Thema dauerhaft arbeiten muss, sonst fällt die Organisation wieder zurück. Beide Punkte sprechen für ein systematisches, für das Unternehmen vereinbartes Vorgehensmodell. Am erfolgsversprechenden sind dabei persönliche Gesprächsformate, die um andere Instrumente ergänzt werden sollten. - Setzen Sie auf wechselseitiges Feedback
Ein starkes Signal für eine neue Bottom-up-Kultur ist, wenn Sie auch den Mitarbeitern die Möglichkeit einräumen, Ihren Vorgesetzten gleichberechtigt Feedback zu geben. Das zwingt Führungskräfte gleichzeitig, ihren Mitarbeitern wieder stärker zuzuhören, deren Erkenntnisse, Erfahrungen und Ratschläge in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. - Feedback umkehren: Vom Geben zum Einfordern
Vereinbaren und leben Sie die wechselseitigen Formate so, dass der Feedback-Nehmer Feedback zu aus seiner Sicht wichtigen Punkten eine Einschätzung einfordert. Die Initiative liegt dann nicht mehr beim Feedback-Geber, sondern beim Nehmer. Die Erfahrung ist, dass so konzentrierter die wesentlichen Entwicklungsthemen angesprochen werden; zudem legen jüngere Ergebnisse der Hirnforschung nahe, dass in diesem Modus die Ängste vor Feedback beim Geber und Nehmer geringer sind und dann auch eher kritische Punkte angesprochen werden. - Jährliche Gespräche reichen nicht
Wie oft Sie diese Feedback-Gespräche durchführen sollten, ist abhängig von der Komplexität und Dynamik Ihres Geschäftes. Die bewährten Modelle in der Praxis zeigen aber, dass Feedback-Gespräche mindestens einmal im Quartal stattfinden sollten. - Erweitern Sie Feedback um aktuelle und Entwicklungsthemen
Die Gesprächsformate sollten in eine Diskussion zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzen eingebettet sein, welche Themen aktuell anliegen, welchen Beitrag der Mitarbeiter zum Erfolg des Teams und Unternehmens leistet und wie die Führungskraft unterstützen kann. In der Praxis werden diese Formate um erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen ergänzt sowie um Aussagen, welche Entwicklungsschritte die Führungskraft beim Mitarbeiter mittelfristig sieht. - Kompetenzmodelle sind kein Auslaufmodell
Kompetenzmodellen wird bescheinigt, dass sie nicht mehr zu agilen Unternehmen passen. Das stimmt für mich nur für die Unternehmen, die in einem sehr dynamischen und komplexen Umfeld arbeiten. Und dann auch nur für Hard Skills. Für mich macht es weiterhin Sinn, für ein Unternehmen die nur mittelfristig entwickelbaren/erfolgskritischen Soft Skills zu identifizieren und einen für das Unternehmen gültigen Wertekanon zu vereinbaren. In dem Sinne veränderte Kompetenzmodelle passen dann auch noch zu agilen Unternehmen. - Schulnotensystem abschaffen
Die gängigen Leistungsbeurteilungssysteme verknüpfen ein Kompetenzmodell allerdings mit Einstufungen – meist 5er-Grids, ähnlich Schulnoten. Die Diskussion über Leistung und Potential sollte wie beschrieben Teil der Feedback-Gespräche sein. Verzichten Sie dabei aber unbedingt auf die Schulnotenmodelle, da diese Ansätze die Zusammenarbeit im Team oder darüber hinaus gefährden können und durch die unbewussten Fehler in der Bewertung/Einschätzung von Menschen zu stark fehlerbehaftet sind. So verstanden können die Formate auch unformalisiert und unbürokratisch aufgesetzt werden. - 360-Grad-Ansatz verfolgen
Neben dem systematisch verankerten Feedback zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter macht es auch Sinn, Kollegen, Projektleiter, Kunden in den Feedback-Prozess einzubeziehen. Mittlerweile sind 360-Grad-Feedback-Tools breit verfügbar und im Handling und in der Auswertung einfach; daneben bieten peer-basierte Lob-Tools einen guten Einstieg, die Qualität der Zusammenarbeit im Unternehmen transparenter zu machen. - Der kleinste Schritt
Vielleicht ist Ihnen das alles zu ambitioniert. Dann könnte ein erster Schritt sein, dass Sie Ihren Mitarbeitern ein Initiativrecht einräumen, zum Beispiel mindestens zweimal (besser öfter) im Jahr ein Feedback-Gespräch zu terminieren. In diesem fordert der Mitarbeiter die Führungskraft auf, zu aus seiner Sicht wichtigen Themen eine Einschätzung zu geben.
Feedback-Kultur ist ein Veränderungsthema
Auch die Weiterentwicklung der Feedback-Kultur ist ein Veränderungsthema. Damit dieses Projekt gelingt, sollten die Bausteine dieser Strategie vom Top-Management/den Führungskräften getragen, mit den Mitarbeitern, Betriebsräten entwickelt und transparent die einzelnen Entwicklungs-Schritte kommuniziert werden. Mit Hilfe von – onlinebasierten – Pulsbefragungen können Sie regelmäßig abfragen, ob und wie die Instrumente angenommen und angewendet werden und ob sich die Mitarbeiterzufriedenheit positiv entwickelt.
Die neuen Gesprächsformate setzen eine hohe soziale Kompetenz voraus. Bei der Einführung sollten Sie mindestens die Führungskräfte, besser noch alle in Mitarbeiter in dem neuen Feedback-Prozess trainieren. Präsenzschulungen, aber auch Blended Learning bieten sich hierfür an, Lernvideos zur Gesprächsführung in dem neuen Format sind eine gute Ergänzung.
Wer diesen Weg einschlägt, wird bald merken, dass andere Instrumente/Themen verändert werden müssen: Die Kommunikationsformate, die variable Vergütung, das Talent-Management, die Art und Qualität der Beteiligung, Zusammenarbeit und Führung des Unternehmens sowie der Aufbau- und Ablauforganisation. Die Feedback-Kultur wird damit zum Motor Ihrer Unternehmenstransformation.